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Politik

Aktuell: Habeck wirft Russland Erpressung vor

21. Juli 2022

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat Äußerungen aus Russland zurückgewiesen, das Land sei Garant der Energieversorgung. Zuvor war die Gaslieferung durch die Pipeline Nord Stream 1 wieder angelaufen. Ein Überblick.

Deutschland Wirtschaftsminister Robert Habeck
Robert Habeck: Auf Russland ist kein VerlassBild: Tobias Steinmaurer/dpa/APA/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Wirtschaftsminister Habeck kündigt weiteres Gesetz zum Energiesparen an
  • Nord Stream 1 liefert wieder Gas
  • Ungarn will weiter russisches Gas kaufen
  • Lukaschenko warnt vor Atomkrieg
  • Laut den US-Geheimdiensten sind bislang 15.000 russische Soldaten gefallen

 

Der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck hat Russland abermals für seine Energiepolitik scharf kritisiert. Äußerungen aus Russland, wonach das Land ein Garant der Energieversorgung in Europa sei, wies Habeck zurück: "Das ist eine Verdrehung jeder Tatsache", sagte Habeck bei einer online-Pressekonferenz in Berlin. Russland nutze seine Macht, um Deutschland und Europa zu erpressen. "Und erweist sich jeden Tag als unsicherer Kantonist bei der Energieversorgung in Europa." 

Habeck kündigte ein weiteres Paket zur Energiesicherung an. Dazu gehören schärfere Vorgaben zur Befüllung der Gasspeicher und eine Aktivierung der Braunkohlereserve. Ab dem 1. Oktober werde neben der Steinkohle auch die Braunkohlereserve aktiviert, sagte der Grünen-Politiker an. Zwar fließe jetzt wieder Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1. Doch sei dies kein Grund sich zurückzulehnen. Man dürfe keineswegs davon ausgehen, dass die Lieferungen über derzeit 40 Prozent der Leitungskapazitäten stetig so weitergingen, warnte er. Deshalb sei eine Gaseinsparverordnung geplant. Dabei gehe es um Einsparmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden und einen verbindlichen "Heizungscheck". "Wir brauchen einen langen Atem", sagte Habeck. "Der Winter kommt erst noch." Und dies sei nur der erste Winter. Auch der zweite Winter 2023/2024 werde Europa noch vor Herausforderungen stellen.

Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Russland schickt wieder Gas über Nord Stream 1

Nach der Wartung von Nord Stream 1 ist am Donnerstagmorgen die Gaslieferung durch die deutsch-russische Pipeline wieder angelaufen. Es fließe wieder Gas, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG der Deutschen Presseagentur. Bis die volle Transportleistung erreicht sei, werde es einige Zeit dauern. Der Sprecher sagte, dass zuletzt in etwa so viel Gas wie vor der Wartung angekündigt war, also rund 67 Millionen Kubikmeter pro Tag. Das entspreche etwa einer 40-prozentigen Auslastung der maximalen
Kapazität. Die angemeldeten Mengen können sich mit einem gewissen Vorlauf aber auch noch im Laufe eines Tages ändern.

Der Verlauf von Nord Stream 1

Die Pipeline Nord Stream 1 - die wichtigste Gasleitung von Russland nach  Deutschland - wurde 2011 in Betrieb genommen. Seit Juni hat Russlands staatlicher Energieriese Gazprom die Gaslieferungen nach Deutschland allerdings um mehr als die Hälfte reduziert. Begründet wurde dies mit einer fehlenden Turbine von Siemens Energy, was die Bundesregierung als vorgeschoben kritisierte. Später wurde die mehr als 1200 Kilometer lange Pipeline zudem wegen alljährlicher Wartungsarbeiten völlig stillgelegt - planmäßig bis zu diesem Donnerstag.

Ungarn setzt weiter auf russisches Gas

Ungeachtet der Bestrebungen der Europäischen Union, sich unabhängiger von Energielieferungen aus Russland zu machen, will Ungarn 700 Millionen zusätzliche Kubikmeter Gas von Moskau kaufen. Außenminister Peter Szijjarto ist in die russische Hauptstadt gereist, um darüber zu verhandeln. Er werde seinen Amtskollegen Sergej Lawrow und den stellvertretenden russischen Ministerpräsidenten Alexander Nowak treffen, meldet die ungarische Nachrichtenagentur MTI unter Berufung auf einen Sprecher des Außenministeriums. Ungarn hatte im vergangenen Jahr einen 15-Jahres-Vertrag mit dem russischen Energieriesen Gazprom unterzeichnet und will vor der Heizsaison einen Vertrag abschließen, da die Energiepreise in die Höhe schnellen.

Alexander Lukaschenko fordert Kiew auf, wieder mit Moskau zu verhandelnBild: BelTA/dpa/picture alliance

Lukaschenko warnt vor Atomkrieg

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko hat mit Blick auf den Ukraine-Konflikt vor einer atomaren Eskalation gewarnt. Er rief den Westen, die Ukraine und Russland auf, den Konflikt zu beenden, um einen drohenden "Atomkrieg" abzuwenden. "Wir müssen aufhören und ein Abkommen schließen, um dieses Chaos, diesen Einsatz und den Krieg in der Ukraine zu beenden", sagte Lukaschenko der französischen Nachrichtenagentur AFP. 

Lukaschenko ist ein Verbündeter von Kreml-Chef Wladimir Putin. Er forderte die ukrainische Regierung auf, wieder Verhandlungen mit Russland aufzunehmen. "Alles hängt von der Ukraine ab", sagte Lukaschenko. Die Verantwortung für die militärische Eskalation des Ukraine-Konflikts wies er dem Westen zu, der dies "provoziert" habe und weiter anfache.

 

Truppenbesuch in der Ukraine Ende Juni; Moskaus Verteidigungsminister Schoigu zeichnet einen russischen Soldaten ausBild: Russian Defense Ministry Press Service via AP/picture alliance

Russland verletzt massiv Völkerrecht

Internationale Experten haben schwerwiegende und massenhafte Verstöße der russischen Truppen gegen das humanitäre Völkerrecht seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine dokumentiert. Das in Warschau ansässige Wahl- und Menschenrechts-Büro ODIHR der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellte einen entsprechenden Bericht vor.

Besonders gravierende Fälle seien der Beschuss des Theaters voller Flüchtlinge in Mariupol Mitte März und des belebten Bahnhofs von Kramatorsk Anfang April. Das ODIHR zeigte sich auch entsetzt über die Belagerung von Städten. Zivilisten sei keine Möglichkeit zur Evakuierung gegeben worden. Zeugen hätten von vielen Fällen illegaler Hinrichtungen, Inhaftierungen, Folter, sexueller Gewalt und  Entführungen berichtet.

Blick auf das zerstörte Theatergebäude in der Hafenstadt Mariupol (im April)Bild: Pavel Klimov/REUTERS

Auch die ukrainischen Streitkräfte hätten gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, wenn auch in geringerem Maße, heißt es in dem Bericht weiter.

15.000 Russen gefallen

Nach Erkenntnissen der US-Geheimdienste sind bislang rund 15.000 russische Soldaten im Ukraine-Krieg gefallen. "Die jüngsten Schätzungen der US-Geheimdienste gehen von etwa 15.000 getöteten (russischen) Soldaten und vielleicht dreimal so vielen Verwundeten aus. Also erhebliche Verluste", sagte CIA-Direktor William Burns bei einer Sicherheitskonferenz in Colorado. "Und auch die Ukrainer haben gelitten - wahrscheinlich etwas weniger. Aber, Sie wissen schon, deutliche Verluste."

Russland beziffert seine Verluste nur sehr unvollständig. Die Regierung in Kiew teilte im Juni mit, täglich würden 100 bis 200 ukrainische Soldaten bei den Kämpfen getötet.

Baerbock sagt Ukraine im DW-Interview weitere Hilfe zu

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock hat scharf auf russische Ankündigungen reagiert, weitere Gebiete in der Ukraine anzugreifen. Russland benutze jedes Mal ein anderes Argument, sagte Baerbock in Hannover der Deutschen Welle. Es handele sich also nur um eine neue Propaganda der russischen Seite. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte zuvor mit Blick auf die Versorgung der Ukraine mit westlichen Waffen erklärt, der russische Militäreinsatz solle auf Ziele in der Westukraine ausgeweitet werden.

Außenministerin Annalena Baerbock im DW-Interview Bild: Zura Karaulashvili/DW

Baerbock versprach der Ukraine weitere Unterstützung aus Deutschland. Sie nannte in dem Zusammenhang Hilfe bei der Entminung von Städten, der Versorgung von Flüchtlingen sowie im medizinischen Bereich. 

Selenskyjs Frau fordert mehr Waffen für die Ukraine

Olena Selenska, die Ehefrau des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hat in einer Rede vor dem US-Kongress für weitere Waffenlieferungen an ihr Land geworben. "Wir sind dankbar, dass die Vereinigten Staaten in diesem Krieg an unserer Seite stehen", sagte Selenska. "Aber der Krieg ist nicht vorbei." Die Ukraine brauche mehr Waffen, "um die Häuser aller Menschen zu schützen", damit alle "lebend in diesen Häusern aufwachen können", sagte sie weiter. 

Die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, spricht vor US-Kongressmitgliedern in Washington Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die USA haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar Militärgüter im Wert von fast sieben Milliarden US-Dollar an die Ukraine geschickt.

Mercosur lehnt Selenskyj als Redner auf Gipfel ab

Der südamerikanische Staatenbund Mercosur hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Rede bei einem Gipfeltreffen verweigert. Die Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay hätten keine Einigung in der Angelegenheit erzielt, sagte der stellvertretende Außenminister von Paraguay, Raúl Cano. Welche Länder sich konkret gegen einen Auftritt Selenskyjs ausgesprochen hätten, sagte er nicht. Selenskyj hatte Paraguays Staatschef Mario Abdo gebeten, während des Gipfels eine Botschaft an die Präsidenten der Mitgliedstaaten richten zu dürfen. 

Sowohl der argentinische Präsident Alberto Fernández als auch Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro waren im Februar kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu Besuchen in Moskau gewesen und hatten dem russischen Staatschef Wladimir Putin angeboten, die Beziehungen zu vertiefen. 

Deutsche Bahn transportiert ukrainisches Getreide

Die Deutsche Bahn (DB) will für die Ausfuhr bestimmtes Getreide aus der Ukraine unter anderem in die deutschen Häfen Rostock, Hamburg und Brake bringen. Das für den Transport von Hilfsgütern aufgebaute Netz solle Getreide per Güterzug an die Seehäfen befördern, so die DB.

Pro Woche sollen sich demnach mehrere Züge auf den Weg machen. Ein großer Teil der Transporte solle durch Rumänien führen, da das Land nicht nur eine lange Grenze mit der Ukraine teile, sondern auch eine gute Infrastruktur für Agrartransporte mitbringe.

Russische Journalistin vor Gericht

Die durch ihre Live-Protestaktion im russischen Fernsehen gegen den Angriffskrieg in der Ukraine bekannt gewordene Journalistin Marina Owsjannikowa muss sich von diesem Donnerstag an in Moskau vor Gericht verantworten. Der 44-Jährigen wird vorgeworfen, die russische Armee "diskreditiert" zu haben. Bei dem Prozess in der russischen Hauptstadt droht ihr eine lange Haftstrafe.

Die russische Journalistin Marina Owsjannikowa will sich nicht den Mund verbieten lassenBild: Annette Riedl/picture alliance/dpa

Owsjannikowa war am 14. März während einer Live-Sendung hinter der Nachrichtensprecherin aufgetaucht und hatte ein Schild mit der Aufschrift "Kein Krieg" in die Kamera gehalten. Anschließend verbrachte die Journalistin mehrere Monate im Ausland und arbeitete unter anderem kurzzeitig für die deutsche Zeitung "Die Welt". In der vergangenen Woche demonstrierte sie nahe dem Kreml abermals gegen den Krieg und nannte Staatschef Wladimir Putin einen "Killer".

sti/fab/se/AR (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.