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Ukraine: Kulturgüter nach Dammbruch stark beschädigt

Torsten Landsberg
14. Juni 2023

Einmal mehr trifft der Krieg in der Ukraine auch die Kultur des Landes. Die Überschwemmung nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms hat bedeutende archäologische Stätten zerstört.

Eine grün gestrichene Kirche steht unter Wasser.
Eine Kirche in Hola Prystan in der Region Cherson steht unter WasserBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Zehntausende Menschen sind nach dem Bruch des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraineunmittelbar von den Überschwemmungen betroffen, ausgetretenes Öl droht Natur und Tieren schwerwiegende Schäden zuzufügen. Einmal mehr sind durch die Zerstörung, die viele Beobachter als Kriegsverbrechen bezeichnen, auch die Kulturgüter und damit die Historie der Ukraine in Gefahr.

Kirchen, Denkmäler und Museen stehen in der Region Cherson unter Wasser, archäologische Stätten der Skythen, einem Nomadenvolk aus dem 8. Jahrhundert v. Chr., sowie eine griechische Siedlung aus dem Jahr 400 v. Chr. wurden beschädigt oder unwiederbringlich zerstört.

"Die Schäden betreffen kulturhistorisch bedeutende Güter aus verschiedenen Jahrhunderten", sagt Kilian Heck, Kunsthistoriker an der Universität Greifswald, im DW-Gespräch. "Die Ukraine ist, was archäologische Fundstätten betrifft, einer der ersten Entdeckungsorte weltweit." Die betroffene Region im Süden der Ukraine habe sich im 16. Jahrhundert zudem zum Zentrum der Kosakenkultur entwickelt und sei für die Unabhängigkeit des Landes auch symbolisch bedeutsam.

Kampf ums Überleben in Cherson

03:33

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Ausmaß noch nicht abzusehen

Das Ausmaß der Schäden ist momentan noch nicht abzusehen, die Informationslage spärlich. Weite Teile der überschwemmten Region sind von russischen Truppen besetzt, die Wasserstraße Dnipro markiert die Frontlinie zwischen russischen und ukrainischen Soldaten.

Neben den archäologischen Stätten sind nach offiziellen ukrainischen Angaben etwa das erst 2020 restaurierte Museum zu Ehren des Schriftstellers und Humoristen Ostap Wyschnja sowie das nach dem Maler Oleksii Shovkunenko benannte Kunstmuseum von Cherson überschwemmt.

In der überfluteten Stadt Oleschky sei das frühere Wohnhaus der Volkskünstlerin Polina Rayko vom Wasser beschädigt worden. Die Künstlerin hatte erst im Alter von 69 Jahren zu malen begonnen und die Wände des Hauses mit Fresken bemalt. Das Gebäude zählt zum offiziellen kulturellen Erbe der Ukraine. Auch der Staudamm selbst gilt als architektonisch bedeutendes Kulturdenkmal.

Eine antike Steinstele in der skythischen Siedlung Bilsk in der ZentralukraineBild: Photoshot/picture alliance

"Die Problemlage ist eine bislang unbekannte", sagt Kilian Heck, der nach der russischen Invasion im vergangenen Jahr das Ukraine Art Aid Center mit initiierte: Das Netzwerk aus Kunsthistorikern und Museumsexperten organisiert Hilfstransporte mit Verpackungsmaterialien, Generatoren oder Entfeuchtungsgeräten, um Kunstwerke in der Ukraine vor den Folgen des Krieges zu schützen.

Im Kriegsgeschehen habe sich eine gewisse Routine eingespielt, sagt Kilian Heck, "die Maßnahmen waren eingeübt: Werke verpacken, in den Keller bringen oder evakuieren". Die Überschwemmung sei dagegen eine völlig neue Herausforderung: "Es gibt kaum Mittel, darauf konservatorisch angemessen zu reagieren. Es ist eine neue Form der Kulturgutzerstörung."

Die Stadt Oleschky ist nach dem Staudamm-Bruch überflutetBild: AP Photo/picture alliance

In zweiwöchentlichen Zoom-Meetings tauschen sich deutsche Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker mit Kolleginnen und Kollegen aus der Ukraine aus. Kolleginnen aus den überschwemmten Gebieten hätten zuletzt von im Wasser treibenden Leichen berichtet, die von den Wassermassen aus den Friedhöfen gespült wurden. Auch im Wasser treibende Tierkadaver sowie Verunreinigungen ließen die Sorge vor Seuchen anwachsen. "Am wichtigsten ist momentan die Bereitstellung von Wasserfiltern", sagt Kilian Heck.

Am 6. Juni waren die Staumauer und das Wasserkraftwerk bei Kachowka zerstört worden, die Ukraine und Russland geben sich gegenseitig die Schuld. Die ukrainischen Behörden haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aufgerufen, die Zerstörung des Staudamms zu untersuchen. Im Stausee waren rund 18 Milliarden Kubikmeter Wasser gespeichert. Die Behörden der Region Cherson berichteten, dass 600 Quadratkilometer Land überflutet worden seien - eine Fläche fast doppelt so groß wie München.

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