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KonflikteEuropa

Ukraine aktuell: Neue EU-Sanktionen gegen Russland

2. Februar 2023

Vorgesehen sind laut der EU-Kommissionspräsidentin neue Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland und Belarus. Russlands Präsident Putin übt scharfe Kritik an Deutschland. Ein Überblick.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der ukrainische Staatschef Selenskyj bei der Pressekonferenz in Kiew
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und der ukrainische Staatschef Selenskyj bei der Pressekonferenz in Kiew Bild: Efrem Lukatsky/AP/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

 

  • EU will insgesamt 30.000 ukrainische Soldaten ausbilden
  • EU-Außenbeauftragter Borrell kann sich F16-Lieferungen vorstellen
  • Russlands Präsident Putin übt scharfe Kritik an Deutschland
  • Mehrere Tote in Kramatorsk nach russischem Raketenangriff
  • Selenskyj kündigt weitere Anti-Korruptionsmaßnahmen an
  • Wagner-Chef für Auslandsreiseverbot für russische Politiker

 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei ihrem Besuch in Kiew offiziell neue Sanktionen gegen Russland angekündigt. "Zwischen jetzt und dem 24. Februar, genau ein Jahr nach Beginn der Invasion, wollen wir ein zehntes Sanktionspaket fertigstellen", sagte von der Leyen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. 

Für das bereits seit Dezember in der Vorbereitung befindliche neue Sanktionspaket werden unter anderem neue Einreise- und Vermögenssperren für Verantwortliche in Russland und dem verbündeten Belarus erwartet. Bereits am Sonntag soll zudem ein Preisdeckel für russische Mineralölprodukte wie Diesel oder Kerosin in Kraft treten, über dessen Höhe Vertreter der EU-Staaten noch beraten. Alle Sanktionen erfordern einen einstimmigen Beschluss der 27 EU-Länder. 

Bei ihrem Besuch wird von der Leyen von 15 anderen Kommissionsmitgliedern begleitet, darunter auch dem Außenbeauftragten Josep Borrell. Bei den zweitägigen Gesprächen der EU-Kommission mit der ukrainischen Regierung in Kiew geht es unter anderem um juristische Möglichkeiten zur Ahndung des russischen Angriffskriegs und den ukrainischen Wunsch nach einem möglichst schnellen EU-Beitritt. Am Freitag findet in Kiew ein EU-Ukraine-Gipfel mit Selenskyj statt. Neben von der Leyen will daran auch EU-Ratspräsident Charles Michel teilnehmen. 

EU will insgesamt 30.000 ukrainische Soldaten ausbilden

Die Europäische Union will 15.000 weitere ukrainische Soldaten ausbilden und die Minenräumung in dem Land mit 25 Millionen Euro unterstützen. Die Soldaten sollen unter anderem den Umgang mit Leopard-Kampfpanzern lernen, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell während eines Besuchs in Kiew im Onlinedienst Twitter mitteilte. Dies habe er dem ukrainischen Regierungschef Denys Schmyhal zugesagt. Borrell bestätigte damit frühere Brüsseler Angaben, wonach die Mitgliedsländer nun insgesamt 30.000 ukrainische Soldaten auf EU-Gebiet schulen wollen, doppelt so viele wie bisher vereinbart. 

F16-Jet der polnischen Luftwaffe - bald schon im Einsatz in der Ukraine?Bild: Jakub Kaczmarczyk/PAP/dpa/picture alliance

Kampfflugzeuge für die Ukraine?

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schließt es nicht aus, dass es trotz der derzeit zurückhaltenden Position von Ländern wie Deutschland und den USA zu einer Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine kommt. Auch die Lieferung von Panzern sei anfangs stark umstritten gewesen, sagte der Spanier im Vorfeld des für Freitag geplanten EU-Ukraine-Gipfels in Kiew. Schließlich sei es bei dem Thema aber doch zu einer Einigung gekommen und man habe diese "rote Linie" überschritten. Warnungen vor Eskalationsrisiken habe es bislang bei allen Waffenlieferungen gegeben, sagte Borrell..

Die Frage, ob er selbst Kampfjet-Lieferungen befürworte, wollte Borrell nicht beantworten. "Meine Aufgabe ist es, einen Konsens zu erzielen", sagte der Außenbeauftragte. Dabei sei es nicht hilfreich, öffentlich Positionen zu vertreten, die diese Möglichkeit gefährden könnten.

Offen für eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine hatte sich zuletzt unter anderem Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gezeigt. "Wenn dies eine Entscheidung der gesamten NATO wäre, wäre ich für die Entsendung dieser Kampfjets", sagte der polnische Regierungschef der "Bild"-Zeitung.

Die Ukraine drängt seit geraumer Zeit ihre Unterstützer zur Lieferung von Kampfjets. Frankreich und die Niederlande haben das nicht ausgeschlossen. Die USA und Deutschland stehen dieser Forderung dagegen bisher ablehnend gegenüber.

Putin sieht Russland durch deutsche Leopard-Panzer bedroht

80 Jahre nach dem Sieg der Roten Armee über die Wehrmacht in der Schlacht um Stalingrad hat Kremlchef Wladimir Putin Deutschland vorgeworfen, sich erneut in einen Krieg mit Russland hineinziehen zu lassen. "Es ist unfassbar, aber eine Tatsache: Wir werden erneut mit dem deutschen Panzer Leopard bedroht", sagte Putin bei einem Festakt in Wolgograd (Stalingrad). Wie im Zweiten Weltkrieg werde wieder auf dem Boden der Ukraine mit deutschen Waffen gegen Russland gekämpft, sagte der 70-Jährige.

Wie damals gegen die deutschen Truppen werde sich Russland aber auch diesmal wehren, meinte Putin mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine, den er vor fast einem Jahr selbst begonnen hatte: "Wir haben etwas, womit wir antworten. Und mit der Anwendung von Panzertechnik ist die Sache nicht erledigt. Das sollte jeder verstehen", sagte der Anführer der Atommacht. Putin äußerte sich erstmals seit der Entscheidung Deutschlands, Panzer an die Ukraine zu liefern, öffentlich. Dabei warf er dem "kollektiven Westen" eine anti-russische Politik wie unter Nazi-Diktator Adolf Hitler vor. "Jetzt sehen wir leider die Ideologie des Nazismus in einem modernen Antlitz, in seiner modernen Ausprägung schafft er erneut eine Bedrohung für die Sicherheit unseres Landes", behauptete Putin. Deutschland betont, keine Kriegspartei zu sein oder werden zu wollen.

Scholz will weiter mit Putin sprechen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat Russlands Präsident Wladimir Putin aufgefordert, mit dem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine den Weg für Friedensgespräche frei zu machen. Er werde trotz der Kritik auch künftig weiter mit Putin sprechen, sagt er in einem Bürgerdialog in Marburg. Aber der Hinweis auf Diplomatie dürfe nicht den Blick verstellen, dass Russland einen imperialistischen Krieg führe und versuche, sich einen Teil der Ukraine anzueignen, fügt der SPD-Politiker hinzu. Deshalb müsse man der Ukraine auch militärisch helfen. 

Ukrainische Soldaten zum Patriot-Training eingetroffen

Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Sicherheitskreise in Berlin berichtet, sind etwa 70 ukrainische Soldaten für eine Ausbildung am Flugabwehrraketensystem Patriot in Deutschland eingetroffen. Die Gruppe sei demnach bereits am Dienstag gelandet und sollte an diesem Donnerstag mit dem Training beginnen.

Patriot-Flugabwehrraketensystem der BundeswehrBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Die Bundesregierung will der Ukraine in Absprache mit den USA ein ganzes Patriot-System zur Abwehr russischer Angriffen mit Drohnen, Raketen oder Flugzeugen überlassen. Dazu gehören üblicherweise ein Feuerleitstand, ein Radargerät, ein Stromerzeuger sowie sechs oder mehr der auf Lastwagen aufgebauten Startgeräte. 

Mehrere Tote in Kramatorsk nach russischem Raketenangriff

In Kramatorsk im Osten der Ukraine sind nach Polizeiangaben bei einem russischen Raketenangriff drei Menschen getötet und etwa 20 weitere Menschen verletzt worden. Es sei ein Wohngebäude getroffen worden.

"Rettungskräfte, Strafverfolgungsbehörden und Versorgungsunternehmen arbeiten vor Ort, um die Trümmer des zerstörten Gebäudes zu durchsuchen", teilte Pawlo Kyrylenko mit, der Gouverneur der Region Donezk. "Es ist wahrscheinlich, dass sich noch Menschen darunter befinden."

Rettungskräfte suchen in einem von russischen Raketen zerstörten Wohnhaus in Kramtorsk nach OpfernBild: Pavlo Kyrylenko/REUTERS

Kramatorsk befindet sich in der Region Donezk. Diese ist seit Monaten heftig umkämpft, ihre komplette Einnahme ist eines der wesentlichen Kriegsziele Russlands in der Ukraine. Die Regionen Donezk und Luhansk bilden zusammen die Region Donbass, die bereits seit 2014 teilweise von pro-russischen Separatisten besetzt ist. Der Donbass ist wegen seiner Rohstoffe und Industrie von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

Kampf gegen Korruption geht weiter

Nach der jüngsten Serie von Razzien hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Kampf gegen Korruption auch zu umfangreichen Personalwechseln entschlossen gezeigt. "Leider kann in manchen Bereichen die Rechtsstaatlichkeit nur mit einem Wechsel in der Führung garantiert werden", sagte der Präsident in seiner aktuellen Videoansprache. "Es wird so viele Wechsel geben wie nötig."

Am Mittwoch wurde das Haus eines Milliardärs und ehemaligen Unterstützers des Präsidenten durchsucht. Laut der Generalstaatsanwaltschaft stehen auch verschiedene Ex-Minister, darunter ein früherer Vize-Verteidigungsminister, unter Korruptionsverdacht.

In seiner Videobotschaft informierte Selenskyj auch über "Erfolge" der Arbeit ukrainischer Strafverfolgungsbehörden. So flog etwa eine Polizeiabteilung auf, die einen Prostituiertenring gedeckt haben soll. Es habe Gewalt gegen Mädchen gegeben, sagte Selenskyj. Es gebe erste Festnahmen. Die Polizisten sollen Behörden zufolge monatlich eine Million Euro "Schutzgeld" kassiert haben.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will noch stärker gegen Korruption in seinem Land vorgehenBild: ROLAND SCHLAGER/APA/picturedesk.com/picture alliance

Selenskyj hatte zuletzt angekündigt, gegen Korruption, Amtsmissbrauch und anderes kriminelles Verhalten im Staatsdienst durchzugreifen. Er sagte, dass führende Kräfte des Zolldienstes entlassen seien. Zudem hätten der Geheimdienst SBU, Ermittler und Staatsanwälte Dutzende Razzien in verschiedenen Regionen im Land durchgezogen, um Beweise für Strafverfahren zu sammeln. 

Wagner-Chef fordert Reiseverbot

Der mächtige Gründer der Söldner-Gruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, schlägt vor, russischen Politikern Auslandsreisen zu verbieten. Es sei unerträglich, dass Regierungsmitarbeiter und Abgeordnete in Ländern Urlaub machten, die Russland feindlich gesinnt seien, so Prigoschin.

Der Unternehmer wandte sich mit seinem Vorschlag in einem von der Wagner-Gruppe veröffentlichten Brief an den Vorsitzenden des Sicherheits- und Antikorruptionsausschusses der Duma, Wasily Piskarjow. Abgeordnete des russischen Unterhauses würden sich mit der Anfrage beschäftigen, sagte Piskarjow laut der Nachrichtenagentur Tass vor Journalisten. "Diese Initiative verdient sicher Aufmerksamkeit", so der Parlamentarier.

Ehemaliger Wagner-Kommandeur bereut

Ein ehemaliger Kommandeur der russischen Söldnergruppe Wagner, der nach Norwegen geflohen ist, sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er wolle sich für die Kämpfe in der Ukraine entschuldigen und sich dafür einsetzen, dass die Verantwortlichen für die Gräueltaten in diesem Konflikt vor Gericht gestellt werden.

Andrei Medwedew, ehemaliger Kommandeur in der Gruppe Wagner, beim Reuters-Interview in OsloBild: Janis Laizans/REUTERS

Andrei Medwedew, der am 13. Januar über die russisch-norwegische Grenze geflohen war, sagte, er sei Zeuge der Tötung und Misshandlung russischer Strafgefangener geworden, die für Wagner in der Ukraine kämpfen sollten. Der Chef der Söldnertruppe hatte dazu offenbar persönlich in russischen Straflagern Insassen angeworben, mit dem Versprechen, dadurch deren Haft zu verkürzen. In dem Interview betonte der 26-Jährige, er wolle über seine Erfahrungen im Krieg sprechen, damit "die Täter bestraft werden" für ihre Verbrechen in der Ukraine.

Seinen Angaben zufolge war er im Juli 2022 mit einem Viermonatsvertrag zu Wagner gekommen. In dieser Zeit habe er miterlebt, wie zwei Ex-Häftlinge, die nicht kämpfen wollten, vor den Augen von frisch Rekrutierten erschossen wurden. Laut Nachrichtenagentur Reuters konnten seine Behauptungen nicht unmittelbar verifiziert werden.

Die norwegische Kriminalpolizei, die für die Untersuchung von Kriegsverbrechen zuständig ist, hat begonnen, Andrei Medwedew über seine Erfahrungen in der Ukraine zu befragen. Er habe einen Zeugenstatus, so die Ermittler.

Österreich weist vier russische Diplomaten aus

Österreich hat die Ausweisung von vier russischer Diplomaten angekündigt, von denen zwei bei den Vereinten Nationen in Wien akkreditiert sind. Die Diplomaten hätten mit ihrem Status "unvereinbare Handlungen" begangen, erklärte das Außenministerium in Wien, ohne nähere Angaben zu machen. Den vier Russen wurde eine Frist bis Mittwoch gesetzt, um das Land zu verlassen.

Diplomatische Ausweisungen sind eher selten in Österreich, das vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine enge Beziehungen zu Moskau gepflegt hatte. Im April 2022 wies die Alpenrepublik allerdings als Teil einer koordinierten Reaktion der EU auf die mutmaßlichen Tötungen ukrainischer Zivilisten durch russische Soldaten in Butscha vier russische Diplomaten aus. Zuvor war im April 2020 ein russischer Diplomat wegen des Verdachts der Spionage des Landes verwiesen worden. 

sti/qu/mak/AR (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.