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PolitikUkraine

Ukraine: Todesopfer nach Beschuss von Lwiw

6. Juli 2023

Bei einem russischen Raketenangriff auf den Westen der Ukraine hat es in Lwiw mindestens fünf Todesopfer gegeben. Die Ukraine und Bulgarien wollen bei der Verteidigung enger kooperieren. Ein Nachrichtenüberblick.

Rettungskräfte stehen in den Trümmern auf der Straße nach einem Raketenangriff auf ein Mehrfamilienhaus in Lwiw
Rettungskräfte nach einem nächtlichen Raketenangriff auf ein Mehrfamilienhaus in LwiwBild: STATE EMERGENCY SERVICE OF UKRAINE/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Todesopfer nach Beschuss der ukrainischen Großstadt Lwiw 
  • Bulgarien und Ukraine wollen bei Verteidigung kooperieren
  • US-Regierung prüft Lieferung von Streumunition an Ukraine
  • Lukaschenko bestätigt Verlegung von Atomwaffen nach Belarus
  • Ukraine und Russland tauschen 90 Gefangene aus

 

Die Luftangriffe Russlands in der Ukraine gehen weiter. Nun wurde mit Lwiw wieder die Großstadt im äußersten Westen zum Ziel. Dort wurde bei einer nächtlichen Raketenattacke ein Mehrfamilienhaus getroffen. Fünf Menschen wurden getötet, mindestens 36 wurden verletzt, wie das ukrainische Innenministerium mitteilte. Auf Videos sind stark beschädigte und teilweise fast ganz zerstörte Wohnhäuser eines ganzen Straßenzugs zu sehen. Der Bürgermeister von Lwiw (Lemberg), Andrij Sadowyj, sprach von dem schwersten Angriff auf die zivile Infrastruktur der Stadt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten. Mehr als 50 Häuser seien zerstört worden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, dass es "definitiv eine Antwort an den Feind" geben werde - "eine spürbare". In Lwiw halten sich auch viele Flüchtlinge aus den umkämpften Gebieten im Osten der Ukraine auf. Bis Juni war es dort längere Zeit relativ ruhig geblieben. Dann aber wurde die Stadt wieder Ziel von Luftangriffen. Lwiw liegt nur rund 70 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt.

Viele Anwohner verlassen ihre Wohnungen nach dem Raketenangriff in Lwiw im Westen der UkraineBild: PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/REUTERS

Bulgarien und Ukraine wollen bei Verteidigung kooperieren

In Sachen Rüstung peilen die Ukraine und Bulgarien eine engere Zusammenarbeit an. "Wir haben über die Militärhilfe beraten, die Bulgarien unserem Land zuteilwerden lässt", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj vor der Presse in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. "Wir zählen auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit, die bereits viele Leben gerettet hat." Zudem habe er Bulgarien eingeladen, sich am Wiederaufbau seines Landes zu beteiligen. Bulgarien gilt als einer der Hauptlieferanten von Munition sowjetischen Kalibers für Kiew.

Präsident Wolodymyr Selenskyj trifft zu politischen Gesprächen in Sofia einBild: Stringer/AA/picture alliance

Selenskyj war zu einem ersten Besuch im NATO- und EU-Mitgliedstaat Bulgarien eingetroffen und hatte Regierungsvertreter getroffen. Der Besuch erfolgte auf Einladung der neuen prowestlichen Regierung in Sofia. Zunächst waren Gespräche mit Ministerpräsident Nikolaj Denkow und Außenministerin Maria Gabriel angesetzt. Nach Angaben der bulgarischen Regierung soll eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet werden, die den Beitrittswunsch der Ukraine zur NATO mit Blick auf den Gipfel der Allianz kommende Woche in Vilnius unterstützt.

In Sofia ist seit Anfang Juni eine proeuropäische Regierung im Amt, die sich für einen Kurswechsel in der Ukraine-Politik entschied, nachdem zuvor eine Reihe von Interimsregierungen jedwede Militärhilfe für Kiew abgelehnt hatten. Bulgarien, ebenso wie die Ukraine Schwarzmeeranrainer, ist zwar Mitglied von EU und NATO, aber zugleich historisch und kulturell eng mit Russland verflochten. Die Positionierung im Ukraine-Krieg ist im Land hoch umstritten.

Selenskyj: Ukraine wollte Gegenoffensive früher starten

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätte sich einen "sehr viel früheren" Beginn der Gegenoffensive zur Befreiung der russisch besetzten Gebiete in seinem Land gewünscht. Er habe den USA und den europäischen Partnern gesagt, "dass wir unsere Gegenoffensive gerne früher starten wollen und dass wir all die Waffen und das Material dafür brauchen. Warum? Ganz einfach, weil es langsamer gehen wird, wenn wir später beginnen", sagte Selenskyj dem US-Sender. Das Gespräch war nach Angaben des Senders am Sonntag in Odessa aufgenommen worden.

Selenskyj betonte die Bedeutung von Raketen größerer Reichweite vom Typ ATACMS, um die die Ukraine die USA bittet und mit denen sie russische Ziele weit hinter der Frontlinie angreifen könnte. Die Raketen würden der Ukraine helfen, schneller voranzukommen, sagte Selenskyj. Er wies auch auf Engpässe bei der Ausrüstung seiner Truppen mit Artillerie hin. In einigen Frontbereichen sei nicht einmal daran zu denken, mit der Gegenoffensive zu beginnen, weil die Armee nicht über die entsprechenden Waffen verfüge.

Selenskyj verdeutlichte einmal mehr, was eine Rückeroberung der 2014 von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim für die Ukraine bedeuten würde. "Wir können uns die Ukraine nicht ohne die Krim vorstellen", sagte der ukrainische Präsident. "Und solange die Krim unter russischer Besatzung ist, bedeutet es nur eins: Der Krieg ist noch nicht vorbei."

US-Regierung prüft Lieferung von Streumunition an Ukraine

Die US-Regierung von Präsident Joe Biden erwägt, der Ukraine Streumunition zur Verfügung zu stellen. Er habe derzeit aber keine Ankündigung zu machen, sagte ein Sprecher des Weißen Hauses. "Derzeit liegt unser Fokus darauf, die Ukraine weiterhin mit einer breiten Palette an Munition auszustatten", sagte er. Der US-Radiosender NPR und die Zeitung "New York Times" berichteten unter Berufung auf US-Regierungsvertreter, die Lieferung werde bald verkündet. Das Nachrichtenportal "Politico" meldet, Präsident Joe Biden müsse noch eine endgültige Entscheidung treffen. Streubomben könnten der Ukraine nach Ansicht mancher Militärexperten bei ihrer Offensive gegen russische Truppen helfen, die sich unter anderem in Schützengräben verschanzt haben.

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper – sogenannte Submunition - verstreuen oder freigeben. Sie wird kritisiert, weil ein erheblicher Prozentsatz ihrer Sprengkörper nicht detoniert, sondern als Blindgänger vor Ort verbleibt und so die Bevölkerung gefährdet.

Das sogenannte Oslo-Übereinkommen verbietet seit 2010 Herstellung, Lagerung, Einsatz und Weitergabe von Streumunition. Allerdings sind weder die USA noch die Ukraine dem Abkommen beigetreten, eben so wenig wie Russland und China. Im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine setzen beide Kriegsparteien Streumunition ein.

Lukaschenko bestätigt Verlegung von Atomwaffen nach Belarus

Wenige Tage vor dem NATO-Gipfel in Litauen hat der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko die Verlegung russischer taktischer Atomwaffen in sein Land bestätigt. Eine bestimmte Anzahl von Atomsprengköpfen sei auf belarussisches Territorium gebracht worden, sagte Lukaschenko nach einer Meldung der staatlichen Nachrichtenagentur Belta bei einer Pressekonferenz in Minsk. "Sie befinden sich unter sicherem Schutz."

Nach Ansicht Lukaschenkos ist der "Krieg in der Ukraine, die militärische Spezialoperation" kein Grund für einen Atomschlag "von irgendeiner Seite". Sollte es aber eine "Aggression der NATO" gegen Belarus oder Russland geben, etwa einen Einmarsch, dann werde Russland im Verbund mit Belarus gemäß seiner nationalen Sicherheitsdoktrin "Vergeltung üben", sagte er. Belarus erhält damit nach der freiwilligen Abgabe seiner Atomwaffen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erstmals seit den 1990er Jahren wieder nukleare Raketen. Eigenständig seien die belarussischen Streitkräfte nicht in der Lage, Atomwaffen einzusetzen, sagte Lukaschenko. Es werde immer zusammen mit Russland gehandelt. Lukaschenko ist einer der engsten Verbündeten Russlands.

Lukaschenko: Wagner-Chef zurück in Russland

Der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, hält sich nach Angaben des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko im russischen St. Petersburg auf und nicht mehr in Belarus. Die Kämpfer der russischen Söldner-Truppe seien in ihren dauerhaften Lagern, sagte Lukaschenko vor ausländischen Journalisten in Minsk. Sein Angebot, dass einige von ihnen nach ihrer Meuterei in Belarus stationiert werden könnten, stehe weiterhin.

Nach Angaben des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko hält sich Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in St. Petersburg und nicht mehr in Belarus aufBild: ALEXANDER NEMENOV/AFP/Getty Images

Prigoschin hatte im Juni eine Rebellion seiner Söldner angeführt und sie auf den von ihm so bezeichneten "Marsch der Gerechtigkeit" gen Moskau geschickt. Einige hundert Kilometer vor der russischen Hauptstadt brach er die Meuterei ab. Prigoschins Rebellion hatte sich gegen die russische Militärführung gerichtet, der er Inkompetenz im Krieg gegen die Ukraine vorwirft. Nach Angaben des Kremls ist der Aufstand mit der Abmachung beendet worden, dass Prigoschin ins Exil nach Belarus gehen sollte und er Straffreiheit erhalten würde.

Kreml weiß angeblich nichts über Aufenthaltsort Prigoschins

Der Kreml ist nach eigenen Angaben nicht über den Aufenthaltsort des Söldnerführers Jewgeni Prigoschin unterrichtet. "Nein, wir verfolgen die Standortwechsel Jewgeni Prigoschins nicht, dafür fehlen uns die Möglichkeiten und der Wille", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Nach dem gescheiterten Aufstand von Prigoschins Privatarmee Wagner gegen Russlands Militärführung vor knapp zwei Wochen war eine der Bedingungen für eine Amnestie die Ausreise des Oligarchen nach Belarus. Diese Bedingung sei weiter in Kraft, bestätigte Peskow.

Jewgeni Prigoschin, hier bei einer Videoansprache am 24. Juni 2023 in Rostow am DonBild: Prigozhin Press Service/AP Photo/picture alliance

In russischen Medien kursierten derweil seit Mittwoch Fotos von Prigoschins Wohnsitz in St. Petersburg. Diese wurden bei den Hausdurchsuchungen am Tag der Revolte gemacht. Zu sehen sind neben der luxuriösen Einrichtung der Immobilie auch Waffen, Gold und größere Geldmengen, die dort lagerten. Prigoschin soll diese Besitztümer allerdings inzwischen wieder zurückbekommen haben. Die Veröffentlichung der Fotos dient offenbar dazu, das von ihm selbst aufgebaute Image eines einfachen Mannes aus dem Volke zu beschädigen.

Ukraine und Russland tauschen 90 Gefangene aus

Die Ukraine und Russland haben erneut jeweils 45 Gefangene freigelassen. Auf ukrainischer Seite handle es sich um Soldaten, Nationalgardisten und Zivilschutzangehörige, teilte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, auf Telegram mit. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte, dass 45 russische Soldaten aus der Gefangenschaft zurückgekehrt seien.

Zudem seien zwei Kinder von russischer Seite an ihre ukrainischen Eltern übergeben worden. Kiew wirft dem Kreml vor, Tausende Minderjährige aus den russisch besetzten Gebieten der Süd- und Ostukraine nach Russland "verschleppt" und teils zur Adoption freigegeben zu haben. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat daher gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa einen internationalen Haftbefehl ausgestellt.

Rumänien will ukrainische Piloten an F-16-Kampfjets ausbilden

Rumänien beabsichtigt, Militärpiloten aus NATO-Partnerstaaten und der Ukraine an US-Kampfjets vom Typ F-16 auszubilden. Dafür ist ein Ausbildungszentrum geplant, das von Bündnispartnern und dem Hersteller der Flugzeuge gemeinsam betrieben werden soll. Das teilte das Büro von Staatspräsident Klaus Iohannis mit. Rumänien ist dabei, seine F-16-Flotte auszubauen. Das Land besitzt derzeit 17 Kampfjets vom Typ F-16, die es in Portugal gebraucht gekauft hat. Nach und nach sollen innerhalb von drei Jahren 32 weitere gebrauchte Maschinen aus Norwegen hinzukommen.

Ein F-16-Kampfjet der rumänischen LuftwaffeBild: Robert Ghement/EPA/dpa/picture alliance

Im Mai hatte Rumänien seine verbliebenen alten MiG-Jets aus sowjetischer Produktion endgültig stillgelegt. Rumänien hatte zudem im April beschlossen, hochmoderne Kampfjets vom Typ F-35 aus den USA zu kaufen. Doch mit einem Abschluss dieses Geschäfts wird nicht vor dem Jahr 2030 gerechnet. 

Russland weist neun finnische Diplomaten aus

Als Reaktion auf die Ausweisung russischer Botschaftsmitarbeiter aus Finnland verweist Moskau nun seinerseits neun finnische Diplomaten des Landes. Außerdem werde das finnische Generalkonsulat in St. Petersburg ab dem 1. Oktober geschlossen, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Zugleich bestellte es den finnischen Botschafter Antti Helanterä ein und warf Finnland eine "konfrontative antirussische Politik" in vielen Bereichen vor. Unter anderem würden Russen bei der Erteilung von Einreisevisa nach Finnland diskriminiert. Außerdem stelle der Beitritt Finnlands zur NATO eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands dar. Finnland ist seit Anfang April Mitglied der Verteidigungsallianz.

Die finnische Botschaft in Moskau Bild: NATALIA KOLESNIKOVA/AFP

Die Regierung in Helsinki hatte bereits im Juni neun Mitarbeiter der russischen Botschaft in Helsinki unter dem Vorwurf der Spionage ausgewiesen. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als 16 Monaten gab es eine Reihe von gegenseitigen Diplomatenausweisungen westlicher Staaten und Russlands.

BSI-Chefin warnt vor russischen Cyberattacken

Die neue Chefin von Deutschlands Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Claudia Plattner, warnt vor einer wachsenden Gefahr für Deutschland durch russische Cyberattacken. "Die Zahl der Angriffe aus Russland steigt", sagt Plattner der "Süddeutschen Zeitung". Insgesamt sei die Bedrohungslage im Netz "so groß wie nie".

Deutschland als europäische Macht und Unterstützer der Ukraine sei ein "attraktives Ziel" für von Moskau gelenkte Hackergruppen. "Ziele sind: Spionage, Destabilisierung und Beeinflussung", sagte Plattner. Auch aus China und Iran sei ein Anstieg der Angriffszahlen zu beobachten. In den deutschen Sicherheitsbehörden wächst die Sorge, dass sich prorussische Aktivisten, Cyberkriminelle und Hackergruppen der russischen Geheimdienste verbünden, um westliche Systeme anzugreifen.

Britische Botschaft rät zur Ausreise aus Russland

Großbritanniens Botschaft in Moskau hat die eigenen Staatsbürger zur Ausreise aus Russland aufgefordert. Die Invasion in der Ukraine bedeute, "dass die Lage hier in Russland unberechenbar ist", sagte Botschafterin Deborah Bronnert in einer Videobotschaft, die am Mittwochabend auf dem Telegram-Kanal der diplomatischen Vertretung veröffentlicht wurde. Wenn der Aufenthalt in Russland nicht zwingend erforderlich sei, rate sie, das Land zu verlassen.

Die Britische Botschaft in Moskau rät eigenen Staatsbürgern zur Ausreise aus RusslandBild: Petrov Sergey/Russian Look/IMAGO

Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stark gespannt. Anfang des Jahres hat der russische Geheimdienst den Korrespondenten des "Wall Street Journal" Evan Gershkovich wegen angeblicher Spionage festgenommen. Die US-Regierung hatte bereits kurz nach Kriegsausbruch eigene Bürger zur Ausreise aus Russland aufgefordert. Die deutsche Bundesregierung hingegen rät bisher nur von Reisen in das flächengrößte Land ab.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/uh/mws/sti/AR/ust (rtr, afp, dpa)

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