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KonflikteUkraine

Ukraine: UN warnen vor Attacken im Schwarzen Meer

22. Juli 2023

Nach dem Ende des Getreidedeals befürchten die Vereinten Nationen eine militärische Eskalation im Schwarzen Meer. Der ukrainische Präsident Selenskyj nennt die Krim-Brücke eine "feindliche Anlage". Der Überblick.

Ukraine Krieg | Letztes Schiff im Rahmen des Getreideabkommens verlässt den Hafen von Odesa
Archivfoto: Getreidefrachter im Schwarzen MeerBild: Yulii Zozulia/Avalon/Photoshot/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • UN verurteilen Drohungen gegen zivile Schiffe
  • Peking sorgt sich um Ernährungssicherheit
  • Selenskyj sieht Krim-Brücke als feindliche Anlage
  • Drohnenangriffe lösen Explosionen in Munitionslager auf Krim aus
  • UNESCO prangert russische Angriffe auf Odessa an

 

Nach dem Ausstieg Russlands aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine haben die Vereinten Nationen Drohungen gegen zivile Schiffe im Schwarzen Meer als "inakzeptabel" zurückgewiesen. Die Untergeneralsekretärin für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo, sagte vor dem Weltsicherheitsrat in New York, die UN seien auch besorgt über Berichte über im Schwarzen Meer verlegte Minen, welche "die zivile Schifffahrt gefährden". DiCarlo betonte, das Risiko, dass sich der Ukraine-Konflikt durch "einen militärischen Zwischenfall im Schwarzen Meer - ob vorsätzlich oder unbeabsichtigt - ausweitet, muss um jeden Preis vermieden werden, da dies katastrophale Folgen für uns alle haben könnte". 

Russland stuft nach eigenen Angaben seit Donnerstag alle Schiffe im Schwarzen Meer mit dem Ziel Ukraine als Schiffe ein, "die potenziell militärische Ladung transportieren". Die Ukraine warnte ihrerseits, sie werde alle Schiffe mit russischen Zielhäfen als potenzielle Militärtransporte betrachten.

Russland hielt unterdessen im Schwarzen Meer eine Marineübung mit scharfer Munition ab. Die Schwarzmeerflotte habe ein Schiff mit Raketen beschossen und zerstört, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Die russische Armee beschoss zudem nach ukrainischen Angaben erneut die Hafenstadt Odessa, dabei wurden Silos mit Gerste und Erbsen zerstört.

Region Odessa: Getreidelager, das durch einen Raketenangriff zerstört wurdeBild: Ukrainian Armed Forces/REUTERS

Das Getreideabkommen war im Juli 2022 in Istanbul unterschrieben und anschließend zweimal verlängert worden. Die Übereinkunft ermöglichte es der Ukraine, trotz des russischen Angriffskriegs über das Schwarze Meer Getreide zu exportieren. Im zurückliegenden Jahr wurden so fast 33 Millionen Tonnen Getreide aus ukrainischen Häfen ausgeführt. Am vergangenen Montag hatte Russland das Abkommen aber auslaufen lassen.

DiCarlo sagte nun, die Vereinten Nationen bemühten sich weiter darum, ukrainisches und russisches Getreide auf den Weltmarkt zu bringen. Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths ergänzte, für die 362 Millionen Menschen, die weltweit auf Lebensmittelhilfen angewiesen seien, sei das Auslaufen des Getreideabkommens "eine Bedrohung für ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Kinder und Familien".

Lesen Sie dazu auch: Auf der Suche nach neuen Exportwegen für Getreide aus der Ukraine

Russland äußerte Verständnis für die Sorgen vor allem in Afrika und versprach, Lieferungen an bedürftige Länder sicherzustellen. "Wir verstehen die Sorgen unserer afrikanischen Freunde", sagte Vize-Außenminister Sergej Werschinin. Über ihre Kontakte nach Moskau und den bevorstehenden Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg könnten die bedürftigen Länder "selbstverständlich" ihren Bedarf an Getreide und anderen Agrarprodukten decken.

Getreidekorridor-Öffnung hat "absolute Priorität"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan über eine mögliche Rückkehr zum Getreideabkommen beraten. "Die Öffnung des Getreidekorridors hat absolute Priorität", erklärte er nach einem Telefonat mit Erdogan. "Wegen Russlands Handlungen ist die Welt erneut am Rande einer Lebensmittelkrise", führte Selenskyj weiter aus. Die Türkei war 2022 am Zustandekommen des Deals maßgeblich als Vermittlerin beteiligt.

In seiner am Freitagabend verbreiteten Videobotschaft warf Selenskyj Russland Terror gegen die Menschen in Odessa vor. Zugleich kündigte er an, Russland dafür zu bestrafen. Die Ukraine wisse, wie sie sich verteidige, fügte Selenskyj hinzu. Neben den Waffenlieferungen des Westens produziere sein Land immer mehr eigene Drohnen und Munition.

Videobotschaft: Wolodymyr Selenskyj am FreitagabendBild: The Presidential Office of Ukraine

Peking sorgt sich um Ernährungssicherheit

China hat nach dem russischen Ausstieg aus dem Getreideabkommen mit der Ukraine beide Seiten zu einer raschen Wiederaufnahme der Exporte aufgerufen. Chinas stellvertretender Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Geng Shuang, forderte im UN-Sicherheitsrat eine baldige Wiederaufnahme der Ausfuhren von Getreide und Düngemitteln aus Russland und der Ukraine.

Geng Shuang ist Chinas ständiger Vertreter bei den Vereinten NationenBild: Yuki Iwamura/AP/picture alliance

Peking hoffe, dass die Betroffenen mit den zuständigen UN-Gremien zusammenarbeiteten, um eine ausgewogene Lösung für die berechtigten Anliegen aller Parteien zu finden, sagte Geng nach einem Bericht des chinesischen Staatsfernsehens bei der Sitzung in New York. Dies sei notwendig, um die internationale Ernährungssicherheit zu gewährleisten. 

Indien schränkt Reis-Ausfuhren ein

Nach Russlands Aufkündigung des Abkommens zum Export ukrainischen Getreides schränkt Indien seine Reis-Ausfuhren ein. Weißer Reis, bei dem es sich nicht um Basmati-Reis handelt, dürfe ab sofort nicht mehr exportiert werden, teilte in Neu-Delhi das Ministerium für Verbraucherangelegenheiten mit.

Es handle sich rund um ein Viertel des gesamten indischen Reisexports. Wie es hieß, sollen mit dieser Maßnahme die gestiegenen Reispreise für Konsumenten in Indien gesenkt werden.

Selenskyj nennt Krim-Brücke eine "feindliche Anlage"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Krim-Brücke nach eigenen Angaben als "feindliche Anlage", die zerstört werden muss. Die Brücke, die das russische Festland mit der von Russland besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbindet, sei "nicht nur eine logistische Straße", sagte Selenskyj per Video-Link bei einer Sicherheitskonferenz in Aspen im US-Bundesstaat Colorado.

Die Krim-Brücke ist 19 Kilometer lang und damit die längste Brücke EuropasBild: Sergei Malgavko/TASS/picture alliance

Vielmehr handle es sich um die Straße, die benutzt werde, um den russischen Angriffskrieg jeden Tag mit Munition zu versorgen. Das führe zu einer Militarisierung der Krim. Und jedes Ziel, das Krieg und nicht Frieden bringe, müsse neutralisiert werden, sagte der Präsident weiter. 

Drohnenangriffe lösen Explosionen auf Krim aus

Auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim ist ein Munitionslager durch einen ukrainischen Drohnenangriff in Brand geraten. Nach ersten Erkenntnissen gebe es keine Toten oder Verletzten, teilte der von Moskau eingesetzte Statthalter Sergej Aksjonow mit. Aus Sicherheitsgründen wurden die anliegenden Ortschaften evakuiert und der Bahnverkehr eingestellt. Der Angriff erfolgte demnach im Landkreis Krasnogwardejsk nördlich von Simferopol im zentralen Teil der Krim. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die einen Großbrand dokumentieren. Auf einigen Videos sind auch Detonationen zu hören.

Das ukrainische Militär bestätigte den Angriff. Dabei seien Munitionsdepots und ein Treibstofflager vernichtet worden. Erst Anfang der Woche wurde die 19 Kilometer lange Brücke vom russischen Festland auf die Krim durch eine Attacke beschädigt. Dabei wurden zwei Menschen getötet. Zwei Tage später geriet im südöstlichen Teil der Halbinsel ein großes Munitionsdepot in Brand. Die russischen Behörden sprachen von einem ukrainischen Raketenangriff. Die Munition detonierte mehrere Tage lang. Über die Krim verläuft ein Großteil des Nachschubes der russischen Besatzungstruppen im Süden der Ukraine. Die ukrainischen Streitkräfte attackieren daher verstärkt Treibstoff- und Munitionslager.

UNESCO prangert russische Angriffe auf Odessa an

Die UNESCO hat russische Angriffe auf die Altstadt von Odessa verurteilt, die zum Weltkulturerbe gehört. Nach ersten Erkenntnissen seien bei den Angriffen in der Nacht zum Donnerstag auch mehrere Museen im historischen Zentrum von Odessa beschädigt worden, darunter das Archäologische Museum, das Marinemuseum und das Literaturmuseum, erklärte die UN-Kulturorganisation in Paris.

Alle beschädigten Gebäude seien von der UNESCO und den ukrainischen Behörden mit dem weiß-blauen Schild zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten gekennzeichnet gewesen. Die Haager Konvention von 1954, die Kulturgüter schützen soll, sei daher in Odessa verletzt worden.

Der russische Angriffskrieg stelle "eine wachsende Bedrohung für die ukrainische Kultur dar", warnte die UN-Organisation. Seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 hat sie nach eigenen Angaben schon Schäden an 270 ukrainischen Kulturstätten festgestellt.

Roth verurteilt russische Angriffe auf Museen

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat den russischen Angriff auf die ukrainische Stadt Odessa und deren Kulturschätze scharf kritisiert. "Die gezielten Angriffe Russlands auf die Museen in Odessa zeigen einmal mehr: Dieser Krieg ist ein Angriff auf alle Bereiche der ukrainischen Gesellschaft und Demokratie", erklärte sie am Samstag in Berlin. Er richte sich "auch und insbesondere auf ihre eigenständige Kultur".

Die deutsche Kulturstaatsministerin Claudia RothBild: Boris Roessler/dpa/picture alliance

Mit der Bombardierung der Weltkulturerbe-Altstadt von Odessa attackiere Russland „auch direkt einen bedeutenden Teil des kulturellen Erbes der Menschheit“ und betreibe dessen Zerstörung, betonte die Grünen-Politikerin. "Diese verbrecherische Gewalt gegen die Menschen in der Ukraine sowie ihre Kulturgüter muss ein Ende haben und von Russland sofort gestoppt werden."

Russischer Gouverneur beklagt Einsatz von Streumunition

Die Ukraine hat nach russischen Angaben die russische Grenzregion Belgorod mit Streumunition beschossen. Der dortige Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow berichtete von ukrainischen Angriffen auf die Ortschaft Schurawljowka, bei denen auch Raketenwerfer zum Einsatz gekommen seien, die Streumunition verschießen. Opfer oder Sachschäden habe es keine gegeben.

Die USA hatten der Ukraine trotz internationaler Kritik in den vergangenen Wochen zur Verteidigung gegen Russland Streumunition geliefert. Mehr als 100 Staaten - auch Deutschland - haben den Einsatz solcher Waffen mit einem Abkommen geächtet.

Russischer Journalist in Region Saporischschja getötet

Ein russischer Militärkorrespondent ist nach offiziellen Angaben aus Moskau im Kampfgebiet im Süden der Ukraine ums Leben gekommen. Durch ukrainischen Beschuss mit Streumunition hätten vier Journalisten unterschiedlich schwere Verletzungen erlitten, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Der Korrespondent der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, Rostislaw Schurawljow, erlag demnach auf dem Weg zum Feldlazarett seinen Verwundungen. Die Agentur bestätigte seinen Tod. Zudem wurden ein Fotokorrespondent von Ria Nowosti und zwei Mitarbeiter der kremlnahen Tageszeitung "Iswestija" getroffen. Die Gruppe soll im Raum Pjatychatky südlich von Saporischschja unter Feuer geraten sein.

Südafrika würde Haftbefehl gegen Putin vollstrecken

Südafrikas Regierung würde Russlands Staatschef Wladimir Putin wohl festnehmen lassen, würde er - wider Erwarten - ins Land einreisen. Das geht aus einer eidesstattlichen Erklärung des Justizministeriums hervor, den die Oppositionspartei Democratic Alliance veröffentlichte. Allerdings hatten Südafrika und Russland bereits zuvor mitgeteilt, dass Putin nicht zum BRICS-Gipfel der wirtschaftsstärksten Schwellenländer im August nach Südafrika reisen werde. Bis dahin war das offen geblieben.

Verzichtet auf einen Südafrika-Besuch: Wladimir Putin (in einem Helikopter)Bild: Russian President Press Office/dpa/picture alliance

Die Democratic Alliance hatte gemeinsam mit Amnesty International vor dem Obersten Gericht in Pretoria geklagt, um die Regierung zu einer Festnahme Putins bei einer möglichen Einreise zu zwingen. Die Geschäftsführerin von Amnesty International Südafrika, Shenilla Mohamed, bezeichnete die Erklärung als "Sieg für die Rechtsstaatlichkeit und die internationale Justiz, vor allem aber für die Opfer in der Ukraine". Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte im März einen Haftbefehl gegen Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine ausgestellt.

Warschau kritisiert Putins "Lügen über Polen"

Polen hat die Behauptung von Kremlchef Wladimir Putin zurückgewiesen, es habe Gebietsansprüche in Belarus und der Ukraine. "Der erbärmliche Langweiler aus dem Kreml wiederholt schon wieder Lügen über Polen", erklärte der Kanzleichef von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, Stanislaw Zaryn, in Warschau. Putin versuche außerdem, den Hintergrund des Kriegs in der Ukraine zu vertuschen. Um der Kritik Nachdruck zu verleihen, wurde der russische Botschafter ins Außenministerium in Warschau einbestellt. Dies sei nach den provokativen Äußerungen Putins "sowie Drohungen und anderen unfreundlichen Handlungen der Russischen Föderation gegenüber Polen und unseren Verbündeten" erfolgt, erklärte Vizeaußenminister Pawel Jablonski. Die Grenzen zwischen den Ländern seien "absolut unantastbar und Polen ist gegen jegliche Revision" dieser Grenzen.

Putin hatte erklärt, Polen lege es darauf an, vor dem Zweiten Weltkrieg zu Polen gehörende Gebiete in Belarus und der Ukraine zurückzuerlangen. Zudem bezeichnete Putin die westlichen Gebiete Polens, die früher zu Deutschland gehörten, als Geschenk der Sowjetunion.

sti/kle/wa/mak/haz/pg (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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