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PolitikEuropa

Ukraine-Krise: Sängerin zwischen den Fronten

Daniel Heinrich
17. Februar 2022

Die Ukraine-Krise wirft ihren Schatten auch auf die Welt der Musik: Die ukrainische Sängerin Alina Pash hat ihre Teilnahme am Eurovision Song Contest abgesagt. Grund: Öffentliche Schmähungen wegen eines Krim-Besuchs.

Eurovision Song Contest 2022 Ukraine - Alina Pash
Die ukrainische Sängerin Alina PashBild: Suspilne - Public Broadcasting Company of Ukraine

Am vergangenen Samstag schien für die ukrainische Sängerin Alina Pash ein Karrieretraum in Erfüllung zu gehen: Beim nationalen Vorausscheid für den Eurovision Song Contest (ESC) hatte sich die 28-Jährige mit einer fulminanten Performance ihres Songs "Tini Zabutykh Predkiv" (Schatten vergessener Vorfahren) Platz eins und damit die Teilnahme am diesjährigen ESC im Mai in Turin gesichert. Der ESC zählt mit rund 180 Millionen Zuschauern jedes Jahr zu den größten Musikwettbewerben weltweit. Nun folgte jedoch die Kehrtwende: Mit einem emotionalen Statement wandte sich die Künstlerin via Instagram an ihre Follower und sagte ihre Teilnahme am Musikwettbewerb ab. Zwar sei ihr der Schritt schwer gefallen, aber den um sie ausgebrochenen "schmutzigen Kampf" wolle sie nicht weiter mitspielen, den "virtuellen Krieg und den Hass" wolle sie nicht länger aushalten.

Kontroverse um Krim-Reise

Was war passiert? Kurz nach ihrem Triumph war bekannt geworden, dass die Künstlerin 2015 auf die Krim gereist war. Eine Reise auf die von Russland seit 2014 völkerrechtswidrig annektierte Halbinsel ist zwar in der Ukraine nicht per se illegal, allerdings braucht man dafür besondere Reisedokumente. In den vergangen Tagen waren Vorwürfe laut geworden, dass Pash mit gefälschten Dokumenten dorthin gereist war. Die Verwirrung war noch gestiegen, weil Pash zunächst behauptete, sie sei per Flugzeug über Moskau auf die Krim gereist - was nach den ukrainischen Regeln illegal wäre -, dann jedoch mitteilte, sie habe die beschwerlichere Route mit dem Bus über den Landweg benutzt und sei ausschließlich aus privaten Gründen hingefahren.

Alina Pash bei ihrem Auftritt am vergangenen Wochenende Bild: Evgen Kotenko/Avalon/Photoshot/picture alliance

Zwar war die Sängerin daraufhin bis zur Klärung der genauen Umstände vom öffentlich-rechtlichen Sender UA:PBC "suspendiert" worden, das half allerdings wenig, um die Volksseele zu beruhigen. In den Sozialen Netzwerken wurde die Künstlerin unter dem Hashtag #AlinaPash tausendfach als Landesverräterin gebrandmarkt und beleidigt. Die Parlamentsabgeordnete Viktoria Sjumar von der Partei "Europäische Solidarität" meldete sich auf ihrer Facebook-Seite zu Wort: Dass Alina Pash auf die Teilnahme am Eurovision Song Contest verzichtet habe, sei richtig. "Das Land kann sich heute ganz sicher nicht leisten, Lügen zu tolerieren. Schon gar nicht irgendwelche Spielchen mit dem Aggressor Russland", schrieb die bekannte Medienexpertin, die eine der Mitbegründerinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Ukraine war.

"Kultur ist eine der Fronten"

Der landesweit bekannte Musikproduzent und Fernsehmoderator Igor Kondratjuk schaltete sich ebenfalls in die Debatte ein und hielt via Online-Zeitung "Ogljadatsch" mit Kritik an Pash ebenfalls nicht hinter dem Berg:  "Ich weiß nicht, wie sie überhaupt zur Auswahl zugelassen wurde, wenn sie so etwas wie illegale Grenzübertritte erlaubt. Mit Ruhm hat sie sich damit sicher nicht bekleckert." Mit Blick auf Russland fügte er hinzu: "Entweder wir kämpfen mit dem Aggressor oder tun so, als würden wir kämpfen. Kultur ist eine der Fronten. Wer das nicht versteht, sollte sich etwas Intelligenz beschaffen".

Fast jährlich grüßt das Murmeltier

Wie sehr die angespannten Beziehungen zwischen Moskau und Kiew den ESC politisieren, wird nicht nur an der Kontroverse um Alina Pash deutlich. 2019 hatte die Siegerin Maruv (Hanna Korsun) ihre Teilnahme am ESC abgesagt nachdem der ukrainische Rundfunkrat von ihr unter anderem einen Verzicht auf Konzerte in Russland verlangt hatte. Im selben Jahr waren die von der Krim stammenden ukrainischen Sängerinnen Anna und Maria Opanasjuk zur Zielscheibe der Kritik geworden, weil sie die Frage, wem die Krim gehöre, nicht eindeutig beantwortet hatten. 2017 hatte die Ukraine der russischen Sängerin Julia Samoylova die Einreise verweigert, weil Samoylova auch auf der Krim aufgetreten war. Für den prominentesten Aufreger sorgte  2016 die Krimtatarin Dschamallah. Sie gewann den ESC mit ihrem Titel "1944". Dieser spielt auf die Deportation der Krimtataren unter Josef Stalin in der Sowjetunion an.

Die ukrainische Sängerin Hannah Korsun, hier bei einem Auftritt 2021 in MoskauBild: Vyacheslav Prokofyev/dpa/TASS/picture alliance

Nach der ganzen Aufregung der vergangenen Tage scheint den Organisatoren des öffentlichen Rundfunks in Kiew nun jedoch offenkundig sehr daran gelegen, die aufgeheizte Stimmung wieder zu beruhigen. Nur einen Tag nach dem Rückzug Pashs gab eine Kommission des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bekannt, dass die zweitplatzierte Band "Kalush Orchestra" mit dem Song "Stefania" die Ukraine im Mai in Turin vertreten werde. Eine sehr gute Entscheidung, findet die Parlamentsabgeordnete Viktoria Sjumar: "Ich freue mich für die Band "Kalush". Sie haben ein tolles Lied und ich glaube, Europa wird unser inniges Folk-Rap zu schätzen wissen. In diesem Fall haben Gerechtigkeit und Wahrheit gewonnen".

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