Ukraine-Gipfel: Kann sich Europa auf die USA verlassen?
20. August 2025
In Europa fällt die Bilanz der europäischen Staats- und Regierungschefs für das Treffen in Washington recht ausgeglichen aus. Einerseits atmet der alte Kontinent auf: Es kam zu keiner Konfrontation zwischen Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump, so wie im letzten Februar - oder gar zu einem Bruch des transatlantischen Verhältnisses.
Andererseits kam Donald Trump den europäischen Kernforderungen nicht nach - vor allem der, einen Waffenstillstand vor Beginn von Friedensverhandlungen für die Ukraine anzumahnen.
Die Europäer hätten unter den gegebenen Umständen das Beste rausgeholt, sagt Niklas Ebert, zuständig für das transatlantische Sicherheitsprogramm bei der Denkfabrik German Marshall Fund. Generell müsse sich Europa jedoch darauf einstellen, dass das transatlantische Verhältnis nicht mehr das sei, was es einmal war. Washington sei kein Partner, auf den man sich immer verlassen könne, mahnt Ebert.
Auch Anthony Gardner, ehemaliger US-Botschafter bei der EU während der Amtszeit von Barack Obama und heute als Berater tätig, ist nicht sehr optimistisch, dass sich die transatlantischen Beziehungen durch das Treffen verbessern werden. Trump betrachte Europa nach wie vor als weitgehend irrelevant, so Gardner.
Zwar hätten es Europas Politikerinnen und Politiker geschafft, die Narrative wieder etwas zu Gunsten der Ukraine zurückzudrehen, signifikante Ergebnisse habe das Treffen jedoch nicht gebracht. Auch erwartet Gardner, dass die Europäer diese Übung wiederholen müssen, da Trump seine Meinung "stündlich" wechsle. Letztlich gehe es für den amtierenden US-Präsidenten darum, einen für ihn vorteilhaften Deal abzuschließen.
Europa will seinen Anteil für einen Frieden leisten
Dennoch: Die erklärte Bereitschaft der USA, sich nun doch an sogenannten Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen zu wollen, gilt als Durchbruch. Von Schutzversprechen ist die Rede, die dem Artikel 5 des NATO-Vertrages ähnlich seien. Demnach ginge es um eine Beistandspflicht, wenn einer der Vertragspartner angegriffen wird.
In Washington bemühte sich die europäische Delegation zu betonen, dass sie ihren Teil beitragen wolle. So wandte sich etwa der französische Präsident Emmanuel Macron an den US-Präsidenten: "Sie können sicher sein, dass Europa sehr bewusst ist, dass es seinen gerechten Anteil an diesen Sicherheitsgarantien für die Ukraine leistet - steht doch seine eigene Sicherheit eindeutig auf dem Spiel."
Die sogenannte "Koalition der Willigen” dürfte, neben der Stärkung der ukrainischen Armee, ein zentrales Element für die künftigen Sicherheitsgarantien sein.
Was ist die "Koalition der Willigen"?
Die "Koalition der Willigen” wurde vor einigen Monaten von Frankreich und Großbritannien ins Leben gerufen. Mittlerweile soll sie rund 30 Mitglieder haben. Neben europäischen Ländern nahmen laut EU-Ratspräsident Antonio Costa auch Kanada, die Türkei, Japan und Neuseeland an einer Telefonkonferenz dieser Gruppe teil.
Nach Ende der Kriegshandlungen in der Ukraine sollen "Absicherungstruppen" gestellt werden. Diese sollen dabei helfen, die ukrainischen Landkräfte wiederaufzubauen sowie den ukrainischen See- und Luftraum abzusichern, teilte der Ko-Vorsitzende Keir Starmer im Juli mit. .
In der "Koalition der Willigen" sieht Ebert ein "politisches Signal an Washington", dass Europa bereit sei, mehr Verantwortung zu übernehmen und dem amerikanischen Narrativ entgegenzutreten, dass sich die Europäer auf dem Rücken der USA ausruhten.
In der Vergangenheit hatte US-Präsident Donald Trump sehr deutlich gemacht, dass Europa mehr für seine Verteidigung tun müsse. Dies trug wesentlich zu einer Erhöhung des NATO-Zieles für Rüstungsausgaben von zwei auf 3,5 Prozent beziehungsweise fünf Prozent (inklusive Infrastrukturprojekten) beim letzten NATO-Gipfel in Den Haag bei.
Ex-Botschafter Anthony Gardner konstatiert, dass die Europäer ihren "Worten nun Taten folgen lassen". Dies sei wichtig, hätte aber auch eine lange Zeit gebraucht. Ganz selbstlos sei das Verhalten Europas dabei wohl nicht: Man habe dabei auch den Hintergedanken, die Amerikaner auf diese Weise mit an Bord zu halten, sagt Sicherheitsexperte Ebert.
Ohne die USA wird es für die Ukraine nicht gehen
Denn eines ist klar: Ohne die Amerikaner wird es bei den besagten Sicherheitsgarantien schwierig bis unmöglich. So sei man in den Bereichen Luft- und Raketenabwehr, Aufklärung und strategischen Lufttransport auf die USA angewiesen, sagt Politikanalyst Ebert der DW.
Und es brauche die Amerikaner als Rückversicherung. Europa sei nicht in der Lage, eine ausreichend große Truppe zu mobilisieren, um einen möglichen Waffenstillstand wirksam abzusichern. Daher müsse klar sein, dass die USA einspringen, falls etwas passiert, so Ebert.
Derzeit wird an der Ausgestaltung der Sicherheitsgarantien gearbeitet. Laut britischen Angaben, soll es dazu in den nächsten Tagen ein Treffen zwischen den USA und Repräsentanten der "Koalition der Willigen" geben.
Trump erwartet europäische Bodentruppen
Eine heikle Frage dabei sind die "boots on the grounds". Gemeint ist die Frage, ob es europäische Bodentruppen in der Ukraine geben soll. Während der britische Premierminister Keir Starmer erklärte, Truppen in die Ukraine senden zu wollen, hat die deutsche Bundesregierung dazu noch nicht abschließend Stellung genommen. Russland lehnt eine Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine ab.
Der ehemalige US-Botschafter Gardner kritisiert, dass zwar viel über dieses Thema geredet werde, es am Ende aber um wenig gehe. Auch nach vielen Monaten sei immer noch unklar, was Europa bereit sei zu leisten. Indem sie ihre Bereitschaft zu handeln vom jeweils anderen abhängig machten, schöben die Europäer und die Amerikaner die Verantwortung gegenseitig hin und her.
In einem Interview mit dem US-Sender Foxnews machte Donald Trump jedenfalls seine Erwartung an Europa bereits deutlich: Er gehe davon aus, dass Deutschland, Frankreich und Großbritannien Bodentruppen senden würden, so Trump. Die USA seien bereit, beispielweise aus der Luft zu unterstützen.
Für die transatlantischen Beziehungen könnte die Frage von Bodentruppen der nächste Test werden.