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Politik

Ukraine berät über Kriegsrecht

26. November 2018

Wegen der Konfrontation mit Russland in der Straße von Kertsch prüft das Parlament in Kiew die Einführung des Kriegsrechts. Russland könne nicht einfach Schiffe der Ukraine beschießen, sagte Präsident Poroschenko.

Russland Krim | Russische Kampofjets an der Straße von Kertsch
Moskau schickt Kampfjets zu der Brücke, die die Krim mit Russland verbindetBild: Reuters/P. Rebrov

Präsident Petro Poroschenko äußerte sich in der Nacht nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrats in Kiew. Eine entsprechende Bitte an die Oberste Rada, das ukrainische Parlament, für 60 Tage das Kriegsrecht zu verhängen, sei bei der Sitzung formuliert worden. Eine eventuelle Einführung des Kriegsrechts bedeute jedoch nicht, dass die Ukraine offensive Operationen unternehmen wolle, betonte Poroschenko weiter. Es gehe dabei "ausschließlich um den Schutz unseres Territoriums und die Sicherheit unserer Bürger". Auch an den Frontlinien in der Ostukraine werde sich dadurch nichts ändern.

Zudem setzte Poroschenko die Reservisten der Streitkräfte in Bereitschaft. Die sogenannte Erste Welle der Reserve solle sich bereit halten, sagte Poroschenko in Kiew. Dies bedeute jedoch nicht unmittelbar eine Mobilmachung, erklärte er nach einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Interfax.

"Jetzt ist Krieg mit der Russischen Föderation"

Andere ukrainische Politiker schlugen noch schärfere Töne an. Außenminister Pawel Klimkin schrieb auf Twitter: "Diese Attacke ist nicht nur für uns, sondern für die ganze zivilisierte Welt eine Herausforderung. Jetzt ist Krieg mit der Russischen Föderation auf unserem Land und darüber hinaus." In der "Bild"-Zeitung sprach Klimkin von einem "Akt der Aggression gegen die Ukraine in den neutralen Gewässern des Schwarzen Meeres". Er rief die westlichen Verbündeten auf, sich der Aggression Russlands entgegenzustellen. Auch der Vorsitzender des Sicherheitsrats, Aleksander Turtschinow, sagte, die Ereignisse im Asowschen Meer seien als "Akt militärischer Aggression" einzustufen. 

Der ukrainische Staatschef Petro Poroschenko bei der Sitzung des nationalen Sicherheitsrats in Kiew Bild: Reuters/Ukrainian Presidential Press Service/M. Markiv

Schuldvorwürfe auf beiden Seiten

Ausgangspunkt war eine Eskalation in der Meerenge von Kertsch vor der Halbinsel Krim. Die russische Marine hatte dort ukrainischen Schiffen die Durchfahrt verweigert. Ein russisches Grenzschutzschiff rammte einen ukrainischen Marineschlepper, der erheblich beschädigt wurde. Später wurden drei ukrainische Schiffe von russischen Streitkräften gekapert und wegen Grenzverletzung beschlagnahmt. Auf ukrainischer Seite seien dabei sechs Marinesoldaten verwundet worden, berichteten ukrainische Medien. Die ukrainischen Schiffe seien illegal in russische Hoheitsgewässer eingedrungen, hieß es beim russischen Inlandsgeheimdienst FSB, der auch für den Grenzschutz zuständig ist. Man habe sie aufgefordert zu stoppen, die Besatzungen seien dem aber nicht nachgekommen.

In Kiew versammelten sich am Sonntagabend Dutzende Demonstranten vor der russischen Botschaft. Ein starkes Polizeiaufgebot sicherte das Gebäude ab. Am Ende hinterließen die aufgebrachten Ukrainer Hunderte von weißen Papierschiffchen vor der Botschaft und auf dem Zaun, wie die Zeitung "Ekspres" berichtete. Unweit der Botschaft sei jedoch ein Auto mit russischen Diplomaten-Kennzeichen in Brand gesetzt worden, berichtete die russische Agentur Tass. Vor dem russischen Konsulat in Lwiw (Lemberg) zündeten Demonstranten Autoreifen an.

Ukrainische Sicherheitskräfte versuchen, die russische Botschaft in Kiew vor aufgebrachten Demonstranten zu schützen Bild: Reuters/G. Garanich

NATO und EU besorgt 

Die NATO rief zur Zurückhaltung und Deeskalation auf. In einer Mitteilung heißt es, man verfolge die Entwicklungen im Asowschen Meer und in der Straße von Kertsch aufmerksam. Die Allianz unterstütze uneingeschränkt die Souveränität der Ukraine und ihre territoriale Integrität. Die NATO rief Moskau auf, "in Übereinstimmung mit internationalem Recht einen ungehinderten Zugang zu ukrainischen Häfen im Asowschen Meer sicherzustellen".  Inzwischen berief NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf Bitte Poroschenkos noch für diesen Montag eine Sondersitzung der NATO-Ukraine-Kommission ein. Bei dem Treffen auf Botschafterebene solle die aktuelle Situation analysiert werden, teilte das Militärbündnis mit. 

Auch die Europäische Union rief Russland und die Ukraine zur "äußersten Zurückhaltung" auf, damit die Lage im Schwarzen Meer nicht eskaliere, heißt es in einer Mitteilung. Die EU erwarte, dass Russland die Durchfahrt durch die Meeresenge wieder ermögliche. 

Auch die Bundesregierung mahnte zur Zurückhaltung. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, sagte im Deutschlandfunk: "Das letzte, was wir brauchen, ist eine weitere Eskalation." Er rief Russland und die Ukraine auf, eine Verschärfung der Spannungen zu unterlassen und sich jeder Anwendung militärischer Gewalt zu enthalten. Russland müsse in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht einen ungehinderten Zugang zu den ukrainischen Häfen sicherstellen. "Beide Seiten müssen jetzt deeskalieren". Sie dürften nicht noch weiter an einer Spirale drehen, "die am Ende zu ganz furchtbaren Konsequenzen führen könnte".

UN-Sicherheitsrat angerufen

Der UN-Sicherheitsrat befasst sich an diesem Montag (11 Uhr Ortszeit, 17 Uhr MEZ) mit der Eskalation des Konflikts. Diplomaten zufolge wurde die Sitzung von Russland und von der Ukraine beantragt.

Das Asowsche Meer nordöstlich der Krim entwickelt sich seit Monaten zu einem weiteren Schauplatz des Konflikts der Nachbarländer. Kiew hatte angekündigt, die Präsenz der ukrainischen Marine im Asowschen Meer zu erhöhen. In den vergangenen Monaten hatten beide Seiten Fischkutter in dem Meer festgesetzt und beschlagnahmt. Die von Russland kontrollierte Straße von Kertsch ist der einzige Zugang für Schiffe zu dem Gewässer. Am Asowschen Meer liegen unter anderem das von pro-russischen Separatisten kontrollierte Industriegebiet Donbass und die Hafenstadt Mariupol. Sie ist ein wichtiger Industriestandort und die letzte noch von Kiew kontrollierte große Stadt im Osten der Ukraine. 

Russland hat die Krim 2014 annektiert und durch den Bau einer Brücke eine Landverbindung zu Südrussland geschaffen. Wegen der Annexion hatten die USA und die Europäische Union Sanktionen gegen Russland verhängt.

kle/haz/sti (rtr, dpa, afp)

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