1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Warum Tschechien jetzt Rekordspenden für die Ukraine sammelt

Lubos Palata (aus Prag)
17. März 2025

Der Streit im Oval Office zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj hat in Tschechien eine Welle der Solidarität mit der Ukraine ausgelöst. Das zeigt sich vor allem bei der Spendenbereitschaft für Hilfe und Waffen.

Ein Black Hawk Militärhubschrauber steht auf einem Rollfeld. Auf dem Rumpf des Hubschraubers steht mit weißer Schrift "Čest Mír". Im linken Vordergrund des Bildes ist ein aufgedrucktes Emblem zu sehen, das ein eingepacktes Geschenk zeigt und die englische Aufschrift "Gift for Putin". Auf der rechten Seite ist die Internetadresse "weaponstoukraine.com" aufgedruckt
Mit Spendengeldern hat die Initiative "Ein Geschenk für Putin" einen gebrauchten Militärhubschrauber für den ukrainischen Geheimdienst gekauftBild: Geschenk für Putin-Initiative

Das Wortgefecht zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus am 28.02.2025 hat in Tschechien eine nie dagewesene Welle der Solidarität mit der Ukraine ausgelöst. Innerhalb weniger Tage gingen Hunderte von Millionen Kronen Spenden für das Land ein.

Die Hilfsbereitschaft ist nur vergleichbar mit der Hilfe nach dem Beginn der russischen Aggression vor drei Jahren. Und obwohl sich die Beziehungen zwischen den USA und der Ukraine inzwischen wieder beruhigt haben, reißt der Strom der Solidarität nicht ab. 

Die Tschechische Republik, die nach Deutschland und Polen die meisten ukrainischen Kriegsflüchtlinge aufgenommen hat (ca. 400.000), ist eines der aktivsten Länder Europas bei der Unterstützung der Ukraine und der Ukrainer. Seit Beginn des Kriegs haben tschechische Bürger umgerechnet fast dreihundert Millionen Euro gespendet.

Waffen für die Ukraine

Tschechen spenden jedoch nicht nur für humanitäre Hilfe, sondern auch direkt für Waffen. So überwiesen sie zu Beginn des Krieges Hunderte von Millionen Tschechische Kronen (CZK) auf ein Sonderkonto der ukrainischen Botschaft in Prag. Mit den eingehenden Geldern wurde der Kauf von Munition und Waffen für die ukrainische Armee, hauptsächlich aus tschechischer Rüstungsproduktion, finanziert.

Später begannen auch tschechische Non-Profit-Organisationen, Sammlungen zu organisieren. Besonders erfolgreich damit ist die Initiative "Ein Geschenk für Putin". Sie hat der ukrainischen Armee bisher 1500 Drohnen, 4500 Raketen sowie schwere Ausrüstung wie Raketenwerfer, Panzer und Militärhubschrauber geliefert. 

Streit im Oval Office: Der ukrainische Präsident Selenskyj (l.) und sein amerikanischer Gastgeber Trump am 28. Februar 2025Bild: Saul Loeb/AFP/Getty Images

Der Vorfall im Weißen Haus erneuerte nun die Spendenbereitschaft. "Bereits am ersten Tag nach dem Vorfall erhielten wir sieben Millionen Kronen, also rund 280.000 Euro", erklärt Jan Polak vom Projekt "Geschenk für Putin" gegenüber der DW. "Und in den folgenden Tagen erhielten wir das Zehn- und Zwanzigfache dessen, was wir in der vorangegangenen Zeit gewohnt waren."

Ein Panzer und ein Black Hawk Helikopter

Im Gegensatz zu vielen anderen Spenden-Initiativen weist "Ein Geschenk für Putin" deutlich darauf hin, dass mit den Spenden Waffen gekauft werden. "Wir sagen dies unmissverständlich: Der Kauf von Waffen und Munition für die ukrainischen Streitkräfte ist unsere Priorität", sagt Polak. "Wenn die Kämpfe aufhören, sind wir bereit, unsere Aktivitäten auf die Unterstützung des Wiederaufbaus der Ukraine zu konzentrieren."

Hinter der Organisation steht der Unternehmer Dalibor Dedek, der mit einem Vermögen von über 200 Millionen Euro zu den hundert reichsten Menschen in der Tschechischen Republik zählt. Er ist Eigentümer des Sicherheitsausrüsters Jablotron und steckte selbst zwei Millionen Euro in den Start der Initiative "Ein Geschenk für Putin".

Er sei stolz auf die Tschechen, sagt er im Gespräch mit der DW. "Ich bin stolz darauf, wie viele Menschen in unserem Land in die eigene Tasche greifen und Geld spenden, um der Ukraine zu helfen." Seine Organisation konnte bereits über eine Milliarde CZK (39 Millionen Euro) für Waffen und Munition für die Ukraine einsammeln. 

Mitarbeiter der Initiative "Ein Geschenk für Putin". Der Zweite von rechts ist der Gründer Dalibor DedekBild: Geschenk fr Putin-Initiative

Mit den Spendengeldern wurde ein T72-Panzer für rund 1,2 Millionen Euro angeschafft, gefolgt von 15 Geländewagen, die mit Waffen für den Abschuss russischer Drohnen und einem RM-70-Raketenwerfer ausgestattet sind. Nun ist es der Initiative gelungen, genügend Geld für den Kauf eines Sikorsky UH-60 Black Hawk-Hubschraubers für den ukrainischen Geheimdienst aufzubringen.

Dabei kauft die Initiative die Waffen nicht selbst. Sie leitet die Gelder an die ukrainische Botschaft in Prag weiter, die damit dann Waffen und Munition kauft. Dabei handelt es sich laut Polak größtenteils um Produkte tschechischer Waffenfabriken.

25.000 Nemesis-Drohnen 

Eine ähnliche Initiative ist die "Gruppe D. - Drohnen Nemesis". Sie wurde von einer Gruppe von tschechischen Modellbauern und Kriegsveteranen ins Leben gerufen.

Ihr Gesicht ist der bekannte tschechische Schauspieler Ondrej Vetchy. Unterstützt wird sie vom Generalstabschef der Armee, Generalleutnant Karel Rehka, und dem Chef des Militärbüros des tschechischen Präsidenten, Generalmajor Radek Hasala. Die Initiative sammelt Geld für hochspezialisierte Aufklärungsdrohnen für die ukrainische Armee. Sie konnte bereits zehn Millionen Euro einnehmen, was dem Preis von fast 25.000 Drohnen entspricht.

Die Reaktionen der Spender auf den Skandal im Oval Office seien überwältigend gewesen, sagte Martin Kroupa, eines der Mitglieder des Vereins, dem Tschechischen Rundfunk. "Wir sprechen von mehreren Zehntausenden Kronen an einem einzigen Abend."

Eine Quadcopter-Drohne im EinsatzBild: Countrypixel/picture alliance

Ein ähnlicher Anstieg der Unterstützung für die Ukraine wurde von "Mensch in Not" verzeichnet, der größten humanitären Organisation in Tschechien. In der Woche des Vorfalls im Weißen Haus erhielt deren SOS-Ukraine-Spendenkampagne 20 Millionen CZK (ca. 0,8 Mio. Euro): "Das ist 20 Mal mehr als in einer normalen Woche", erklärte Tomas Vyhnalek, der die Spendensammlung bei "Mensch in Not" leitet, dem Tschechischen Rundfunk.

US-Kürzungen bedrohen Arbeit von humanitären Organisationen

"Mensch in Not" leistet nicht nur in der Ukraine, sondern in der ganzen Welt humanitäre Hilfe, im Moment vor allem in Syrien und im Kongo. Dabei bekommt sie die verheerenden Auswirkungen zu spüren, die der weitgehende Stopp der amerikanischen Entwicklungshilfe mit sich bringt.

"Die Einstellung der meisten Hilfsmaßnahmen durch die US-Regierung gefährdet das Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt", schrieb Simon Panek, Direktor von "Mensch in Not", in einem Brief an die Spender.

"Menschen sterben ohne Nahrungsmittelhilfe, Kranke erhalten keine Medikamente, unterernährte Kinder haben keine Chance, gesund zu werden. Verteidiger von Menschenrechten und Freiheiten stehen von einem Tag auf den anderen ohne die notwendige Unterstützung da." 

Tschechen waren in ihrer Unterstützung für die Ukraine gespalten

Der Vorfall im Weißen Haus hat das tschechische Interesse an der Ukraine wieder verstärkt. Meinungsumfragen zufolge war es nach drei Jahren Krieg allmählich zurückgegangen. Laut einer Ende Januar durchgeführten Umfrage des Zentrums für Meinungsforschung (CVVM) interessierten sich zu diesem Zeitpunkt nur noch 43 Prozent der Tschechen für die Ereignisse in der Ukraine, 14 Prozent weniger als noch vor einem Jahr. 

58 Prozent der Tschechen waren der Meinung, dass die unpopuläre tschechische Regierung von Premierminister Petr Fiala der Ukraine und den Ukrainern zu viel hilft. Doch diese Bedenken waren offenbar vergessen, als der ukrainische Präsident im Weißen Haus gedemütigt wurde und die Tschechen mit ungewöhnlicher Spendenbereitschaft reagierten.

Favorit bei den Wahlen im Herbst ist die ANO-Bewegung von Andrej Babis, der die Hilfe für die Ukraine beschränken will und ein Ende des Kriegs in der Ukraine fordert, selbst unter Bedingungen, die für Kiew ungünstig sind. Doch ob Babis dafür in Tschechien auf Zustimmung stoßen wird, kann nach den neuesten Entwicklungen bezweifelt werden.

Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag