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Politik

Ukraine-Gipfel von Putins Gnaden

Roman Goncharenko
9. Dezember 2019

Vor seinem Treffen mit Wladimir Putin beim Normandie-Gipfel in Paris steht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unter Druck. Er strebt Frieden an - aber mit Zugeständnissen riskiert er einen Aufstand zu Hause.

Wladimir Putin (links) und Wolodymyr Selenskyj
Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj treffen sich zum ersten Mal persönlichBild: picture-alliance/dpa/AP/The Canadian Press/Lahodynskyj/Lovetsky

Die Erwartungen sind enorm. Ob in Medien oder Politik, die Stimmung ist die gleiche: Der Gipfel zur Ostukraine im sogenannten Normandie-Format an diesem Montag in Paris könnte eine Zäsur werden. Vor allem in der Ukraine gibt es beispiellos viele Analysen dazu, was beim Treffen der Staats- und Regierungschefs aus Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich zu beachten ist und was schiefgehen könnte. Die prowestliche Opposition warnt den Präsidenten Wolodymyr Selenskyj davor, rote Linien zu überschreiten, wenn er sich zum ersten Mal persönlich mit Kremlchef Wladimir Putin trifft. Zusätzlicher Druck kommt aus dem Ausland, wo auch US-Präsident Donald Trump von einer Chance auf einen "großen Fortschritt" spricht.

Warum Putin als gefühlter Sieger nach Paris reist

Grund der Aufregung ist die Bereitschaft von Selenskyj, für Frieden in der Ostukraine schmerzhafte Kompromisse mit Russland einzugehen. Frieden zu schaffen in dem seit 2014 schwelenden Krieg - das war das zentrale Versprechen des 41-jährigen früheren Fernsehkomikers, der im Frühling zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. Der Weg dahin ist in den Minsker Vereinbarungen aus dem Jahr 2015 festgelegt, die bisher nicht umgesetzt worden sind. Der Kreml, die von Moskau unterstützten ostukrainischen Separatisten und die Regierung in Kiew geben sich gegenseitig die Schuld dafür.

Gipfeltreffen im Normandie-Format hat es seit 2016 nicht mehr gegeben, weil Russland Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko als Blockierer einstufte und nicht mehr akzeptieren wollte. Nach dem Machtwechsel in Kiew zeigte sich Moskau gesprächsbereit, stellte jedoch Bedingungen für das Gipfeltreffen in Paris: ein Abzug von Truppen der ukrainischen Armee und der Separatisten an drei ausgewählten Orten sowie ein schriftliches Bekenntnis Kiews zu einem politischen Ansatz, den Moskau "Steinmeier-Formel" nennt. Gemeint sind Vorschläge des damaligen Bundesaußenministers Frank-Walter Steinmeier für einen Sonderstatus der Separatistengebiete. Die "Steinmeier-Formel" beschreibt, wann und wie ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten soll.

Ein Ukraine-Treffen im Normandie-Format fand zuletzt 2016 in Berlin stattBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Selenskyj hat Putins Bedingungen erfüllt und damit eine fundamentale Haltung seines Vorgängers aufgegeben: erst dauerhafte Waffenruhe - danach Truppenabzug. Es wird bis heute geschossen und fast täglich sterben ukrainische Soldaten. Die ukrainische Unterschrift unter der "Steinmeier-Formel" löste in der Ukraine eine Protestwelle aus. In sozialen Netzwerken drohten renommierte Aktivisten mit neuen Protesten vor dem Pariser Gipfel, sollte Selenskyj bei dem Treffen Putin zu weit entgegenkommen.

Was Selenskyj und Putin in Paris erreichen wollen

Sein Erscheinen in Paris ist für Selenskyj eine Premiere: Vor Jahren trat er als Schauspieler mit seiner Comedy-Truppe vor postsowjetischen Präsidenten auf, darunter dem damaligen Kremlchef Dmitri Medwedew. Nun begegnet er Putin als Präsident der Ukraine.

Für Kiew geht es in Paris vor allem um eine vollständige Waffenruhe und einen weiteren Austausch von Gefangenen, der offenbar immer wieder verschoben wird. Zuletzt gab es im September einen direkten Austausch zwischen Russland und der Ukraine, bei dem auch der in Russland zu 20 Jahren Haft wegen Terrorismus verurteilte Filmemacher Oleg Senzow freikam. Senzow äußerte sich vor dem Treffen skeptisch und warnte neulich im EU-Parlament vor einer Falle Putins, in die Selenskyj in Paris laufen könne. Auch Olena Serkal, bis vor kurzem stellvertretende Außenministerin der Ukraine, sagte in einem DW-Gespräch: "Ich habe Zweifel an der Ehrlichkeit von Putins Absichten."

Der Kremlchef steht weniger unter Druck als sein ukrainischer Kollege. Putins Ziel ist es, Kiew zu politischen Zugeständnissen zu bewegen. Dazu zählt das Gesetz über einen Sonderstatus für Separatisten, das Ende des Jahres ausläuft. Offenbar wird das bisherige Gesetz nochmals verlängert, bevor ein neues verabschiedet wird. Außerdem möchte Moskau Kiew direkte Gespräche mit Separatisten aufzwingen - damit will Russland sich als Vermittler darstellen, statt eine Konfliktpartei zu sein.

Das Hauptanliegen Putins dürfte jedoch sein, Wahlen in den Separatistengebieten voranzutreiben und deren Autonomie dadurch zu legitimieren. Wann und unter welchen Bedingungen Wahlen in Donezk und Luhansk möglich wären, ob die Ukraine zuvor die Kontrolle über die Grenze bekommen soll, darüber dürfte in Paris gestritten werden.

Der Gastransit durch die Ukraine 

Schließlich sorgt die ungelöste Frage des Gastransits nach Europa durch die Ukraine für zusätzliche Spannung beim Pariser Gipfel. Der bisherige Vertrag zwischen Moskau und Kiew läuft am 31. Dezember aus, Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen sind bisher gescheitert. Der Pariser Gipfel wird wohl eine der letzten Chancen sein, einen Lieferstopp doch noch zu vermeiden.

Hoffnung für die Ostukraine?

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