Was erwarten die Ukrainer von Trumps Treffen mit Putin?
12. August 2025
"Jegliche Entscheidungen gegen uns, jegliche Entscheidungen ohne die Ukraine sind Entscheidungen gegen den Frieden. Sie werden nichts bewirken." Das sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache unmittelbar nach Bekanntwerden des für den 15. August geplanten Treffens der Präsidenten der USA und Russlands - Donald Trump und Wladimir Putin - im US-Bundesstaat Alaska.
Eine solche Haltung herrscht auch in der ukrainischen Gesellschaft vor. Das geht aus einer Ende Juli und Anfang August durchgeführten Umfrage des Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) hervor. "Die Ukrainer zeigen sich nach wie vor offen für Verhandlungen und schwierige Entscheidungen. Die absolute Mehrheit lehnt aber weiter Forderungen nach einer Kapitulation ab", sagt Anton Hruschezkyj vom KIIS im DW-Gespräch.
Laut der Umfrage lehnen 76 Prozent der Ukrainer den russischen "Friedensplan" und Zugeständnisse an den Aggressor entschieden ab. Gleichzeitig sind 49 Prozent gegen einen US-Friedensplan, der Sicherheitsgarantien für die Ukraine seitens europäischer Länder, aber nicht seitens der USA, die Anerkennung der Krim als Teil der Russischen Föderation, die Aufrechterhaltung der russischen Kontrolle über die besetzten Gebiete und die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland vorsieht.
Umsetzung von Verhandlungsergebnissen fraglich
In der Ukraine wird nicht ausgeschlossen, dass die Verhandlungen in Alaska ohne die Beteiligung Kyjiws und europäischer Vertreter faktisch eine Kapitulation der Ukraine zum Ziel haben könnten.
"Die Russen haben ihre Verhandlungsposition nie geändert und werden dies auch nicht tun, solange sie keine schweren militärischen und politischen Niederlagen erleiden", meint Wolodymyr Horbatsch vom ukrainischen Institute for Northern Eurasia Transformation (INET). Allein die Tatsache, dass Trump mit Putin spreche, ohne zuvor Druck auf Russland auszuüben, zeige, so Horbatsch, dass dieser Ansatz zum Scheitern verurteilt sei. "Die Russen werden auf ihrer Position beharren und einen Waffenstillstand gegen eine faktische Kapitulation der Ukraine eintauschen wollen, also gegen die Erfüllung russischer Forderungen. Von Zugeständnissen zu sprechen, ist sehr naiv", betont der Experte gegenüber der DW.
Gleichzeitig sieht Horbatsch in den Gesprächen zwischen Washington und Moskau keine Katastrophe, weist aber auf eine "alarmierende Tendenz" hin, da Trump "den russischen Kriegsverbrecher Putin endgültig legalisiert, was weder für die Ukraine noch für Europa akzeptabel ist", sagt der Politologe. "Ich sehe keine Möglichkeit, irgendwelche realen, praktischen Ergebnisse dieser Verhandlungen im Kontext des ukrainisch-russischen Krieges umzusetzen. Die Vorschläge, die Putin vielleicht machen wird, werden weder die Ukraine noch die Europäische Union zufriedenstellen. Trump wird manövrieren müssen. Er wird die Ukraine und die europäischen Partner nicht zwingen können, Putins Bedingungen zu akzeptieren", so Horbatsch.
Der Direktor des Zentrums für Sozialforschung "Ukrainischer Meridian", Dmytro Lewus, erinnert daran, dass die Ukraine im März 2025 bereits in einer ähnlichen Situation war. Damals habe Donald Trump geglaubt, der Krieg könne durch Verhandlungen mit Russland und die Erzwingung eines Friedensschlusses durch Kapitulation der Ukraine schnell beendet werden. Die Realität habe jedoch gezeigt, dass es unmöglich sei, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, da die meisten von ihnen von den Europäern verhängt worden seien, so der Experte.
Er glaubt, dass die USA und Russland nach diesem Treffen erneut der Realität ins Auge werden sehen müssen, da die ukrainischen Streitkräfte ihr Land weiter verteidigen und die europäischen Partner Kyjiws nicht bereit sein werden, Vereinbarungen zwischen Trump und Putin bedingungslos hinzunehmen und umzusetzen. "Die von Selenskyj erklärte Position der Ukraine ist eindeutig und richtig: Eine Aufgabe von Gebieten ist laut Verfassung unmöglich. Deshalb erwarte ich vom Treffen in Alaska nichts Schicksalhaftes", sagt Lewus der DW.
Verbreitet Skepsis unter ukrainischen Politikern
Die Co-Vorsitzende der Oppositionspartei "Europäische Solidarität" Iryna Heraschtschenko sieht in dem Treffen in Alaska einen Test für das gesamte internationale Sicherheitssystem. Sollte der Aggressor Russland für Angriff, Annexion und Kriegsverbrechen noch belohnt werden, würde dies, so die Politikerin, für die ganze Welt ein Signal sein, wonach Gewalt und Revanche ungestraft bleiben können. Die Anerkennung der russischen Besatzung sei eine rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe.
"Dies würde den Weg für neue Kriege ebnen, nicht nur in unserer Region. Deshalb sollten alle Verhandlungen mit Beteiligung der Ukraine und der EU laufen, mit strengen Sicherheitsgarantien, internationaler Überwachung und Vorkehrungen für Sanktionen", so Heraschtschenko auf Telegram. Alles andere werde nicht das Ende des Krieges, sondern nur den Beginn eines neuen bedeuten.
Danylo Hetmanzew, Abgeordneter der regierenden Partei "Diener des Volkes", sieht das Treffen zwischen Trump und Putin positiver. Denn es werde die Position der russischen Seite endgültig offenlegen, glaubt er. "Wenn es bei dem Treffen wieder den Versuch 'diplomatischer Manöver' statt produktiver Verhandlungen geben wird, wird dies wahrscheinlich mit der Verhängung harter amerikanischer Sanktionen enden, auch gegen Russlands Verbündete, die dann ihren Teil für die Unterstützung der Aggression werden zahlen müssen, was ihnen nicht gefallen wird", schreibt Hetmanzew auf Telegram.
Wird der Druck auf die Ukraine zunehmen?
Gleichzeitig schließen die ukrainischen Experten nicht aus, dass die USA nach Trumps Treffen mit Putin erneut versuchen werden, die Ukraine zu erpressen und sie zu Bedingungen zu bewegen, die für Kyjiw inakzeptabel sind.
Oleksandr Krajew, Experte des Thinktanks "Ukrainisches Prisma" und Dozent an der Kyjiwer Mohyla-Akademie, glaubt ebenfalls, Trump könnte mit dem Stopp von Waffenlieferungen drohen. "Aber die Lieferungen erfolgen schon jetzt sporadisch und nicht systematisch. Das wird nicht mehr so eine Schocktherapie sein, wie damals, als Trump so etwas erstmals ankündigte", betont Krajew gegenüber der DW. "Gespräche um der Gespräche willen" - das wird ihm zufolge das eigentliche Ergebnis des Treffens in Alaska sein, da derzeit keine der Parteien eine wirkliche Vorstellung davon habe, wie der Krieg enden solle. "Es könnte eine gemeinsame Erklärung zur Fortsetzung der Gespräche geben, aber das ist alles", so Krajew.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk