"Wir müssen Deeskalation sehen"
10. Januar 2022"Es gibt einen Weg des Dialogs und der Diplomatie, um einige der Differenzen beizulegen", erklärte US-Außenminister Antony Blinken mit Blick auf Gespräche zwischen Regierungsvertretern der Vereinigten Staaten und Russland über den Ukraine-Konflikt. "Der andere Weg ist die Konfrontation", fügte er hinzu. Für Russland werde es aber "massive Konsequenzen" haben, wenn es "seine Aggression gegen die Ukraine wiederholt", warnte der amerikanische Chefdiplomat.
"Wenn wir also tatsächlich Fortschritte erzielen wollen, müssen wir Deeskalation sehen", betonte Blinken. Die Führung in Moskau müsse dafür die aktuell aufgebaute "Bedrohung" der Ukraine aufgeben. Blinken bezog sich damit auf den massiven russischen Truppenaufmarsch der vergangenen Wochen an der ukrainischen Grenze, um den es in den Verhandlungen an diesem Montag in Genf unter anderem gehen wird.
Die USA und auch die Europäische Union treibt die Sorge um, dass Russland einen Einmarsch in der benachbarten Ukraine vorbereitet. Dies wird vom Kreml vehement bestritten. Die russische Regierung wehrt sich ihrerseits gegen die Aufnahme weiterer osteuropäischer Länder in die NATO und verlangt eine Garantie, dass die Ukraine niemals Mitglied des westlichen Militärbündnisses wird. Eine entsprechende Zusage wollen die NATO und die USA aber nicht abgeben.
"Nicht mit ausgestreckter Hand"
Die Delegationen in Genf werden von den Vizeaußenministern der USA und Russlands angeführt. Noch vor Beginn der offiziellen Gespräche kamen Wendy Sherman und ihr russischer Kollege Sergej Rjabkow am Sonntagabend zu einem Arbeitsessen zusammen. Nach Angaben des Außenministeriums in Washington machte Sherman deutlich, dass die USA den Grundsätzen der Souveränität und der territorialen Integrität verpflichtet seien. Souveräne Staaten hätten die Freiheit, selbständig ihre Bündnisse zu wählen. Rjabkow bezeichnete die erste Begegnung mit Sherman als schwierig, aber professionell, wie die russische Agentur Interfax berichtete.
Zuvor hatte Rjabkow in einem Interview klargestellt: Russland gehe "nicht mit ausgestreckter Hand" in die Verhandlungen diese Woche, "sondern mit einer klar formulierten Aufgabe, die zu den von uns formulierten Bedingungen gelöst werden muss". Zugleich dämpfte er die Erwartungen: "Nach den Signalen, die wir in den vergangenen Tagen aus Washington und Brüssel vernommen haben, wäre es wohl naiv, einen Fortschritt - erst recht einen schnellen - vorauszusetzen."
Ein ranghoher US-Beamter sprach immerhin von einigen Bereichen, in denen nach Auffassung Washingtons durchaus "Fortschritte möglich sein könnten". So habe Russland unter anderem gesagt, "dass es sich durch die Aussicht auf offensive Raketensysteme in der Ukraine bedroht fühlt". Die USA strebten die Stationierung derartiger Systeme gar nicht an, versicherte der Regierungsmitarbeiter.
NATO hält an Beitrittsperspektive für Ukraine fest
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte in Brüssel, ein möglicher Beitritt der Ukraine zum westlichen Bündnis sei alleine die Entscheidung der Regierung in Kiew und der Mitgliedsstaaten der Allianz. Zugleich warnte Stoltenberg Russland nochmals vor einer militärischen "Aggression" gegen die Ukraine. Dies hätte unabsehbare politische und wirtschaftliche Folgen. Im Hinblick auf die anstehenden Gespräche mit russischen Vertretern sprach Stoltenberg von "einer wichtigen Woche für die Sicherheit Europas".
Nach den Gesprächen in Genf ist für Mittwoch eine Sitzung des NATO-Russland-Rates in Brüssel angesetzt - die erste seit zweieinhalb Jahren. Am Donnerstag soll es in Wien Gespräche im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) geben.
wa/ack (afp, dpa, rtr)