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KonflikteUkraine

Ukraine-Krieg: UN fürchten verschärfte Hungersnot

21. Juli 2023

Mit Russlands Ausstieg aus dem Getreideabkommen werden künftig viele Menschen verhungern - davon sind die Vereinten Nationen überzeugt. Die USA bestätigen den Einsatz von Streumunition in der Ukraine. Ein Überblick.

Ukraine | Getreideabkommen | Frachtschiff Tq Samsun von Odessa nach Istanbul
Getreidetransporte aus der Ukraine per Schiff sind fast unmöglich gewordenBild: Yoruk Isik/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Vereinte Nationen: Weltweite Hungersnot wird sich verschärfen
  • Ukraine setzt von USA gelieferte Streumunition bereits ein
  • Russische Marine-Übung mit scharfer Munition im Schwarzen Meer
  • Putin droht Polen wegen Truppenverlegung an belarussische Grenze  

 

Nach Russlands Aufkündigung des Abkommens zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer haben die Vereinten Nationen vor der Verschärfung weltweiter Hungersnöte gewarnt. Für die 362 Millionen Menschen in 69 Ländern, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen seien, sei die Entscheidung "eine Bedrohung für ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder und ihrer Familien", sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in New York. "Sie sind nicht traurig, sie sind wütend. Sie haben Angst, sie sind besorgt. Einige werden hungern, andere werden verhungern. Viele könnten an den Folgen dieser Entscheidungen sterben."

Zudem bezeichnete die Untergeneralsekretärin für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, die Drohungen gegen zivile Schiffe im Schwarzen Meer als "inakzeptabel". Das sagte sie vor dem UN-Sicherheitsrat. Man sei auch besorgt über Berichte über im Schwarzen Meer verlegte Minen, welche "die zivile Schifffahrt gefährden".

Die Zahl der für Getreidetransporte vorgesehenen Schiffe im Schwarzen Meer ist binnen Wochenfrist um 35 Prozent gesunken. Das geht aus Zahlen der Schiffs- und Rohstoffplattform Shipfix hervor.

Moskau hatte am Montag das Abkommen zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer trotz aller internationaler Appelle für beendet erklärt. Im Anschluss kündigte Moskau an, Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, künftig als mögliche militärische Ziele zu betrachten. Der zuvor mehrfach verlängerte Getreide-Deal hatte zum Ziel, für viele Teile der Welt wichtige Getreide-Ausfuhren trotz des Krieges zu ermöglichen. Die Ukraine und Russland gehören zu den wichtigsten Exportländern für Getreide und Düngemittel.

Ukraine setzt von USA gelieferte Streumunition bereits ein

Die USA haben bestätigt, dass die von ihr gelieferte Streumunition bereits von der Ukraine gegen die russische Armee eingesetzt wird. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby, sagte in Washington, die ukrainischen Streitkräfte setzten die Munition angemessen, aber effektiv ein.

John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA Bild: Evelyn Hockstein/REUTERS

 

Der Einsatz der Streumunition wirke sich bereits auf russische Verteidigungsstellungen und Offensivmanöver aus, fügte Kirby hinzu. Für weitere Details verwies Kirby an die Ukrainer. Zuvor hatte die "Washington Post" unter Berufung auf namentlich nicht genannte ukrainische Regierungsbeamte berichtet, dass die Streitkräfte auf diese Weise versuchen, russische Stellungen im Südosten des Landes aufzubrechen, die die ukrainische Gegenoffensive verlangsamen. Russland hat nach Meinung westlicher Experten länger schon Streubomben im Einsatz. Kiew betonte bereits zuvor, von den USA gelieferte Streumunition werde nicht für Angriffe auf russisches Territorium oder zivile Einrichtungen eingesetzt.

Die USA, die Ukraine und Russland gehören nicht zu den mehr als 100 Ländern, die ein internationales Abkommen zur Ächtung von Streumunition unterzeichnet haben.

Russische Marine übt mit scharfer Munition 

Nach dem Rückzug der Regierung in Moskau aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine hat die russische Schwarzmeerflotte eine Übung mit scharfer Munition abgehalten. Dabei sei im Nordwesten des Schwarzen Meers ein Zielschiff mit Antischiffraketen beschossen und zerstört worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau im Onlinedienst Telegram.

Bei der nun abgehaltenen Übung hätten die beteiligten Schiffe und Marineflugzeuge zudem Maßnahmen zur "Abriegelung des vorübergehend für die Schifffahrt gesperrten Gebiets" ergriffen und das Festhalten eines angreifenden Schiffs erprobt, hieß es weiter. 

Polen verlegt Teile seiner Truppen an die polnisch-belarussische GrenzeBild: 12 Brygada Zmechanizowana/Handout/REUTERS

Putin droht Warschau wegen Truppenverlegung an belarussische Grenze

Russlands Präsident Wladimir Putin hat Polen wegen der Verlegung von Truppen in Richtung des Nachbarlandes Belarus gedroht. "Belarus ist Teil des Unionsstaates. Und die Entfesselung einer Aggression gegen Belarus würde eine Aggression gegen die Russische Föderation bedeuten. Darauf werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren", sagte Putin bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats. Die Regierung des NATO- und EU-Staats Polen hatte zuvor mitgeteilt, wegen der Präsenz russischer Wagner-Söldner im benachbarten Belarus eine noch unbekannte Zahl eigener Soldaten weiter in den Osten des Landes verlegen zu wollen. 

Ultranationalist und Kriegsbefürworter Girkin in Moskau festgenommen

Der Ex-Geheimdienstoffizier und Ultranationalist Igor Girkin, bekannt unter dem Pseudonym Igor Strelkow, ist seiner Ehefrau zufolge in Moskau festgenommen worden. Ihm werde Extremismus vorgeworfen, teilte Miroslawa Reginskaja auf Girkins Telegram-Kanal mit. Beamte des Ermittlungskomitees hätten ihn abgeführt. Über seinen Aufenthaltsort sei ihr nichts bekannt.

Igor Girkin wurde offenbar festgenommen (Archivbild)Bild: Pavel Golovkin/AP/picture alliance

Girkin leitete 2014 den Aufstand der vom Kreml gelenkten Separatisten im ukrainischen Donbass-Gebiet. Gegen ihn liegt ein internationaler Haftbefehl wegen seiner Beteiligung am Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Jahr 2014 über dem Donbass vor.

Girkin gilt zwar als klarer Befürworter des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, er kritisierte aber zunehmend scharf die Kriegsführung Russlands. So warf er der militärischen Führung in Moskau Inkompetenz und Korruption vor. Er forderte außerdem ein noch härteres und rücksichtsloseres Vorgehen in der Ukraine.

Odessa wieder Ziel russischer Angriffe

Die russische Armee hat die vierte Nacht in Folge die ukrainische Hafenstadt Odessa unter Beschuss genommen. Die Stadt sei vom Schwarzen Meer aus mit Kalibr-Marschflugkörpern angegriffen worden, teilte Regionalgouverneur Oleg Kiper mit. Ins Visier genommen hätten die russischen Streitkräfte dabei insbesondere Getreidesilos. 100 Tonnen Erbsen und 20 Tonnen Gerste seien zerstört, zwei Menschen bei den Angriffen verletzt worden.       

Habeck kritisiert Indiens Haltung zum russischen Angriffskrieg

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat die Haltung Indiens zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine kritisiert. Indien habe den Krieg bisher nicht deutlich und scharf verurteilt, sagte Habeck bei einem Besuch in der indischen Hauptstadt Neu Delhi. "Es ist ein Bruch des Völkerrechts, wie wir ihn lange nicht gesehen haben. Und das muss von der indischen Seite auch deutlicher formuliert werden."

Robert Habeck im DW-Interview in Neu DelhiBild: DW

Indien positioniert sich zum Angriffskrieg neutral, trägt westliche Sanktionen gegen Moskau nicht mit und wirbt immer wieder für eine Konfliktlösung durch Dialog. Dazu sagte Habeck im Interview der Deutschen Welle: "Ich persönlich denke, wenn es Ungerechtigkeit gibt, kann man nicht neutral bleiben. Es gibt immer einen Aggressor und einen, der das Opfer ist." Zu sagen, man unterscheide nicht zwischen Aggressor und Opfer, spiegele in gewisser Weise nicht die wirkliche Situation wider, fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Indien hat gute Beziehungen zu westlichen Ländern, aber auch zu Russland, von dem es mit Blick auf seine militärische Ausrüstung abhängig ist. Das Land kauft aber auch zunehmend Militärausrüstung anderer Länder, unter anderem von Frankreich. Während des Krieges importierte Indien zudem mehr günstiges Öl aus Russland.

IAEA: Weiter kein Zugang zu Dächern von AKW

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA haben nach eigenen Angaben noch immer keinen Zugang zu den Dächern des russisch besetzten Atomkraftwerks Saporischschja. Russland habe dies weiterhin nicht zugelassen, erklärt die IAEA. Bei zusätzlichen Kontrollen der zugänglichen Bereiche in der vergangenen Woche seien weder Sprengsätze noch Minen gefunden worden. Auf die Kontrollen hatte die Ukraine gedrungen. Die Regierung in Moskau wirft der Ukraine ihrerseits vor, durch Beschuss des Kraftwerks eine Atomkatastrophe zu riskieren.

Fünf der sechs Druckwasserreaktoren des Atomkraftwerks SaporischschjaBild: Alina Smutko/REUTERS

Selenskyj entlässt Botschafter in London  

Kurz nach einer kritischen Äußerung über Präsident Wolodymr Selenskyj ist der ukrainische Botschafter in Großbritannien, Wadym Prystajko, von seinem Posten abberufen worden. Selenskyj ließ das entsprechende Dekret ohne nähere Erläuterungen auf seiner Internetseite veröffentlichen. Prystaiko verliert danach auch sein Amt als Vertreter der Ukraine bei der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO). Vor knapp einer Woche hatte der Botschafter seinem Staatschef im britischen Fernsehen "ungesunden Sarkasmus" vorgehalten. Prystajko war drei Jahre lang auf dem Posten in London. Davor war er Außenminister, Vizeregierungschef und Minister für europäische Integration. 

Wadym Prystajko (Archivbild) Bild: Thomas Trutschel/ photothek/picture alliance

Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace hatte die Ukraine jüngst zu mehr Dankbarkeit für bisher gewährte Hilfe im russischen Angriffskrieg aufgefordert. Selenskyj fragte daraufhin in einer Pressekonferenz, was der britische Minister genau wolle. "Soll er mir schreiben. Wir können jeden Morgen dem Minister persönlich nach dem Aufwachen danken", sagte er. Prystajko kritisierte diesen Schlagabtausch als kontraproduktiv. Großbritannien ist eines der wichtigsten Partnerländer der Ukraine. 

Umstrittener Kulturminister zurückgetreten 

Wegen der umstrittenen Finanzierung von Kulturprojekten während des russischen Angriffskriegs ist der ukrainische Kulturminister Olexandr Tkatschenko zurückgetreten. "Ich habe dem Ministerpräsidenten mein Rücktrittsgesuch überbracht, da es eine Welle von Missverständnissen über die Bedeutung von Kultur in Kriegszeiten gibt", schrieb Tkatschenko auf der Onlineplattform Facebook.

Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Ministerpräsident Denys Schmyhal darum gebeten, eine Ablösung Tkatschenkos in Betracht zu ziehen, wie Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache mitteilte. Ukrainische Medien hatten berichtet, der Kulturminister wolle 500 Millionen Hrywnja (rund 12 Millionen Euro) für die Fertigstellung eines nationalen Museums ausgeben, das an die ukrainischen Opfer des Genozids Holodomor in den 1930er-Jahren erinnern soll.

Olexandr Tkatschenko ist nicht länger Kulturminister der UkraineBild: Anne-Christine Poujoulat/AFP

"In Kriegszeiten wie diesen sollte die Hauptaufmerksamkeit des Staates, und damit auch der staatlichen Ressourcen, auf die Verteidigung entfallen", kritisierte Selenskyj. Selbstverständlich seien Museen und andere kulturelle Bereiche wichtig, betonte er, "aber gerade haben wir andere Prioritäten". Nach rund 17 Monaten russischem Angriffskrieg habe die ukrainische Gesellschaft Verständnis dafür, dass an nicht dringend notwendigen Dingen derzeit gespart werden müsse. Selenskyj wies die Regierung zudem an, für kulturelle und andere Projekte alternative Finanzierungsmöglichkeiten zu erarbeiten. 

qu/mak/se/pg/as/uh (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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