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KonflikteUkraine

Russland: Was passiert mit der ukrainischen Armee in Kursk?

13. März 2025

Die Lage der ukrainischen Truppen in der russischen Region Kursk wird immer schwieriger. Ziehen sie sich ganz zurück? Wie bewerten Experten den bisherigen ukrainischen Militäreinsatz in Russland?

Zerstörte ukrainische Militärausrüstung in der verschneiten russischen Region Kursk
Zerstörte ukrainische Militärausrüstung in der russischen Region KurskBild: Evgeny Biyatov/IMAGO

In den vergangenen Tagen hat die russische Armee die Kontrolle über eine Reihe von Ortschaften in der russischen Region Kursk zurückerlangt, die seit August vergangenen Jahres von den ukrainischen Streitkräften gehalten wurden. Das russische Verteidigungsministerium gab am 13. März bekannt, dass die russischen Truppen auch die Kontrolle über die Stadt Sudscha übernommen haben. Eine offizielle Bestätigung der Ukraine hierzu gibt es bislang nicht.

Medienberichten aus Russland zufolge besuchte jüngst Präsident Wladimir Putin einen der Kommandoposten der russischen Truppen in der Region in Kursk. Er zeigte sich dort vor Kameras in einem militärischen Tarnanzug zusammen mit dem Generalstabschef der russischen Armee, Walerij Gerassimow.

Wladimir Putin beim Kommando der russischen Truppen in Kursk, im Hintergrund Walerij GerassimowBild: Handout/Kremlin.ru/AFP

Warum zieht sich die Ukraine zurück?

Wie der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Oleksandr Syrskyj, am Abend des 12. März erklärte, wird in den Vororten von Sudscha und den umliegenden Gebieten der Region Kursk weiterhin gekämpft. Die ukrainische Armee wolle "die Verteidigung aufrechterhalten, solange dies angemessen und notwendig ist". Syrskyj betonte ferner, Priorität bleibe aber, das Leben ukrainischer Soldaten zu bewahren, weshalb die Einheiten "notfalls auf vorteilhaftere Verteidigungslinien" ausweichen würden.

Ruslan Leviev, der Gründer der unabhängigen Organisation Conflict Intelligence Team (CIT), sagt im Gespräch mit der DW, das ukrainische Militär verlasse planmäßig die Region Kursk. Auch er meint, die Armeeführung wolle damit das Leben von möglichst vielen Soldaten retten.

Einen Zusammenhang zwischen dem ukrainischen Rückzug und den jüngsten Verhandlungen zwischen Kyjiw und Washington sieht der russische Oppositionsaktivist nicht. Er schließt jedoch nicht aus, dass der von den USA vorübergehend verhängte Stopp des geheimdienstlichen Informationsaustauschs mit der Ukraine den ukrainischen Rückzug in der Region Kursk etwas beschleunigt hat. Donald Trump hatte diesen nach einem Streit  mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus verhängt.

Mit dem Rückzug sei aber schon seit Dezember zu rechnen gewesen, meint Leviev, als russische Truppen die Flanken des ukrainischen Brückenkopfes in der Region Kursk von beiden Seiten angegriffen hätten. Danach habe es kaum noch Möglichkeiten gegeben, den Truppen Munition zu liefern oder Verwundete zu bergen, so der Experte.

Hat ein Einsatz auf russischem Gebiet noch Sinn?

Auch Serhij Shurez, Leiter der ukrainischen Beratungsfirma Defense Express, glaubt, dass logistische Probleme der ukrainischen Armee und eine erhebliche zahlenmäßige Überlegenheit des russischen Militärs dazu führen, dass sich die ukrainische Armee aus der Region Kursk zurückziehen werde. Ihm zufolge unterhält Russland an diesem Frontabschnitt rund 60.000 Soldaten.

"Die logistische Komponente ist die Achillesferse. Wenn die Ukraine auf ihr Territorium ausweicht, wird das die Verteidigungsfähigkeit ihrer Brigaden verbessern", meint Shurez.

Ihm zufolge macht es für Kyjiw auch politisch keinen Sinn mehr, Stellungen in der Region Kursk aufrechtzuerhalten, um sie für einen möglichen Gebietsaustausch zwischen der Ukraine und Russland zu nutzen, weil Donald Trump diese Komponente für Verhandlungen völlig ignoriert habe.

"Jetzt rücken militärische Ziele in den Vordergrund und sie sind schon weitgehend erreicht: das Risiko für die ukrainische Region Sumy zu minimieren, eine bestimmte Anzahl russischer Truppen von anderen Frontabschnitten abzulenken und ihnen maximal Schaden zuzufügen", sagt der Experte.

Ein amerikanischer Bradley-Panzer der ukrainischen Armee nach einem Einsatz in der Region KurskBild: DW

Die Meinungen westlicher Beobachter, was die Bilanz der Kursk-Operation der ukrainischen Streitkräfte angeht, fallen unterschiedlich aus. Nico Lange, ehemaliger Berater des Bundesverteidigungsministeriums, bewertete sie in einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) als erfolgreich.

"Aus ukrainischer Perspektive ist doch klar: Solange die Kämpfe im Gebiet Kursk stattfinden, finden sie gleichzeitig nicht mit diesen Kräften in der Ukraine statt. Solange die Russen ihre Luftwaffe einsetzen, um zum Beispiel Gleitbomben auf ihre Dörfer abzuwerfen, fallen diese Bomben nicht auf ukrainische Ortschaften", so Lange.

Seiner Meinung nach hat die Kursk-Operation die Schwäche der russischen Armee offengelegt, der es nicht gelungen sei, die ukrainischen Streitkräfte, wie vom Kreml gefordert, innerhalb kürzester Zeit aus russischem Gebiet zu vertreiben.

War die Kursk-Operation ein Fehler der Ukraine?

Unter westlichen Experten gibt es aber auch Kritik an der ukrainischen Kursk-Operation. Sie halten sie für eine Verschwendung von Ressourcen. Das findet zum Beispiel Marina Miron vom Londoner King's College. Russland habe seine Truppen nicht aus anderen Frontabschnitten - etwa im Donbass  - nach Kursk verlegt, wie die Ukrainer gehofft hätten. Die Besetzung russischer Gebiete habe für die Ukraine an Bedeutung verloren, als klar geworden sei, dass es nicht gelingen werde, strategisch wichtige Ziele wie das Kernkraftwerk Kursk einzunehmen. "Aus militärstrategischer Sicht war das eine katastrophale Entscheidung, weil dies die Kontaktlinie verlängert, und die ukrainischen Streitkräfte litten bereits damals unter einem Mangel an Ausrüstung und Personal", kritisiert Miron.

Der österreichische Oberst Markus Reisner meint, man werde die Ergebnisse der Kursk-Operation erst dann abschließend bewerten können, wenn klar sei, mit welchen Verlusten und wie geordnet der seiner Meinung nach unvermeidliche Rückzug der ukrainischen Streitkräfte aus Kursk erfolgen werde. "Der größte Risikofaktor bleibt das Ausbrechen von Chaos oder Panik - ein Szenario, das 2022 die russischen Truppen bei Charkiw traf", so Reisner. Damals waren die Russen auf eine ukrainische Gegenoffensive nicht vorbereitet. Sie mussten sich aus zuvor eroberten ukrainischen Gebieten überhastet zurückziehen. Dabei gerieten viele Russen in Kriegsgefangenschaft. Auch eroberte die Ukraine große Mengen an schwerem Kriegsgerät. 

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

Ukraine vor Niederlage in Kursk

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