Ukraine gibt Handel mit Agrarland frei
31. März 2020Um eine drohende Staatspleite abzuwenden, erlaubt die Ukraine erstmals den Handel mit ihrem Ackerland. In einer nächtlichen Krisensitzung billigten 259 Abgeordnete im Parlament den seit langem heiß diskutierten Gesetzentwurf, deutlich mehr als die erforderlichen 226 Stimmen.
Die Neuregelung sieht vor, dass ukrainische Bürger ab 1. Juli 2021 bis zu 100 Hektar Agrarland kaufen dürfen. Ab 2024 dürfen auch Unternehmen aus der Ukraine bis zu 10.000 Hektar erwerben. Der Verkauf von staatlichem Boden ist ausgeschlossen. Ausländer werden erst nach einem Referendum zum Handel mit Ackerboden zugelassen. Ein Datum für eine solche Volksabstimmung wurde noch nicht festgesetzt.
IWF macht Druck
Die Ukraine, eines der ärmsten Länder in Europa, kommt mit dem Parlamentsbeschluss einer umstrittenen Forderung des Internationalen Währungsfonds (IWF) nach. Dieser hatte eine Kreditvergabe direkt an die Verabschiedung des Gesetzes geknüpft. Präsident Wolodymyr Selenskyj hofft auf westliche Kredite von umgerechnet mehr als neun Milliarden Euro.
In Umfragen hatte sich eine große Mehrheit der Bevölkerung der Ex-Sowjetrepublik wiederholt gegen die Freigabe des Handels mit Ackergrundstücken ausgesprochen. Viele befürchten einen Ausverkauf des Landes, das durch fruchtbare Schwarzerdeböden geprägt ist. Bisher kann das Land nur verpachtet werden.
Im Parlament unterstrich Präsident Selenskyj, wie wichtig es für sein Land sei, "das Memorandum mit dem IWF zu unterzeichnen" und den Kredit zu erhalten. Ministerpräsident Denys Schmygal ergänzte: "Ohne die Unterstützung internationaler Organisationen werden wir in den Abgrund einer Finanzkrise stürzen."
Novelle zum Bankensektor
Das Parlament stimmte zudem einer zweiten vom IWF verlangten Gesetzesvorlage zum Bankensektor in erster Lesung zu. Sie soll die Rückgabe verstaatlichter Banken an die ursprünglichen Besitzer und die Gewährung staatlicher Kompensationszahlungen verbieten. Nach Ansicht von Kritikern zielt das Gesetz auf den Finanz-Tycoon Ihor Kolomoisky ab, dessen Privatbank 2016 verstaatlicht wurde. Ihm wird nachgesagt, dass er seine ehemalige Bank mit Hilfe seiner Verbindungen zum Staatspräsidenten zurückbekommen will. Dem Parlament gelang es aber vorerst nicht, einen überarbeiteten Nothaushalt für das laufende Jahr zu beschließen.
kle/sti (dpa, ape, rtre)