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KonfliktePolen

Ukraine-Krieg: "Akt der Aggression" gegen Polen

Veröffentlicht 10. September 2025Zuletzt aktualisiert 10. September 2025

Inmitten einer russischen Angriffswelle gegen die Ukraine verletzte eine größere Zahl an Drohnen den Luftraum Polens. Die Armee des NATO-Staates reagierte prompt. Russland bestreitet jegliche Absicht.

Polen Warschau 2025 | Ministerpräsident Donald Tusk mit Kabinettsmitgliedern bei einer Krisensitzung seiner Regierung
Premier Donald Tusk (M.) berief seine Regierung zu einer Krisensitzung einBild: Chancellery of the Prime Minister/AP Photo/dpa/picture alliance

Während russischer Angriffe auf die Ukraine hat Polens Luftwaffe Drohnen zerstört, die in den Luftraum des NATO-Landes eingedrungen waren. Das Oberkommando der Streitkräfte sprach von einem "Akt der Aggression". Die polnische Armee wurde von niederländischen Piloten in Tarnkappenjets unterstützt.

Nach Angaben der Regierung in Warschau stammen die Drohnen aus Russland. Polens Ministerpräsident Donald Tusk bewertete das als "Provokation großen Ausmaßes". Dies sei "der erste Fall, in dem russische Drohnen über dem Gebiet eines NATO-Staates abgeschossen wurden, weshalb alle unsere Verbündeten die Situation sehr ernst nehmen", sagte Tusk nach einer Krisensitzung der Regierung in Warschau. "Wir müssen uns ohne Zweifel auf verschiedene Szenarien vorbereiten."

Tusk: Drohnen kamen auch aus Belarus

Laut Tusk wurden in der Nacht zum Mittwoch insgesamt 19 Luftraum-Verletzungen registriert. Ein Großteil der Drohnen sei von Belarus aus nach Polen eingedrungen, berichtete er im Parlament in Warschau. Drei Drohnen seien abgeschossen worden, wahrscheinlich auch eine vierte. Im ostpolnischen Ort Wyriki wurde das Dach eines Wohnhauses von Trümmern einer Drohne getroffen. Verletzt wurde niemand. Vier Flughäfen in Polen stellten vorübergehend ihren Flugbetrieb ein, mittlerweile haben sie wieder geöffnet.

Russische Drohnen über Polen abgeschossen

14:52

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"Die Tatsache, dass diese Drohnen, die eine Sicherheitsgefährdung darstellten, abgeschossen wurden, ändert die politische Situation", betonte Polens Premier. Deshalb beantrage sein Land formell Konsultationen gemäß Artikel 4 des NATO-Vertrags. Der Artikel sieht Beratungen mit den Verbündeten vor, wenn sich ein Mitglied des Bündnisses gefährdet sieht.

"Von ihrer Flugbahn abgekommen"

Auch Belarus, ein enger Verbündeter Russlands, gab an, Drohnen in seinem Luftraum abgeschossen zu haben. Die Drohnen seien aufgrund von Stör- oder Abfangmanövern der Ukraine und Russlands "von ihrer Flugbahn abgekommen", verlautete aus Minsk.

Das russische Verteidigungsministerium bestritt gezielte Attacken auf Polen. "Es bestand nicht die Absicht, Ziele auf polnischem Staatsgebiet anzugreifen", teilte das Ministerium in Moskau mit. Eine Verletzung des polnischen Luftraums durch russische Drohnen wurde in dem Statement weder bestätigt noch dementiert. Der russische Geschäftsträger in Warschau, Andrej Ordasch, wurde mit den Worten zitiert: "Wir betrachten die Anschuldigungen als haltlos." Polen habe bislang keine Beweise für eine russische Herkunft der Drohnen vorgelegt.

Kallas und Selenskyj: Kein Versehen

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte hingegen: Es gebe "Anzeichen, dass es absichtlich war, nicht aus Versehen". Es handele sich um die "schwerwiegendste Verletzung des europäischen Luftraums durch Russland seit Kriegsbeginn", fügte Kallas hinzu. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, versicherte bei einer Rede im EU-Parlament in Straßburg: "Europa steht Polen in voller Solidarität bei."

Trümmerteil einer bei Zamosc abgeschossenen DrohneBild: TVN/REUTERS

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte eine starke Reaktion ein. Er sprach von einem "äußerst gefährlichen Präzedenzfall für Europa". Es mehrten sich Hinweise, dass der Vorfall kein Zufall war, schrieb ebenso der ukrainische Präsident in sozialen Medien. Kremlchef Wladimir Putin werde nicht aufhören, "den Westen zu testen", solange er "keine entschiedene Antwort" auf die Aggressionen Russlands erhalte, ergänzte der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha. 

"Stehen in der NATO zusammen"

Bundeskanzler Friedrich Merz verurteilte das Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum "auf das Schärfste". "Russland hat Menschenleben in einem Staat gefährdet, der der NATO und der EU angehört", erklärte Merz nach Angaben seines Sprechers. Es sei gut, "dass Polen zusammen mit den NATO-Verbündeten diese Gefahr rechtzeitig erkennen und ausräumen konnte".

Auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul verurteilte den Vorfall: "Russland hat damit leichtfertig eine gefährliche Eskalation in Kauf genommen", sagte Wadephul bei einem Treffen mit seinem niederländischen Kollegen David van Weel in Berlin. Die Reaktion des Westens habe gezeigt: "Wir stehen in der NATO zusammen." Weel nannte die Verletzung des polnischen Luftraums "inakzeptabel".

Johann Wadephul (r.): Es müsse geprüft werden, "was geschehen ist, mit welcher Intention es geschehen ist"Bild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius unterstrich: "Das hat nach Einschätzung aller Experten eine neue Qualität." Es sei das erste Mal, dass eine derart große Anzahl von Drohnen zeitgleich in den NATO-Luftraum eingedrungen sei. Die Antwort des Bündnisses werde klar sein, aber auch sehr besonnen. "Wir setzen auf Stärke und Geschlossenheit, aber wir lassen uns eben nicht provozieren."

Das EU-Mitglied Polen ist ein wichtiger politischer und militärischer Verbündeter der Ukraine, an die es direkt angrenzt. Der Nachbarstaat Deutschlands hat eine zentrale Funktion als logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens.

Polen fühlt sich auch selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf. Das Land ist in erhöhter Alarmbereitschaft, seit im Jahr 2022 eine verirrte ukrainische Rakete in einem Dorf im Süden Polens einschlug und zwei Menschen tötete.

wa/se (dpa, afp, rtr)

Redaktionsschluss: 17.00 Uhr (MESZ) - dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert.

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