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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: US-Präsident Biden in Kiew

20. Februar 2023

Damit stärkt der US-Präsident dem bedrängten Land kurz vor dem ersten Jahrestag des Kriegsbeginns demonstrativ den Rücken. Präsident Selenskyj erlässt neue Sanktionen gegen den russischen Finanzsektor. Ein Überblick.

US-Präsident Joe Binden wird in Kiew vom ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj begrüßt
US-Präsident Joe Biden wird in Kiew vom ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj begrüßtBild: Ukrainian Presidential Press Service/via REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Luftalarm während Bidens Besuch in der ukrainischen Hauptstadt 
  • Weitere Sanktionen sollen Russlands Kriegswirtschaft schwächen
  • China erwägt laut USA Waffenlieferungen an Russland
  • EU legt Notfallreserven an zusätzlichen Standorten an
  • Wirtschaftsforscher: Kriegsfolgen kosten Deutschland Milliarden

 

Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen hat US-Präsident Joe Biden die ukrainische Hauptstadt besucht. Vor einem angekündigten Besuch in Polen kam Biden am Montagvormittag mit seiner Delegation in der Hauptstadt Kiew an. Er traf auch Präsident Wolodymyr Selenskyj. Beide gedachten gemeinsam der ukrainischen Gefallenen. Während des Aufenthalts gab es Luftalarm.

Trotz des Luftalarms spazierten die beiden Staatschefs gemeinsam durch die Stadt. Der US-Präsident lobte den Verteidigungswillen der Menschen in der Ukraine, die am 24. Februar 2022 von Russland überfallen wurde. "Ein Jahr danach hält Kiew stand. Und die Ukraine hält stand. Die Demokratie hält stand." Nach Angaben von mitgereisten US-Journalisten fügte er hinzu: "Die Amerikaner stehen zu Euch, und die Welt steht zu Euch." Selenskyj sprach von einem "extrem wichtigen Zeichen der Unterstützung für alle Ukrainer". Er sagte demnach auch: "Diese Unterhaltung bringt uns dem Sieg näher." 

Kurz vor dem ersten Jahrestag des russischen Überfalls war dies für Biden der erste Besuch in der Ukraine seit Kriegsbeginn. Aus Sicherheitsgründen wurde die Reise lange Zeit geheimgehalten. In den vergangenen Wochen war bereits spekuliert worden, dass Biden seine Reise nach Polen mit einem Besuch in der Ukraine verbinden könnte. Das Weiße Haus hatte mehrfach erklärt, das sei nicht geplant. Hochrangige Reisen in Krisengebiete werden allerdings üblicherweise bis zum letzten Moment geheim gehalten.

Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj an der Sophienkathedrale in Kiew, wo der US-Präsident einen Kranz niederlegteBild: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa

Biden kündigte ein neues Paket an Militärhilfe für die Ukraine im Volumen von einer halben Milliarde Dollar an. Es werde auch Munition für die Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ HIMARS sowie panzerbrechende Systeme und Luftüberwachungsradare enthalten. Selenskyj sagte, er habe bei dem Treffen mit Biden auch über eine Lieferung von Langstrecken-Raketen gesprochen.

Weitere Sanktionen sollen Russlands Kriegswirtschaft schwächen

Der ukrainische Präsident hat neue Sanktionen gegen den Finanzsektor Russlands erlassen, um die Kriegswirtschaft des Aggressors zu schwächen. Belegt mit Strafmaßnahmen sind demnach nicht nur Vertreter des Bankenwesens in Russland, sondern auch die Moskauer Börse.

"Heute gibt es einen neuen Sanktionsschritt unseres Staates gegen all jene, die die russische Aggression speisen", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Die Sanktionen seien Grundlage für Verbündete im Westen, ebenfalls solche Strafmaßnahmen zu erlassen.

Der Präsident informierte zudem darüber, dass er sich von Generälen über die Lage an der Front habe informieren lassen. Details nannte er nicht. "Die Situation ist sehr schwierig", sagte er mit Blick auf die Kämpfe im Osten der Ukraine.

Blinken warnt vor Waffenlieferungen Chinas an Russland - Peking sauer

China erwägt nach den Worten von US-Außenminister Antony Blinken, Russland im Ukraine-Krieg mit Waffen zu unterstützen. "Die Sorge, die wir jetzt auf Grundlage der uns vorliegenden Informationen haben, ist, dass sie die Bereitstellung tödlicher Unterstützung erwägen", sagte Blinken mit Blick auf China im Fernsehsender CBS.

US-Außenminister Antony Blinken bei der Münchner SicherheitskonferenzBild: Stephan Goerlich MSC/UPI Photo/IMAGO

Bei einem Treffen mit Chinas Außenpolitiker Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Blinken China vor "Konsequenzen" einer Unterstützung Russlands gewarnt. Auf die Frage, was eine "tödliche Unterstützung" umfasse, sagte der Außenminister im Sender CBS: "Alles von Munition bis zu den Waffen selbst." Jegliche Waffenlieferung an Moskau würde "ernste Probleme" verursachen, warnte Blinken. US-Präsident Joe Biden habe den chinesischen Staatschef Xi Jinping bereits im vergangenen März vor Waffenlieferungen an Russland gewarnt, sagte Blinken dem amerikanischen Sender ABC. Seither habe China darauf geachtet, "diese Linie nicht zu überschreiten", hieß es aus Regierungskreisen in Washington. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, mit Waffenlieferungen an Russland würde China "eine rote Linie" missachten.

China wies Blinkens Aussagen inzwischen scharf zurück. Washington verbreite "Falschinformationen", sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin in Peking. Sein Land werde "keine Fingerzeige der USA auf die chinesisch-russischen Beziehungen" akzeptieren. Es seien "die USA und nicht China, die ständig Waffen auf das Schlachtfeld schicken", betonte Wang. Er forderte die Vereinigten Staaten auf, den Frieden und den Dialog zu fördern und damit aufzuhören, Schuldzuweisungen zu verbreiten. China jedenfalls bemühe sich in dem Ukraine-Konflikt darum, "den Frieden zu fördern und den Dialog zu unterstützen".

EU legt Notfallreserven an zusätzlichen Standorten an

Die strategischen Reserven der EU für atomare, biologische und chemische Notfälle werden auf unterschiedliche Standorte in Europa ausgeweitet. Neben Finnland wollen künftig auch Frankreich, Kroatien und Polen entsprechendes Material im Gesamtwert von fast 546 Millionen Euro vorhalten, wie die EU-Kommission in Brüssel am Montag mitteilte. Die Reserven umfassen unter anderem Gegengifte, Antibiotika, Impfstoffe, Beruhigungsmittel sowie Schutzausrüstungen wie Gasmasken, Schutzanzüge, Detektoren für Chemikalien und Strahlenmessgeräte.

Als Hintergrund nannte die EU-Behörde auch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Dieser habe die Notwendigkeit einer strategischen Reserve an kritischen Arzneimitteln und Schutzausrüstung insbesondere bei atomaren, biologischen oder chemischen Angriffen oder Unfällen unterstrichen. Sobald die Reserven eingerichtet sind, können die Mitgliedstaaten über das Zentrum für Notfall-Koordination Material aus den Beständen anfordern.

Högl: Industrie muss Kapazitäten aufbauen

Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), dringt auf langfristige Finanzzusagen der Politik für die Rüstungsindustrie und eine Vereinfachung des Vergabeverfahrens. "Die Industrie muss jetzt schleunigst Produktionskapazitäten aufbauen und dafür braucht sie auch Zusagen aus der Politik, dass das finanziert wird - und zwar über den Bundeshaushalt 2024 hinaus", sagte Högl dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Drückt bei den Rüstungsausgaben aufs Tempo: Eva HöglBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Zusätzlich zu dem von der Bundesregierung nach dem russischen Überfall auf den Weg gebrachten Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro müsse der Verteidigungsetat auf jeden Fall um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden. "Wir brauchen das Geld, aber auch bessere Verfahren und Strukturen. Es muss alles viel schneller gehen." Das betreffe die Neubeschaffung sowie die Wiederbeschaffung des Geräts, das an die Ukraine abgegeben werde.

"Wir müssen die gesetzlichen Hürden, die Rechtsvorschriften vereinfachen", betonte Högl. "Das fängt beim europäischen Vergaberecht an." Beschaffungsprobleme bestünden in allen europäischen Mitgliedstaaten. Allein der Rüstungskonzern Airbus wartet derzeit auf Exportgenehmigungen der Bundesregierung im Wert von mehreren Milliarden Euro.

DIW: Krieg kostet Deutschland 100 Milliarden Euro

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, erwartet durch den Ukraine-Krieg weiter steigende Kosten für die deutsche Wirtschaft und hohe Wachstumsverluste. "Der Ukraine-Krieg und die damit verbundene Explosion der Energiekosten hat Deutschland im Jahr 2022 knapp 2,5 Prozent oder 100 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung gekostet", sagte Fratzscher der Düsseldorfer Zeitung "Rheinische Post".

Diese Kosten würden in den kommenden Jahren weiter zulegen. "Deutschland ist wirtschaftlich stärker von der Krise betroffen, weil es eine höhere Abhängigkeit von russischer Energie hatte, einen hohen Anteil an energieintensiver Industrie hat und extrem abhängig von Exporten und globalen Lieferketten ist", so Fratzscher.

DIW-Präsident Marcel FratzscherBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

"Der Schaden für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist noch nicht entstanden, wird aber dann entstehen, wenn die Unternehmen die ökologische, wirtschaftliche und digitale Transformation nicht massiv beschleunigen", fügte der Ökonom hinzu. Denn höhere Energiepreise blieben in den kommenden zehn Jahren ein deutlicher Wettbewerbsnachteil, sodass Politik und Unternehmen dies durch mehr Innovationen und höhere Produktivität kompensieren müssten.

Selenskyj: Macron verschwendet seine Zeit

Der französische Präsident Emmanuel Macron wird sich nach Ansicht des ukrainischen Präsidenten Selenskyj vergeblich um einen Austausch mit Russland bemühen. "Es wird ein erfolgloser Dialog sein", erklärte Selenskyj laut der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera" als Reaktion auf Macrons Äußerung, wonach der Konflikt durch Verhandlungen beigelegt werden müsse. 

"Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir nicht in der Lage sind, die russische Haltung zu ändern", zitiert das Blatt den ukrainischen Präsidenten weiter. "Wenn sie beschlossen haben, sich in dem Traum vom Wiederaufbau des alten Sowjetimperiums zu isolieren, können wir nichts dagegen tun. Es liegt an ihnen, sich für oder gegen eine Zusammenarbeit mit der Gemeinschaft der Nationen auf der Grundlage gegenseitigen Respekts zu entscheiden."

In puncto Dialog mit Moskau uneins: Selenskyj (l.) und MacronBild: Mohammed Badra/AFP/Getty Images

Selenskyj wies demnach Darstellungen zurück, es seien die westlichen Sanktionen gewesen, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin in die Isolation getrieben hätten. "Es war vielmehr die Entscheidung, den Krieg zu beginnen, die Putin an den Rand gedrängt hat."

sti/mak/jj/uh/gri/fw (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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