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Ukraine: Investoren hoffen auf neue Weichenstellungen

15. September 2005

Nach dem Machtwechsel in der Ukraine atmen viele Unternehmer auf. Denn die Wirtschaftspolitik der bisherigen Ministerpräsidentin Tymoschenko war umstritten. Nun wünschen sich Investoren stabile Verhältnisse.

Jurij Jechanurow, amtierender Premierminister der UkraineBild: dpa - Bildfunk

Präsident Wiktor Juschtschenko hat den als pragmatisch geltenden Ökonomen und bisherigen Gouverneur der Region Dnipropetrowsk, Jurij Jechanurow, mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Mit dieser Entscheidung will Juschtschenko auch sein Image als "Freund der Investoren" wiederherstellen. Viel Zeit bleibt ihm nicht, denn bereits im März nächsten Jahres finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt.

Die neue Regierung werde deshalb ein Übergangskabinett sein, meint Ricardo Giucci, Finanzexperte der deutschen Beratergruppe bei der Regierung in Kiew: "Diese Regierung hat aus meiner Sicht keine großen politischen Ambitionen und deswegen die Möglichkeit, die richtigen ökonomischen Entscheidungen zu treffen. Die wichtigsten Herausforderungen sind zwei: Zum einen die Wiederherstellung der makroökonomischen Stabilität und zum anderen die Verbesserung des Investitionsklimas."

Ausländische Unternehmen enttäuscht

Nach der politischen Wende hatten sehr viele große ausländische Unternehmen mit Neugier auf die Ukraine geblickt. Sie ist ein interessanter und großer Markt. Aber auch die Nähe zur EU, gut ausgebildete Arbeitskräfte und sehr niedrige Löhne machen das Land attraktiv.

ODW-Elektrik - ein deutscher Hersteller für elektronische Steuerungssysteme - produziert bereits seit zwei Jahren in der Ukraine. Michael Traud, Leiter der Außenstelle in der Westukraine, hatte sich vor dem Hintergrund des Machtwechsels bessere Bedingungen für ausländische Investoren erhofft: "Es war am Anfang eine große Euphorie, als Herr Juschtschenko an die Macht gekommen ist. Man hat sich erhofft, dass alles etwas einfacher wird, dass Investitionen leichter zu tätigen sind. Das hat sich als nicht richtig erwiesen. Was Investitionen anbetrifft, so ist es heute etwas schlechter als vorher."

Vertrauen zurückgewinnen

Der erhoffte Investitionsboom in der Ukraine ist ausgeblieben. Als eine Ursache nennt Ricardo Giucci von der deutschen Beratergruppe in Kiew die Reprivatisierungskampagne: So habe die Regierung Tymoschenko für Verunsicherung gesorgt, weil sie ohne klare Kriterien zweifelhafte Privatisierungen von Unternehmen in der Kutschma-Zeit zurücknehmen wollte.

Giucci empfiehlt deshalb der neuen Regierung: "Beim Investitionsklima ist sehr darauf zu achten, dass das Vertrauen der Investoren zurückgewonnen wird, sowohl der ukrainischen, als auch der ausländischen Investoren. Und dafür ist es dringend notwendig, dass diese nun sehr lange anhaltende und sehr negativ wirkende Diskussion um die Verstaatlichung beziehungsweise Reprivatisierung der großen Unternehmen klar beendet wird. Es muss einen Schnitt geben, wo der Staat verbindlich sagt, dass die Diskussion zu Ende ist".

Warnung vor populistischer Politik

Ein weiteres Problem, mit dem die neue Regierung in Kiew konfrontiert sein wird, ist die Inflation und das stark reduzierte Wirtschaftswachstum. Giucci weist darauf hin, dass im letzten Jahr Renten und Mindestlöhne der Mitarbeiter staatlicher Betriebe aus politischen Gründen mehrfach angehoben wurden. Damit habe die Regierung Tymoschenko eine populistische Politik fortgesetzt, für die bereits das Kabinett ihres Vorgängers von Finanzexperten kritisiert worden war. Der Experte der deutschen Beratergruppe warnt vor den Folgen dieser Politik: "Wir denken, dass eine weitere Erhöhung der Renten über die Inflationsrate hinaus die Finanzlage, aber auch die Stabilität des Landes insgesamt gefährden würde. Auch die Inflation würde dadurch steigen".

Kontinuität gefordert

Gerade die Inflation bereitet vielen ausländischen Produzenten große Sorgen. Denn schnell steigende Preise zwingen die Arbeitgeber zu Lohnerhöhungen. Aber gerade niedrige Löhne machen die Ukraine für Investoren interessant. Mit umgerechnet 80 Euro im Monat zahlt beispielsweise die ODW-Elektrik einem ukrainischen Arbeiter gerade einmal ein Drittel des Betrages, der im EU-Nachbarland Polen zu bezahlen wäre. Trotz vieler Schwierigkeiten will ODW-Elektrik den Standort Ukraine, an dem zurzeit etwa 140 Ortskräfte beschäftigt sind, im nächsten Jahr um weitere 50 Arbeitsplätze erweitern.

Von der ukrainischen Politik erwartet Michael Traud vor allem Kontinuität, die bislang fehlte: "Hier werden ganz schnell Gesetze gemacht - über Nacht. Am nächsten Tag kann man in einem Informationsblatt darüber lesen, wenn man eins zugestellt bekommt. Meistens sind sie aber vergriffen. In drei, vier Tagen erfährt man dann, dass es irgendeine Gegenklausel gibt, die dieses Gesetz dann wieder aufhebt. Da muss man sehr, sehr vorsichtig sein in der Ukraine."

Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 15.9.2005, Fokus Ost-Südost

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