Aktuell: Von der Leyen lobt ukrainische Reformbemühungen
15. September 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Von der Leyen lobt ukrainische Reformbemühungen
- Präsident Selenskyj bleibt bei Autounfall unverletzt
- Sorge vor Wassermassen in der Stadt Krywyj Rih
- Deutschland liefert weitere Waffen an die Ukraine
- UN-Generalsekretär Guterres mit wenig Hoffnung auf raschen Frieden
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bei einem Besuch in Kiew die Anstrengungen der Ukraine für den angestrebten Beitritt in die EU gelobt. "Ich muss sagen, der Beitrittsprozess ist auf einem guten Weg", sagte die deutsche Politikerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew. "Es ist beeindruckend, zu sehen, mit welcher Geschwindigkeit, Entschlossenheit und Präzision Sie vorankommen." Die Ukraine könne auf die europäischen Freunde an ihrer Seite zählen.
Selenskyj sagte, die Ukraine wolle schon vor dem angestrebten EU-Beitritt dem EU-Binnenmarkt beitreten, der den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital ermöglicht. "Ich bin sicher, es wird passieren und es wird einer der wichtigsten Siege unseres Landes sein", zeigte sich Selenskyj zuversichtlich.
Die EU hatte die Ukraine im Juni offiziell in den Kreis der Beitrittskandidaten aufgenommen. Die weiteren Verhandlungen können allerdings erst beginnen, wenn das Land umfassende Reformen umgesetzt hat, etwa in der Justiz und bei der Bekämpfung von Korruption. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal hatte vergangene Woche in Brüssel erklärt, sein Land wolle bis Jahresende die Voraussetzungen der EU für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen erfüllen.
Selenskyj bleibt bei Autounfall unverletzt
In der ukrainischen Hauptstadt Kiew war Präsident Selenskyj zuvor in einen Autounfall verwickelt worden. Ein Fahrzeug sei mit dem Wagen des Staatschefs und den Begleitfahrzeugen zusammengestoßen, schrieb Sprecher Serhij Nykyforow am frühen Donnerstagmorgen auf Facebook. Selenskyj sei von einem Arzt untersucht worden. "Es wurden keine ernsthaften Verletzungen festgestellt."
Nähere Details zu seinem Gesundheitszustand wurden zunächst nicht mitgeteilt. Sanitäter hätten den Fahrer des anderen Wagens versorgt und in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei untersuche die Umstände des Unfalls. Selenskyj hatte am Mittwoch die vor wenigen Tagen zurückeroberte Stadt Isjum in der Ostukraine besucht.
In Krywyj Rih droht Überschwemmung
Nach einem russischen Angriff droht der ukrainischen Stadt Krywyj Rih nach Angaben der Regierung in Kiew eine Überschwemmung. Der Angriff habe hydrotechnische Infrastruktur in der zentralukrainischen Stadt beschädigt und im Fluss Inhulez zu einem Pegelanstieg geführt, erklärte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko, im Onlinedienst Telegram.
Seinen Angaben zufolge besteht im Stadtzentrum und in einem weiteren Stadtteil der 600.000-Einwohner-Stadt Hochwassergefahr. Bisher sei die Situation "unter Kontrolle", erklärte Tymoschenko. Einsatzkräfte versuchten, "die Bedrohung so schnell wie möglich zu beseitigen".
Selenskyj, der aus Krywyj Rih stammt, erklärte, die russischen Streitkräfte hätten hydrotechnische Infrastruktur angegriffen, um seine Heimatstadt zu "überfluten". Der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Valentin Resnitschenko, erklärte, ein russisches Flugzeug habe sieben Marschflugkörper auf die Stadt abgefeuert. Dabei sei die Infrastruktur stark beschädigt worden.
Deutschland liefert weitere Waffen - aber keine Panzer
Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht hat die Lieferung weiterer deutscher Waffen an die Ukraine angekündigt - die von der Ukraine gewünschten Kampf- und Schützenpanzer sind aber nicht darunter. Die Ukraine erhalte zwei weitere Mehrfach-Raketenwerfer vom Typ Mars II inklusive Munition sowie 50 geschützte Truppentransporter, sagte Lambrecht zum Auftakt der Bundeswehr-Tagung in Berlin. Durch ein Ringtausch-Geschäft mit Griechenland werde die Ukraine zudem mit deutscher Unterstützung bald 40 Schützenpanzer sowjetischer Bauart bekommen.
Die Regierung in Kiew hatte Deutschland in den vergangenen Tagen mit Nachdruck um die Lieferung von Marder-Panzern und von Kampfpanzern des Typs Leopard II gebeten. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Parteikollegin Lambrecht lehnen dies bislang ab - anders als Vertreter der Koalitionspartner Grüne und FDP.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, warnte angesichts der jüngsten ukrainischen Erfolge an der Front davor, das militärische "Gesamtpotenzial" Russlands zu unterschätzen. "Russland hat vorerst die Initiative verloren, hält aber an seinen strategischen Zielen mit Bezug auf die Ukraine fest", sagte Zorn auf der Tagung. "Die Entschlossenheit, der imperialistische Wille Putins sind vorhanden." Die "erste Priorität" der Bundeswehr sei deshalb die Landes- und Bündnisverteidigung. "Wir müssen auf den schlimmsten Fall vorbereitet sein und nicht auf den günstigsten", mahnte Zorn. Die Bundeswehr müsse "mit äußerster Dringlichkeit" ihre materielle und personelle Einsatzfähigkeit verbessern.
Habeck: Ukraine hat der Welt Hoffnung gegeben
Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck sagte beim G7-Handelsministertreffen in Brandenburg bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julia Swyrydenko: "Ihr habt der Welt wieder Hoffnung gegeben." Der Mut der Ukraine im Kampf gegen Russland sei beeindruckend. Laut Habeck werden für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes rund 350 Milliarden Euro benötigt. Das sei eine "gigantische Summe", räumte der Grünen-Politiker ein. Deutsche Unternehmen könnten aber schon jetzt in der Ukraine investieren.
EU-Investitionsbank zahlt Ukraine Kredit über 500 Millionen Euro aus
Die Europäische Investitionsbank (EIB) hat den ersten Teil eines milliardenschweren Kreditpakets an die Ukraine ausgezahlt. Die ersten 500 Millionen Euro hätten das von Russland angegriffene Land erreicht, teilte die Europäische Kommission mit. Mit dem Geld sollen demnach beschädigte Straßen, Brücken und Eisenbahninfrastruktur repariert werden. Auch wichtige staatliche Unternehmen im Straßen- und Bahnsektor sollen unterstützt werden.
Die EIB hatte Kiew im Juli Kredite von insgesamt 1,59 Milliarden Euro zugesagt, die durch Garantien aus dem EU-Haushalt gestützt werden. Davon sind 1,05 Milliarden als Notfallhilfen vorgesehen, um etwa Reparaturen zu finanzieren - darunter auch das nun ausgezahlte Geld - sowie 540 Millionen für bestehende Projekte, die die EU-Bank schon unterstützt hatte. Zuvor hatte die Förderbank bereits Notkredite über 668 Millionen Euro an die Ukraine gezahlt. Zusätzlich bekommt das Land auch Geld direkt von der EU.
Guterres rechnet nicht mit raschem Frieden
UN-Generalsekretär António Guterres hat nach einem Gespräch mit Russlands Präsident Putin keine Hoffnung auf baldige Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew. "Es wäre naiv zu glauben, dass wir der Möglichkeit eines Friedensabkommens nahe sind", sagte Guterres in New York. Zwar seien die Vereinten Nationen bereit, in jeglicher Hinsicht an einer diplomatischen Lösung zu arbeiten, die Chancen dafür seien gegenwärtig aber "minimal".
Guterres war einige Minuten zu spät zur Pressekonferenz im UN-Hauptquartier in Manhattan erschienen, weil er zuvor mit dem russischen Präsidenten telefoniert hatte. In der kommenden Woche beginnt bei den Vereinten Nationen in New York die Generaldebatte der UN-Vollversammlung. Putin wird nicht daran teilnehmen, Außenminister Sergej Lawrow vertritt Russland. Für die Ukraine ist eine Rede von Präsident Selenskyj geplant - ob diese persönlich oder virtuell stattfindet, ist unklar.
jj/hf/as/qu/haz/bru (dpa, rtr, afp, ap)