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HandelUkraine

Ukraine erwägt Bindung ihrer Währung an Euro statt US-Dollar

15. Mai 2025

In der Ukraine werden die Überlegungen laut, den US-Dollar als Referenzwährung durch den Euro zu ersetzen. Welche Vor- und Nachteile könnten sich für die Wirtschaft ergeben und wie schnell wäre die Idee umsetzbar?

Eine Euro-Münze und mehrere US-Dollar-Scheine
Bisher ist die Währung der Ukraine an den US-Dollar gekoppelt. In Zukunft könnte der Euro die Referenzwährung werden.Bild: Klaus-Dieter Esser/agrarmotive/picture alliance

Die Ukraine erwägt eine Abkehr vom US-Dollar und stattdessen eine stärkere Bindung ihrer Währung an den Euro. Das erklärte jüngst Nationalbank-Chef Andrij Pyschnyj gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zersplitterung des Welthandels und zunehmende Verbindungen zu Europa würden die Ukraine zu einem solchen Schritt drängen.

Ein Wechsel vom US-Dollar zum Euro als Referenzwährung würde bedeuten, dass die Nationalbank künftig die ukrainische Hrywnja gegen Euro handeln würde und alle anderen Währungskurse über den Kreuzkurs bestimmt würden. Damit würde sich ihr Kurs nicht direkt zum Wert des Hrywnja ergeben, sondern würde über den jeweiligen Wert zum Euro berechnet. Derzeit wird der Handel im Verhältnis zum US-Dollar abgewickelt und der Euro-Hrywnja-Wechselkurs durch den Kreuzkurs bestimmt.

"Diese Arbeit ist komplex und erfordert eine hochwertige, umfassende Vorbereitung", räumte Pyschnyj ein. Transaktionen in US-Dollar würden weiterhin alle Segmente des Devisenmarktes dominieren, doch der Anteil der in Euro denominierten Transaktionen habe sich in den meisten Segmenten erhöht, wenn auch "bisher moderat".

Eine Wiederbelebung der Investitions- und Konsumtätigkeit dank engerer Verbindungen mit Europa und einer Normalisierung der Wirtschaft dürfte dazu beitragen, dass das Wirtschaftswachstum der Ukraine in den nächsten zwei Jahren leicht auf 3,7 bis 3,9 Prozent anziehe, so der Chef der Nationalbank. Allerdings hänge ihm zufolge die wirtschaftliche Entwicklung stark vom Verlauf des Krieges Russlands gegen die Ukraine ab.

Euro-Bindung als langfristige Perspektive

"Es ist klar, dass schwere, komplexe Störungen des Finanzsystems in Kriegszeiten, während großer Militäroperationen, nicht von allein vorbeigehen werden", sagt der ukrainische Wirtschaftsexperte Wasyl Poworosnyk im DW-Gespräch. Ein Übergang zum Euro würde mindestens fünf bis zehn Jahren brauchen.

Sitz der Nationalbank der Ukraine in der Hauptstadt KyjiwBild: Sergii Kharchenko/NurPhoto/picture alliance

Finanzexperten bewerten die Initiative der Nationalbank positiv, geben jedoch zu bedenken, dass sie nicht schnell umgesetzt werden könne. "Ich denke, dass die Bindung der Hrywnja an den Euro eher eine politische Entscheidung mit einem Zeithorizont von zehn Jahren ist", sagt der Ökonom Witalij Schapran gegenüber der DW. "Wenn sich die Ukraine in die Europäische Union integrieren möchte, dann ist die Annäherung an die Eurozone ein logischer und vorhersehbarer Schritt", so der Experte, der einst dem Aufsichtsrat der Nationalbank angehörte. Langfristig halte er diese Entscheidung für alternativlos, insbesondere vor dem Hintergrund der russischen Aggression.

Obwohl die Ukraine hauptsächlich Handel mit EU-Ländern treibe und ein Teil davon in Euro abgewickelt werde, sei die Überlegung, die Hrywnja an die europäische Währung zu koppeln, eher eine politische Richtlinie als eine wirtschaftlich begründete Notwendigkeit, findet Dmytro Bojartschuk vom Center for Social and Economic Research (CASE-Ukraine). Seiner Meinung nach hänge der Nutzen einer Euro-Bindung von der globalen Entwicklung des Dollarkurses ab. Wenn der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliere, könne das von Vorteil sein, wenn er aber stärker werde, könne das Panik in der Gesellschaft auslösen.

"Ich glaube nicht, dass die Bindung definitiv umgesetzt wird", sagt Bojartschuk. Das hänge höchstwahrscheinlich davon ab, wie sich die Ereignisse in der Welt entwickeln, so der Experte. Es würde sich um eine langfristige Perspektive handeln.

Wer würde profitieren und wer verlieren?

"Wenn in der gegenwärtigen Situation der Euro zur Ankerwährung der Hrywnja gemacht wird, dann werden davon Exporteure und Importeure profitieren, die Verträge in Euro haben und vielleicht würde dies zu einer Zunahme von Verträgen in Euro führen", sagt Schapran. Aber die Unternehmen, die ihre Produkte in US-Dollar verkauften, würden verlieren, und davon gebe es in der Ukraine viele. Nach Schätzungen seien das bis zu 70 Prozent, wenn man die Umsätze in der Schattenwirtschaft mitberücksichtige, so Schapran.

Banknoten der ukrainischen HrywnjaBild: Janusz Pienkowski/Zoonar/picture alliance

Die Schwächung des US-Dollars und damit auch der Hrywnja gegenüber dem Euro habe ukrainische Exporte für die Eurozone bereits attraktiver gemacht, betont der Experte. Eine sofortige Änderung der Leitwährung in der Ukraine wäre aber ohne strukturelle Veränderungen in der Wirtschaft unmöglich, sonst würde dies zu Unzufriedenheit führen.

Schrittweise Maßnahmen erforderlich

Ein Wechsel zum Euro dürfte für die Wirtschaft generell schwierig werden, da der US-Dollar nach wie vor die wichtigste globale Reservewährung sei, über die die meisten internationalen Zahlungen abgewickelt werden. Die ukrainischen Exporte werden größtenteils in US-Dollar abgerechnet und eine Umstellung auf den Euro würden die Zahlungsprozesse ersteinmal verkomplizieren, meinen Experten. Für Unternehmen würde das zusätzliche Transaktionskosten und Belastungen bedeuten.

"Die Auswirkungen auf die Ersparnisse der Bürger werden zwar geringer sein, da sie den Dollar nicht aufgeben und weiterhin in Dollar sparen werden. Mit der Zeit wird es jedoch zu einer Umorientierung auf Ersparnisse in Euro kommen", prognostiziert Wasyl Poworosnyk.

Um den Anteil des Euro am Zahlungsverkehr schrittweise zu erhöhen, sind nach Ansicht von Experten gewisse Maßnahmen erforderlich. Erstens seien weichere Handelsregeln zwischen den Staaten der Eurozone und der Ukraine nötig. Zweitens müssten die ukrainischen Währungshüter den ukrainischen Unternehmen einen ungehinderten Zugang zu Instrumenten gewähren, mit denen die Risiken reduziert werden können, die sich aus Veränderungen des Euro-Dollar-Wechselkurses ergeben. Und drittens sollte die ukrainische Regierung Investitionen aus der Eurozone fördern, was den Anteil des Euro am ukrainischen Außenhandel automatisch erhöhen würde. "So werden wir den Euro von Jahr zu Jahr zu einer beliebteren Währung in der Ukraine machen", glaubt Witalij Schapran.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

 

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