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Politik

Energie-Notstand oder Manipulation?

Lilia Grishko
16. Februar 2017

Es wird kalt in der Ukraine - denn die Kohlelieferungen aus dem Osten werden blockiert und die Vorräte schrumpfen. Regierungsvertreter fordern einen Ausnahmezustand im Energiesektor. Ist die Lage wirklich so ernst?

Ukraine Krasnoarmijsk und seine Bewohner (Bildergalerie)
Bild: Yevgenia Belorusets

Die Ukrainer müssen sich auf Stromausfälle und kalte Wohnungen einstellen. Vor allem in den Regionen Donezk, Dnipropetrowsk, Kiew und Charkiw fehlt Energie, warnen Regierungsbeamte. Dort gibt es Kraftwerke, die mit Anthrazitkohle befeuert werden. Herangeschafft wurde die Kohle bislang aus den abtrünnigen Gebieten der Ostukraine, die sich nicht unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung befinden. "Für diese Kohle gibt es derzeit keine Alternative. Ich bin sehr darüber besorgt, dass sich jemand offenbar darauf freut, den Ukrainern den Strom abzuschalten", sagte Premierminister Wolodymyr Groisman im ukrainischen Fernsehen.

Ende Dezember hatten Veteranen der beiden ukrainischen Freiwilligenbataillone "Donbass" und "Ajdar" eine Blockade der sogenannten "Volksrepubliken Donezk und Luhansk" angekündigt. Grund war ein gescheiterter Austausch von Gefangenen, darunter auch viele Angehörige der Bataillone. Zunächst wurden Lieferungen von Industriegütern in die von prorussischen Separatisten kontrollierten selbsternannten Republiken behindert. Ende Januar begann dann eine Blockade der Eisenbahnstrecke Luhansk-Lyssytschansk-Popasna, über die Kohle aus dem von Kiew nicht kontrollierten Teil des Donbass in die restliche Ukraine transportiert wurde. Die Veteranen fordern, den Handel zu stoppen, bis die Gefangenen ausgetauscht werden.

Gefechte zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Soldaten fordern immer wieder Tote und VerletzteBild: picture-alliance/dpa/E. Maloletka

Kohle rationieren

"Wir haben noch 927.000 Tonnen Anthrazitkohle. Bei Frost verbrauchen wir 40.000 Tonnen pro Tag. Die Vorräte müssen dringend aufgefüllt werden", sagte der ukrainische Minister für Energie und Kohleindustrie, Ihor Nasalyk, auf einer Sitzung des Energie-Krisenstabs. Er rät der Regierung, den Energie-Notstand zu verhängen.

Wsewolod Kowaltschuk, Direktor des staatlichen Energieunternehmens Ukrenergo, rechnet vor, dass die Kohlevorräte abhängig von der Wetterlage noch für etwa 14 bis 28 Tage reichen. Deswegen befürwortet auch er einen Ausnahmezustand im Energiesektor. "Das würde uns ermöglichen, jederzeit die Generierung von Strom auszusetzen, zu reduzieren oder wieder zu erhöhen", so Kowaltschuk. Mit diesen Maßnahmen könnte man den Rest der Anthrazitkohle auf 30 bis 40 Tage strecken, bis die Heizperiode beendet sei.

Alternative Atomstrom

Doch Experten sehen die Warnungen kritisch. Sie weisen darauf hin, dass in der Ukraine genügend Strom produziert wird, um Ausfälle bei Kohlekraftwerken zu kompensieren, ohne den Menschen gleich den Strom oder die Heizung bis zum Frühjahr abschalten zu müssen. "Unsere Atomkraftwerke sind nicht voll ausgelastet. Zwei Blöcke sind in Reserve. Wir haben sogar Überkapazitäten bei Strom. Hinzukommen die zwei Gigawatt, die früher auf die Krim geliefert wurden", sagte die Energieexpertin Olha Koscharna der DW. Ihr zufolge können zudem die Wasserkraftwerke aufgrund des schneereichen Winters mehr Energie erzeugen und so die Löcher stopfen, die bei der Versorgung mit Anthrazitkohle entstehen.

Im südukrainischen Saporischschja befindet sich das größte Atomkraftwerk EuropasBild: cc-by-2.0/Ralf1969

Dank all dieser Kapazitäten würde dem ukrainischen Verbraucher kein Mangel drohen, meint Denis Sakwa, Energieexperte des ukrainischen Investment-Unternehmens Dragon Capital. "Auch wenn ein Ausnahmezustand im Energiesektor verhängt würde, bekäme ihn die Bevölkerung nicht zu spüren. Ein Notstand bezieht sich in erster Linie auf Maßnahmen, die für einen Ausgleich innerhalb des Energiesystems sorgen, damit der Ausfall der Kohlelieferungen unter Kontrolle gehalten werden kann", sagt Sakwa.

Politische Machtspiele

Notstands-Maßnahmen im Energiebereich habe es in der Ukraine schon im Jahr 2014 gegeben, nur sei darum kein Lärm gemacht worden wie jetzt, sagte Wiktor Lohazky vom Kiewer Rasumkow-Forschungszentrum im Gespräch mit der DW. Er glaubt, dass die Regierung mit der Androhung des Ausnahmezustands die Veteranen der Freiwilligenbataillone unter Druck setzen will. "Man will sie dazu bringen, freiwillig die Blockade der Eisenbahnstrecke aufzugeben. Wenn keine Einigung gelingt, schließe ich eine gewaltsame Lösung nicht aus", so der Energieexperte.

Auch Politiker teilen die Einschätzung der Experten. So bezeichnete die stellvertretende Parlamentsvorsitzende Oksana Syrojid die Aussagen von Regierungsmitgliedern über die sinkenden Kohlevorräte als "manipulativ". "Wir wussten, dass man die Blockierer auf diese Weise unteren Druck setzen würde. Aber in Wirklichkeit sind die Vorräte in den Kraftwerken viel größer", sagte Syrojid auf einer Pressekonferenz in Kiew. Sie betonte zugleich, dass die Ukraine nicht von Kohlelieferungen aus den Gebieten abhängig sein sollte, die nicht von Kiew kontrolliert würden.

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