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Politik

Ukraine: Viele Millionen Ukrainer ohne Strom

18. November 2022

Russische Angriffe haben in der Ukraine große Teile der Energieinfrastruktur lahmgelegt. Die IAEA verabschiedet eine neue Resolution gegen Russland. Schweden bestätigt den Sabotageverdacht bei Pipelines. Ein Überblick.

Zwei Menschen gehen über eine spärlich beleuchtete Straße in der ukrainischen Hauptstadt Kiew
Die ukrainische Hauptstadt, dunkel ohne StromBild: Andrew Kravchenko/AP/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

 

  • Große Schäden an Energieinfrastruktur der Ukraine
  • IAEA verabschiedet dritte Resolution gegen Russland
  • Schweden bestätigt Sabotageverdacht bei Nord Stream 1 und 2  
  • Russland verstärkt Verteidigung auf der Krim 
  • Papst hält Frieden im Ukraine-Krieg für möglich

 

In der Ukraine kommt es nach dem schweren russischen Beschuss der vergangenen Tage zu massiven Stromausfällen. "Im Moment sind mehr als zehn Millionen Ukrainer ohne Strom", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner neuen Videobotschaft. Insbesondere die Regionen Odessa, Kiew, Winnyzja und Sumy seien von den Stromausfällen betroffen. Die Energieinfrastruktur sei von der Hauptstadt Kiew im Norden bis nach Dnipro in der Zentralukraine und Odessa im Süden unter ständigem Beschuss durch russische Raketen und Drohnen, hieß es in einer Erklärung des Militärs. Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach davon, dass "beinahe die Hälfte unseres Energiesystems" arbeitsunfähig sei. Die Ukraine benötige daher zusätzliche Unterstützung von der Europäischen Union. 

Auch der ukrainischen Armee macht der beginnende Winter zu schaffenBild: Narciso Contreras/AA/picture alliance

Unterdessen fiel in Kiew der erste Schnee. Der örtliche Gouverneur warnte, die Situation könne bei Temperaturen von bis zu minus zehn Grad und Stromausfällen "schwierig" werden. Die Winter in der Ukraine sind zumeist lang, kalt, schneereich und windig.

IAEA verabschiedet dritte Resolution gegen Russland

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) hat eine neue Resolution gegen Russland wegen dessen Vorgehen gegen Atomanlagen in der Ukraine verabschiedet. Darin werde Russland dazu aufgerufen, "sofort" seine Soldaten und "anderes Personal" vom Atomkraftwerk Saporischschja abzuziehen, erklärte der IAEA-Gouverneursrat. Zudem solle Russland "alle Aktionen gegen und auf" das Kraftwerk und alle anderen Nuklearanlagen in der Ukraine beenden.

Die IAEA forderte Moskau auf, seine "haltlosen Behauptungen" einzustellen, die Anlage Saporischschja gehöre zu Russland. Die Organisation habe "große Sorge", dass Russland bisherigen Aufforderungen nicht Folge geleistet habe.

Die nunmehr dritte IAEA-Resolution gegen Russland seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine wurde laut Diplomaten von 24 der 35 Ratsmitglieder unterstützt. Russland und China stimmten demnach dagegen, andere Mitglieder enthielten sich. Eine mögliche Suspendierung oder Beschränkung der russischen IAEA-Mitgliedschaft, wie sie unter anderem von Polen gefordert worden war, wird in dem Dokument nicht erwähnt.

Der erste Schnee des Winters im von Stromausfällen betroffenen KiewBild: Roman Pilipey/EPA-EFE

Seit Monaten beschuldigen sich Moskau und Kiew gegenseitig, für Angriffe um und auf das Atomkraftwerk Saporischschja verantwortlich zu sein. Das größte AKW Europas liegt in der von Russland für annektiert erklärten Region Saporischschja nicht weit von der Front entfernt. Im Oktober hatte der russische Präsident Wladimir Putin das Atomkraftwerk per Dekret unter russische Verwaltung gestellt.

G7-Staaten wollen gegen russische Desinformation vorgehen 

Die Länder der sieben führenden westlichen Industrienationen (G7) wollen entschlossen gegen russische Kampagnen zur Desinformation vorgehen. "Wir werden die Zusammenarbeit beim Aufspüren von Desinformationsnetzwerken vorantreiben", kündigte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser nach einem Treffen der G7-Innenminister an. "Wir haben verabredet, uns hierzu enger zu vernetzen und gute Ideen der anderen Partner zu übernehmen." Frankreich reagiere beispielsweise auf das Verbreiten von Unwahrheiten mit Faktenchecks, die der Staat nicht allein, sondern zusammen mit der Zivilgesellschaft vornehme.

Die Bedrohung der kritischen Infrastruktur und die Verbreitung ausländischer Desinformation und Propaganda hätten seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine deutlich zugenommen, sagte die deutsche Innenministerin. "Russland versucht, mit Lügen Unsicherheiten zu verbreiten, das Vertrauen in staatliche Institutionen zu untergraben und unsere Gesellschaften zu spalten." Dies verurteile man aufs Schärfste.

Andrij MelnykBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Ex-Botschafter Melnyk jetzt ukrainischer Vize-Außenminister

Der frühere ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ist nach eigenen Angaben nun Vizeaußenminister seines Landes. Die Regierung habe ihn zu einem der Stellvertreter von Außenminister Dmytro Kuleba ernannt, sagte Melnyk der Deutschen Presse-Agentur. Sein genauer Aufgabenbereich stehe aber noch nicht fest. Melnyk war im Oktober nach fast acht Jahren als Botschafter von dem früheren Sanktionsbeauftragten der Regierung, Oleksii Makeievv, abgelöst worden.

Melnyk war schon lange als Vizeaußenminister im Gespräch. Der 47-jährige Berufsdiplomat war im Januar 2015 Botschafter in Deutschland geworden und hatte sich mit einer für einen Diplomaten ungewöhnlich harten Gangart gegen die deutsche Staatsführung einen Namen gemacht. 

Weite Teile der Ukraine vermint

Rund 30 Prozent des Territoriums der Ukraine sind infolge des russischen Angriffskrieges nach Kiewer Angaben vermint. Das entspreche etwa der doppelten Größe Österreichs, teilte der Staatliche Notfalldienst auf seiner Homepage mit. Die Fläche und die Zahl der Minen auf ukrainischem Territorium habe sich im Vergleich zur Zeit vor dem Krieg verzehnfacht.

Russland führt seit 24. Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Schon seit dem 2014 ausgebrochenen Konflikt zwischen ukrainischen Regierungstruppen und den von Russland unterstützten Separatisten wurden in der Ostukraine Landminen eingesetzt. In den Regionen Cherson und Mykolajiw werde die Räumung von Sprengkörpern fortgesetzt, hieß es weiter. Mehr als 8000 Quadratkilometer sollen entmint werden. 

Schweden bestätigt Sabotageverdacht bei Nord Stream 

Schweden sieht den Sabotageverdacht als Grund für die Explosionen an den beiden Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee bestätigt. An den Leitungen seien Reste von Sprengstoff gefunden worden, teilte die Staatsanwaltschaft in Stockholm mit. Die Ermittlungen gingen weiter.

Ende September waren nach Explosionen in schwedischen und dänischen Gewässern in der Nähe der Ostsee-Insel Bornholm insgesamt vier Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 entdeckt worden. Bereits kurz danach wurde weitgehend Sabotage als Grund angenommen.

Aufsteigendes Gas über einem Leck an der Pipeline Nord Stream 2 (Archivbild) Bild: Danish Defence/UPI/Newscom/picture alliance

Durch die Pipeline Nord Stream 1 hatte Russland bis zum Lieferstopp Gas aus Sibirien nach Deutschland und in weitere europäische Länder gepumpt. Nord Stream 2 wurde wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nie in Betrieb genommen.  

Russland wirft Ukraine Tötung von Kriegsgefangenen vor

Das Moskauer Außenministerium wirft der Ukraine vor, russische Kriegsgefangene durch Kopfschüsse hingerichtet zu haben. Ein in russischen sozialen Medien verbreitetes Video zeige "die vorsätzliche und methodische Ermordung von mehr als zehn bewegungsunfähigen
russischen Soldaten durch degenerierte ukrainische Truppen mit direkten Schüssen in den Kopf". Die Echtheit des Videos konnte nicht überprüft werden, eine Stellungnahme der ukrainischen Regierung liegt nicht vor.

Russische Truppen verstärken Verteidigung auf der Krim 

Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus Teilen der ukrainischen Region Cherson werden jetzt die russischen Verteidigungsanlagen auf der angrenzenden Halbinsel Krim ausgebaut. Mit den Befestigungsarbeiten solle "die Sicherheit der Krim-Bewohner garantiert" werden, sagte der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der 2014 von Moskau völkerrechtswidrig annektierten ukrainischen Halbinsel.

In der vergangenen Woche hatten sich die russischen Truppen aus Teilen der Region Cherson zurückgezogen, nachdem es ihnen nicht gelungen war, eine ukrainische Gegenoffensive aufzuhalten. Der Abzug ermöglichte es den ukrainischen Streitkräften, ihre Geschosse näher an der Krim in Stellung zu bringen. Die ukrainische Regierung hat mehrfach deutlich gemacht, die Krim werde zurückerobert.

Papst hält Frieden im Ukraine-Krieg für möglich

 Ja, er habe Hoffnung. "Lasst uns nicht aufgeben, Frieden ist möglich", sagte Papst Franziskus in einem Interview der italienischen Zeitung "La Stampa". Nur ein Waffenstillstand, der womöglich einer
erneuten Aufrüstung diene, reiche nicht, erklärte der 85 Jahre alte Argentinier weiter. Der Vatikan bewerte die Lage in der Ukraine mit Blick auf die Verhandlungen täglich und versuche, ein "Netz an Beziehungen" für die Annäherung der Kriegsparteien aufzubauen.

Nach Ansicht des Papstes stecken hinter "all diesen Tragödien" sowohl "Gier nach Macht" als auch "der Waffenhandel". Scharf kritisierte das Oberhaupt der katholischen Kirche die Weltgemeinschaft. "Drei Weltkriege in einem Jahrhundert. Und wir lernen es nicht", sagte der Papst. Er sprach zuletzt mehrmals in Bezug auf die Kriegslage, weltweite Konflikte und eine atomare Bedrohung vom "Dritten Weltkrieg".

Selenskyj lobt Getreidedeal

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich zufrieden mit der Verlängerung des Getreideabkommens gezeigt. "Trotz aller Schwierigkeiten, trotz diverser Manipulationen durch Russland, werden wir weiterhin landwirtschaftliche Produkte über unsere Häfen am Schwarzen Meer exportieren." Aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen um Odessa seien seit Beginn des Abkommens, das eine monatelange russische Seesperre zuvor beendete, rund 450 Schiffe ausgelaufen. Diese hätten Nahrungsmittel in Länder wie Äthiopien, Bangladesch, Somalia oder den Sudan gebracht.

Selenskyj betont die Bedeutung des ukrainischen Getreideexports für die Lebensmittelversorgung ärmerer LänderBild: Ukraine Presidency/ZUMA/IMAGO/ZUMA Wire

Er habe zudem mit internationaler Unterstützung eine neue Initiative gestartet, um ukrainisches Getreide in die Länder zu bringen, die am stärksten vom Hunger betroffen seien, teilte Selenskyj mit.

Street-Art-Künstler Banksy veröffentlicht Video mit Werken in der Ukraine

Der britische Street-Art-Künstler Banksy hat ein Video auf Instagram veröffentlicht, in dem er sich zu einer ganzen Reihe von Werken in der Ukraine bekennt. Die zumeist an Häuserwände gesprühten Bilder waren zum Teil schon vor Tagen entdeckt worden. Fotos davon hatten in sozialen Medien die Runde gemacht und für Begeisterung in dem kriegsgebeutelten Land gesorgt. Der Künstler, dessen Identität ungeklärt ist, hatte sich bislang aber nur zu einem der Bilder bekannt.

Banksy Street-Art in HorenkaBild: Gleb Garanich/REUTERS

Das Video ist eine Art "Making-of", in dem Banksy beim Ausschneiden von Schablonen und beim Sprühen zu sehen ist - ohne jedoch sein Gesicht zu zeigen. Anschließend werden die meist in Schwarz und Weiß gehaltenen Werke gezeigt: etwa ein alter Mann mit langem Bart, der in dem Ort Horenka in einer Badewanne sitzt und sich den Rücken mit einer großen Bürste schrubbt. Das Bild ist auf die geflieste Badezimmerwand eines Hauses aufgesprüht, in dessen Fassade eine riesige Lücke klafft. Zum Schluss wird in dem Video ein Schriftzug eingeblendet mit den Worten: "In Solidarität mit den Menschen der Ukraine".

qu/cw/se/fab (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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