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Politik

Was können die Gespräche bewirken?

26. Januar 2022

In Paris wird auf Beraterebene über den Ukraine-Konflikt und die vom Westen befürchtete Invasion durch Russland gesprochen. Es gibt Hoffnung - aber auch Zweifel -, ob das Treffen im "Normandie-Format" etwas bewegen kann.

Russische Militär-Lastwagen in Belarus, in der Nähe der Ukraine. (Aufnahme vom 22. Januar 2022)
Russische Militär-Lastwagen in Belarus, in der Nähe der Ukraine. (Aufnahme vom 22. Januar 2022)Bild: AP/picture alliance

Russlands Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine lässt US-Präsident Joe Biden zu deutlichen Worten greifen. Es könnte die "größte Invasion seit dem Zweiten Weltkrieg" werden und "die Welt verändern", sagt Biden. Zugleich versucht der Westen, Russlands Präsident Wladimir Putin klar zu machen, welche Folgen ein Einmarsch in die Ukraine haben würde. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron warnte Putin: "Der Preis wäre sehr hoch."

Zumindest ein Teil der westlichen Staats- und Regierungschefs hofft nun, mit den heute beginnenden Gesprächen in Paris in der Sache noch etwas bewegen zu können. Erstmals seit Beginn der aktuellen Spannungen kommen dort offizielle Vertreter beider Konfliktländer zusammen. Auch Deutschland und Frankreich sollen an den Gesprächen auf Beraterebene im sogenannten "Normandie-Format" teilnehmen und vermitteln.

Letzte Gesprächsrunde in diesem Format vor drei Jahren

Die Gesprächsrunden wurden in dieser Form schon 2014 aus der Taufe gehoben - es ging dabei um die Befriedung des Konflikts in der Ostukraine. Die Vermittlung durch Berlin und Paris führte zum Minsker Abkommen von 2015. Kiew und Moskau werfen sich allerdings gegenseitig regelmäßig Verstöße gegen dieses vor; seit 2019 fanden die Gespräche im "Normandie-Format" nicht mehr statt.

Die Normandie-Runde im Dezember 2019. Damals mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Deutschlands damaliger Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Russlands Präsident Wladimir Putin (von links).Bild: Alexei Nikolsky/TASS/picture alliance

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte vor den Gesprächen, man erwarte von Russland eindeutige Schritte, die zu einer Deeskalation beitragen würden. Es soll um humanitäre Maßnahmen und Zukunftsüberlegungen der Ukraine gehen. Außerdem wolle man ein Datum finden, an dem die Ukraine mit den kremltreuen Separatisten über einen Sonderstatus für die Region Donbass verhandelt.

"Situation, in der alles passieren kann"

Der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, zeigte sich grundsätzlich erfreut, dass es wieder zu Gesprächen kommt. Nach Einschätzung des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba ist im Konflikt mit Russland nun alles möglich. "Wir befinden uns buchstäblich in einer Situation, in der alles passieren kann", sagte Kuleba im Interview mit dem Sender CNN.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba (rechts) bei einer Pressekonferenz mit Deutschlands Außenministerin Baerbock am 17. Januar 2022.Bild: Janine Schmitz/photothek.de/picture alliance

Wenn Russland bereit sei, ohne Hintergedanken zu handeln, bestehe die Möglichkeit, den Verhandlungsraum zu verlassen und zu sagen, dass man eine Vereinbarung getroffen habe. Der ukrainische Außenminister betonte zugleich die Eigenständigkeit seines Landes. Man werde in dem Konflikt nicht einfach den Anweisungen einer Großmacht folgen.

Polen: "Wollen keinen Shop voller Gesprächsformate"

r Deutschland ist die Gesprächsrunde von besonderer Bedeutung. Es ist der Ort, an dem Deutschland versucht, seine Rolle bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts auszuspielen. Allerdings gibt es auch von westlichen Partnern Bedenken angesichts dieses Gespräch-Formats, vor allem seit sich die USA in den Konflikt eingeschaltet haben und direkt mit Russland reden.

So heißt es beispielswiese vom polnischen Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sek: "Wir können es uns nicht leisten, Russland einen ganzen Shop voller Gesprächsformate anzubieten, und Moskau kann sich dann eins aussuchen." Polen sehe nur drei Formate, die von Bedeutung seien: Der bilaterale Dialog zwischen den USA und Russland, der Dialog der NATO mit Russland und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Das Normandie-Format zähle für Polen nicht dazu. Und der Vize-Außenminister fügt hinzu: "Welche Fragen kann man jetzt im Normandie-Format lösen, die dort seit Jahren nicht gelöst worden sind?"

Zweifel an der Zuverlässigkeit Deutschlands

Zudem spielt im Hintergrund noch eine weitere Frage eine Rolle: Wie sehr kann man sich auf Deutschland als neutralen Partner verlassen? So wächst die Kritik am deutschen Kurs gegenüber Russland vor allem unter den Verbündeten im Osten der EU. Eine Kernfrage ist für sie: Wie verlässlich ist im Ukraine-Konflikt ein Land wie Deutschland, das Milliardengeschäfte mit Russland im Energiesektor macht? Und dessen letzter SPD-Kanzler Gerhard Schröder davon profitiert und ein treuer Freund des russischen Präsidenten Putin ist?

Der frühere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder (rechts) gilt als Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin. (Archivbild von 2018)Bild: Alexei Druzhinin/Sputnik/Kremlin/picture alliance

Dass der inzwischen zurückgetretene Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach jüngst Verständnis für Putin geäußert hat, passte für viele nur zu gut ins Klischee von Deutschland als "Russland-Versteher". Auch in den USA gibt es Zweifel daran, ob man in der Ukraine-Krise mit Deutschland rechnen kann. Je stärker der Konflikt eskaliert, desto mehr sieht sich die US-Regierung kritischen Fragen von Journalisten nach der Rolle der Bundesrepublik in der Krise ausgesetzt.

Welle Rolle spielt "Nord Stream 2"? 

Ein Grund dafür ist auch die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2. Sie soll Erdgas direkt von Russland nach Deutschland bringen - bisher wird dieses Gas über Leitungen transportiert, die durch die Ukraine führen. Im Konfliktfall könnte die Ukraine den Erdgastransport blockieren und damit Russland nicht nur Ärger mit den Handelspartnern im Westen bescheren, sondern Präsident Putin auch von für ihn wichtigen Einnahmen abschneiden.

Röhren für die Erdgaspipeline "Nord Stream 2". Die Pipeline ist inzwischen fertig gestellt - aber immer noch nicht in Betrieb.Bild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

Beobachter fürchten: Sobald Nord Stream 2 in Betrieb ist, gibt es für Russland einen Grund weniger, den Konflikt mit der Ukraine friedlich beizulegen. Auch deshalb spielt die Pipeline im Hintergrund bei den Gesprächen jetzt in Paris eine Rolle. Die klare Erwartung der USA ist es, dass ein russischer Einmarsch in die Ukraine das Aus für Nord Stream 2 bedeuten muss.

bru/sti (dpa / afp)

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