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KonflikteUkraine

USA könnten Ukraine nach Kriegsende Schutz bieten

10. Juli 2023

Die Ukraine will so schnell wie möglich NATO-Mitglied werden. Nun deutet der US-Präsident an, in welche Richtung die Sicherheitsgarantien des Westens gehen könnten. Der Überblick.

Joe Biden bei einer Rede
Joe Biden bringt Ideen für die Ukraine zwischen Kriegsende und einem möglichen NATO-Beitritt ins SpielBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • US-Präsident will Sicherheitsgarantien für Kiew
  • Polen verlegt Soldaten an Grenze zu Belarus
  • Selenskyj beruft neuen Kommandeur der Nationalgarde
  • Russland verärgert über Rückkehr von Asow-Kommandeuren

 

Die USA sind nach Angaben von Präsident Joe Biden bereit, der Ukraine nach einem Ende des russischen Angriffskriegs ähnlichen Schutz zu bieten wie Israel. Den Vorschlag bezog Biden auf die Zeit zwischen Kriegsende und einem möglichen NATO-Beitritt.

Biden betonte vor dem Gipfel der 31 NATO-Staaten am Dienstag und Mittwoch in Litauen in einem CNN-Interview überdies, dass eine solche umfassende Schutzgarantie nur im Fall eines Waffenstillstands und eines Friedensabkommens denkbar wäre.

Nicht zum Spaß nach Vilnius

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dessen Land sich seit 16 Monaten gegen eine russische Invasion verteidigt, knüpfte seine Teilnahme am NATO-Gipfel erneut an Bedingungen. Alle Entscheidungen müssten während des Treffens am Dienstag und Mittwoch getroffen werden, sagte er dem US-Sender ABC. "Ich will nicht zum Spaß nach Vilnius fahren, wenn die Entscheidung schon vorher gefallen ist." 

Konkret sagte er: "Die Ukraine sollte klare Sicherheitsgarantien bekommen, solange sie nicht in der NATO ist." Dies sei ein sehr wichtiger Punkt. "Nur unter diesen Bedingungen wäre unser Treffen sinnvoll."

"Keine Zweideutigkeiten mehr"

Kurz vor dem Gipfel in Vilnius sagte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, der Deutschen Presse-Agentur, man erwarte "eine klare und deutliche Einladung und Wegweisung zum NATO-Beitritt". Auch wenn dieser nicht von heute auf morgen passieren werde, erwarte man, dass die NATO keine Zweideutigkeit mehr zulasse.

2008 stand die Ukraine bereits kurz vor einer Aufnahme in das Verteidigungsbündnis - auf dem Gipfel in Bukarest stemmte sich jedoch vor allem Deutschland unter der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen. "Wäre die Ukraine 2014 bereits NATO-Mitglied gewesen, hätte es die Krim-Annexion, den Krieg im Donbass und jetzt den russischen großangelegten Angriffskrieg sicherlich nicht gegeben", sagte Makeiev.

Deutsche "Patriot"-Luftverteidigungssysteme am Flughafen Vilnius - sie schützen erstmals einen NATO-GipfelBild: Darius Mataitis/Scanpix/IMAGO

Moskau forderte den NATO-Gipfel auf, über die Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja zu beraten. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte, die Hauptaufmerksamkeit der Gipfelteilnehmer solle einer drohenden "systematischen Beschädigung" gelten. Russland wirft der Ukraine seit Tagen einen derartigen Plan zu - Kiew dementiert das und warnt, die russischen Besatzer hätten Sprengsätze an dem Kraftwerk platziert. Eine mutwillige Beschädigung könnte nach Darstellung der ukrainischen Atomaufsicht eine Strahlenkatastrophe der Größenordnung jener von Fukushima oder Tschernobyl nach sich ziehen.

Polen verlegt 1000 Soldaten

Das NATO-Mitglied Polen hat mit der Verlegung von mehr als 1000 zusätzlichen Soldaten und fast 200 Militärfahrzeugen an die Ostgrenze zu Belarus begonnen. Das teilte Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak nach Angaben der Nachrichtenagentur PAP mit. Mit der "Operation Podlachien" wolle man die Bereitschaft demonstrieren, auf "Destabilisierungsversuche" an den Grenzen zu reagieren. Die historische Landschaft Podlachien stößt im Osten an die mit Russland verbündete Ex-Sowjetrepublik.

Polnische Armeefahrzeuge brechen bei Szczecin (Stettin) auf zur Grenze zu Belarus Bild: 12 Brygada Zmechanizowana/Handout/REUTERS

Erst vor kurzem hatten die Staatspräsidenten von Litauen, Polen und Lettland in einem gemeinsamen Schreiben an die NATO ihre Besorgnis über die Entwicklungen im benachbarten Belarus zum Ausdruck gebracht. Hintergrund sind die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen sowie die mögliche Unterbringung von Kämpfern der Söldnertruppe Wagner in dem von Präsident Alexander Lukaschenko autokratisch regierten Land.

Wagner in Belarus: Gefahr für Ukraine und NATO?

42:36

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Nach Angaben polnischer Behörden steigt derzeit die Zahl illegaler Grenzübertritte von Migranten. Allein am Freitag hatten 200 Menschen, darunter Marokkaner, Inder und Äthiopier, versucht, von Belarus aus nach Polen zu gelangen, teilte der Grenzschutz mit. Die Regierung in Warschau wirft Belarus vor, mit der illegalen Einwanderung Polen destabilisieren zu wollen.

Kambodscha warnt Ukraine vor Streumunition

Aus eigener leidvoller Erfahrung hat Kambodscha die Ukraine vor dem Einsatz von Streumunition gewarnt. "Es wäre für die Ukrainer die größte Gefahr für bis zu hundert Jahre, wenn Streubomben in den von Russland besetzten Gebieten auf dem Territorium der Ukraine verwendet würden", schrieb der Regierungschef des südasiatischen Lands, Hun Sen, bei Twitter.

Während des Vietnamkriegs in den 60er- und 70er-Jahren hatte die US-Armee millionenfach Streubomben in Kambodscha und dem benachbarten Laos abgeworfen. Die USA wollten damit Stellungen der Kommunisten treffen, fügten dadurch jedoch auch vielen Zivilisten Leid zu: Zehntausende Menschen seien durch die Sprengsätze getötet oder verstümmelt worden, erinnerte Hun Sen. Kambodscha zählt zu den am stärksten verminten Ländern der Welt. Bis 2025 will die Regierung alle Minen und Blindgänger geräumt und entschärft haben.

Kambodschas Regierungschef Hun SenBild: Ly Lay/Xinhua/picture alliance

Streubomben gelten als besonders heimtückisch, weil jede von ihnen zahlreiche kleine Sprengsätze auf eine größere Fläche verteilt, von denen nicht alle detonieren. Inwieweit die Blindgängerquote der nun für die Ukraine angedachten Munition mit der in Kambodscha eingesetzten vergleichbar ist, ist umstritten. Mehr als 100 Staaten ächten den Einsatz von Streumunition, darunter auch Deutschland. Die USA und die Ukraine, aber auch Russland haben das dafür zuständige Oslo-Übereinkommen nicht unterzeichnet.

Selenskyj beruft neuen Chef der Nationalgarde

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Olexandr Piwnenko zum neuen Chef der Nationalgarde ernannt. Piwnenko sei ein hochdekorierter Offizier mit Kampferfahrung, der sich insbesondere bei den Gefechten gegen russische Truppen um die Stadt Bachmut im Osten der Ukraine hervorgetan habe, erklärte Selenskyj bei der Ernennung. So sei ihm auch der Orden "Held der Ukraine", die landesweit höchste Auszeichnung, verliehen worden.

Olexandr Piwnenko ist der neue Kommandeur der Nationalgarde in der Ukraine Bild: Roman Baluk/REUTERS

Die Ernennung fand bei einer Veranstaltung in der westukrainischen Stadt Lwiw unmittelbar nach der Rückkehr Selenskyjs aus der Türkei statt. Von dort hatte er auch mehrere Offiziere des nationalistischen Asow-Regiments wieder heimgebracht, die an der Verteidigung von Mariupol beteiligt waren. Das Regiment ist Teil der Nationalgarde. Als paramilitärischer Verband untersteht diese dem Innenministerium. Eigentlich ist sie für die Grenzsicherung und den Schutz der inneren Sicherheit verantwortlich. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kämpft die Nationalgarde aber auch an der Front.

Russische Flugabwehr schießt ukrainische Raketen ab

Die russische Flugabwehr meldet in der Grenzregion Rostow und auf der von Moskau annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim den Abschuss ukrainischer Raketen. Im Gebiet Rostow hätten die Trümmer einer abgeschossenen Rakete mehrere Gebäude beschädigt, schrieb Gouverneur Wassili Golubew auf Telegram. Es gebe keine Verletzten. Der Chef der Krim, Sergej Aksjonow, sprach von einem abgeschossenen Marschflugkörper in der Region Kertsch. Es gebe weder Schäden noch Verletzte.

In russischen Grenzregionen beklagen die Behörden immer wieder den Beschuss mit Drohnen und Artillerie von ukrainischer Seite. Angesichts der Waffenlieferungen des Westens hatten sie auch vor möglichen Raketenangriffen gewarnt. Die Schäden gelten als gering im Vergleich zu den Verwüstungen ganzer Städte und Ortschaften durch den seit mehr als 500 Tagen andauernden russischen Angriffskrieg.

Russland verärgert über Rückkehr von Asow-Kommandeuren 

Russland hat die vorzeitige Rückkehr mehrerer ukrainischer Kommandeure aus der Türkei in ihre Heimat verurteilt. Dies sei "nichts anderes als ein direkter Verstoß gegen die bestehenden Vereinbarungen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Sowohl die Ukraine als auch die Türkei hätten gegen die Vereinbarung verstoßen, wonach die Männer bis zum Ende des Konflikts in der Türkei bleiben sollten. Die Rückkehr stehe im Zusammenhang mit dem "Scheitern der Gegenoffensive" der Ukraine und dem Wunsch Ankaras, im Vorfeld des NATO-Gipfels in Vilnius seine "Solidarität" zu zeigen. Die Türkei sei "stark unter Druck gesetzt" worden, so Peskow.

Die ukrainische Präsidentschaft hatte bestätigt, dass sie nach "Verhandlungen mit der türkischen Seite" die Rückkehr von fünf Mitgliedern des Asow-Regiments erreicht habe. Sie wurden auf dem Istanbuler Flughafen von Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßt, der am Freitag zu Besuch in der Türkei war.

Präsident Selenskyj und die heimgeholten Asow-Kommandeure in LwiwBild: Yuriy Dyachyshyn/AFP/Getty Images

Ein Teil des Asow-Regiments der ukrainischen Armee, das auf der Grundlage des gleichnamigen ultranationalistischen Bataillons gebildet wurde, wurde nach dem Fall von Mariupol im Mai 2022 von den russischen Streitkräften gefangengenommen. Während die Asow-Kämpfer in der Ukraine für ihren Widerstand im Asow-Stahlwerk während der Belagerung von Mariupol als Helden gefeiert werden, sind sie in Russland wegen ihrer Verbindungen zu ukrainischen Ultranationalisten verpönt.

Neun Zivilisten bei Beschuss von Lyman getötet

Die Zahl der Todesopfer nach russischem Artillerie-Feuer auf die Stadt Lyman hat sich nach ukrainischen Angaben auf mindestens neun Zivilisten erhöht. Zwölf Menschen seien verletzt worden, teilte der Chef der Militärverwaltung von Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf Telegram mit. Russische Truppen hätten erfolglose Vorstöße im Sektor Lyman im Donezk gemacht. Mindestens zehn Städte und Dörfer seien von Russen mit Artillerie beschossen worden.

Einsatzkräfte versuchen einen Brand im beschossenen Lyman zu löschenBild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

rb/haz/qu/ehl/kle/wa (rtr, dpa, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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