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KonflikteUkraine

Ukraine: Lambsdorff sieht Friedenschancen skeptisch

Veröffentlicht 2. August 2023Zuletzt aktualisiert 2. August 2023

Der künftige deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, erwartet keine raschen Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau. Die Ukraine und Polen bestellen ihre Botschafter ein. Ein Nachrichtenüberblick.

Bundesakademie für Sicherheitspolitik BAKS | Alexander Graf Lambsdorff
Alexander Graf Lambsdorff wird bald nach Moskau übersiedelnBild: Dmytro Katkov/DW

Das Wichtigste in Kürze:

  • Lambsdorff: So schnell keine Friedensgespräche zwischen Kiew und Moskau
  • Drohnenangriffe auf Odessa und Kiew
  • Erdogan fordert Russland zur Vermeidung von Eskalation auf
  • Neue Brandanschläge auf russische Musterungsstellen
  • Baltikum will raus aus russischem Stromnetz

 

Der künftige deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, erwartet nicht, dass es demnächst zu Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommt. "Ich wünschte mir, dass sie auf der Tagesordnung stünden, aber zurzeit sehe ich bei beiden Kriegsparteien die Einstellung, dass man militärisch noch mehr erreichen kann, um bessere Voraussetzungen für Verhandlungen zu schaffen", sagte Lambsdorff dem "Bonner General-Anzeiger".

Zum Montag nächster Woche wird der bisherige FDP-Politiker sein Bundestagsmandat aufgeben, Mitte August wechselt der 56-Jährige dann nach Russland. Der Stimme Deutschlands komme in Moskau durchaus Gewicht zu, betonte Lambsdorff, denn es gebe jahrhundertelange Beziehungen. "Aber wir sollten nicht wieder der Versuchung erliegen, als Soloakteur aufzutreten und Sonderwege zu beschreiten", mahnte Lambsdorff. Die Bundesrepublik sei Teil des Westens, der EU und der NATO.

Die Haltung der Bundesregierung sei, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führe, sagte der künftige Botschafter. Das werde er im Gespräch mit der russischen Seite vertreten - "zwar diplomatisch, aber auch so klar, dass es da keine Missverständnisse geben kann", betonte Lambsdorff.

Sein Dienstantritt fällt in eine Phase, in der die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland auf einem Tiefpunkt sind. Der Botschafterposten in Moskau gilt derzeit als einer der schwierigsten, den das Auswärtige Amt zu vergeben hat. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatten beide Länder gegenseitig mehrfach diplomatisches Personal ausgewiesen.

Lambsdorff gilt international als bestens vernetzt. Von 2004 bis 2017 war er für die FDP Mitglied im Europaparlament, von 2014 bis 2017 war er auch dessen Vizepräsident. Seit 2017 ist Lambsdorff Mitglied des Bundestags.

Drohnenangriffe auf Odessa und Kiew

Bei russischen Drohnenangriffen ist nach ukrainischen Angaben Hafeninfrastruktur in der südukrainischen Region Odessa beschädigt worden. Die ukrainische Armee erklärte, Schahed-136-Drohnen aus iranischer Produktion abgefangen zu haben, die mit dem Ziel der Region Odessa vom Asowschen Meer aus über das Schwarze Meer abgefeuert worden seien.

Eine explodierende Drohne über der ukrainischen Hauptstadt KiewBild: GLEB GARANICH/REUTERS

Auch wurde Behörden zufolge die Hauptstadt Kiew in der Nacht aus verschiedenen Richtungen mit Drohnen beschossen. Demnach kam es bei den Angriffen zwar zu Schäden, Opfer wurden aber nicht bekannt. 

Die russischen Streitkräfte beschossen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Kiew auch den Hafen Ismajil an der Donau. Dabei sei ein Getreidesilo beschädigt worden, teilte das Ministerium auf der Nachrichtenplattform X (früher Twitter) mit. 

Erdogan fordert Russland zur Vermeidung von Eskalation auf

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den russischen Staatschef Wladimir Putin dazu aufgerufen, jede Eskalation im Konflikt mit der Ukraine um das Schwarze Meer zu vermeiden. Bei einem Telefongespräch betonte Erdogan nach Angaben seines Büros, das Getreideabkommen sei "eine Brücke für den Frieden". Putin bat die Türkei in dem Gespräch nach Angaben des Kremls um Unterstützung beim Export von russischem Getreide in afrikanische Länder.

Bei dem Telefonat habe der türkische Präsident dem russischen Staatschef gesagt, "es sollten keine Schritte unternommen werden, mit denen die Spannungen im Russland-Ukrainekrieg eskalieren" könnten, teilte das türkische Präsidialamt mit. Erdogan habe die Bedeutung des von der Türkei und den UN ausgehandelten Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine unterstrichen und betont, dass es sich weiter dafür einsetzen werde, dass das Abkommen wieder in Kraft tritt.

Die Vereinbarung hatte es der Ukraine erlaubt, Getreide über ihre Schwarzmeer-Häfen zu exportieren. Die Einigung zerbrach im vergangenen Monat, als Moskau sich von dem Abkommen zurückzog. Russland will nur zu dem Abkommen zurückkehren, wenn seine Bedingungen erfüllt werden.

Neue Brandanschläge auf russische Musterungsstellen

In Russland sind erneut Wehrämter und Einberufungsstellen Ziele von Brandanschlägen geworden. In der Nähe von St. Petersburg griff ein 76-Jähriger in Wsewoloschsk eine solche Militäreinrichtung mit Molotow-Cocktails an, wie das Internetnachrichtenportal Fontanka.ru berichtete. Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigte den Angriff auf die Fassade und die geparkten Autos vor dem örtlichen Militärkommissariat. Berichte über ähnliche Brandanschläge gibt es aus St. Petersburg, Moskau und Ischimbaj nahe der russisch-kasachischen Grenze.

Schätzungen russischer Regierungsgegner zufolge gab es seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine über 130 Brandanschläge auf Regierungs- und Militärobjekte in Russland, davon 30 allein seit dem Wochenende. Es wird vermutet, dass die Angst in der russischen Gesellschaft vor einer neuen Mobilmachung ausschlaggebend für den deutlichen Anstieg derartiger Anschläge ist.

Baltikum will raus aus russischem Stromnetz

Estland, Lettland und Litauen wollen ihre bislang ans russische Energiesystem gekoppelten Stromnetze im Februar 2025 mit dem übrigen Kontinentaleuropa synchronisieren. Darauf einigten sich die Netzbetreiber der drei Staaten, wie das litauische Energieministerium mitteilte.

Die Vereinbarung soll in den kommenden Tagen von den Regierungschefs der drei EU- und NATO-Länder gebilligt werden. Sie sehe auch vor, dass sich die drei Staaten ein halbes Jahr vor der Synchronisierung gemeinsam aus dem entsprechenden Vertrag mit russischen und belarussischen Netzbetreibern zurückziehen.

Die Baltenstaaten haben vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Noch aber sind sie weiter Teil eines gemeinsamen, synchrongeschalteten Stromnetzes mit Russland und Belarus - des aus Sowjetzeiten stammenden sogenannten Brell-Ringsystems. Damit hängen die Staaten faktisch am Netz der beiden Nachbarländer und sind bei der Aufrechterhaltung der Stabilität ihrer Stromsysteme weiter auf Russland angewiesen - dies gilt als Sicherheitsrisiko.

Streit um Dankbarkeit: Ukraine und Polen bestellen Botschafter ein

Im Streit um Äußerungen eines polnischen Staatssekretärs haben die Ukraine und Polen gegenseitig ihre Botschafter einbestellt. Der außenpolitische Berater von Polens Präsident Andrzej Duda, Marcin Przydacz, hatte am Montag im Fernsehen Importbeschränkungen für ukrainische Agrarprodukte verteidigt – und in diesem Zusammenhang mehr Dankbarkeit von Kiew gefordert. "Die Ukraine sollte damit beginnen, das zu schätzen, was Polen für sie getan hat", sagte er. Daraufhin wurde am Dienstag in Kiew der polnische Botschafter einbestellt. Ihm wurde übermittelt, die Äußerungen von Przydacz seien "inakzeptabel".

Er löste das diplomatische Tauziehen aus: Polens Präsidentenberater Marcin PrzydaczBild: Marian Zubrzycki/PAP/picture alliance

Die Regierung in Warschau, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als 17 Monaten als einer der wichtigsten Unterstützer und engsten Partner Kiews gilt, reagierte daraufhin verärgert. "In der internationalen Politik darf es unter Kriegsbedingungen und unter Berücksichtigung der riesigen Unterstützung Polens für die Ukraine nicht zu solchen Fehlern kommen", schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf Twitter. Polen bestellte seinerseits den ukrainischen Botschafter in Warschau ein.

Am Dienstagabend schlug der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wieder versöhnlichere Töne an: "Wir werden nicht zulassen, dass irgendwelche politischen Momentaufnahmen die Beziehungen zwischen dem ukrainischen und dem polnischen Volk zerstören", betonte er. "Die Emotionen sollten auf jeden Fall abkühlen."

Hintergrund der Debatte und der Äußerung von Przydacz ist der polnischer Einfuhrstopp für das billigere ukrainische Getreide. Polen will so die Getreide-Preise für die eigenen Landwirte stabil halten. Der Importstopp gilt nicht für den Transit ukrainischer Agrarprodukte in Drittländer.

Polen will seine Truppen an Grenze zu Belarus aufstocken

Polen hat eine Verstärkung seiner Truppen an der Grenze zu Belarus angekündigt. Das Verteidigungsministerium in Warschau verweist zur Begründung auf zwei belarussische Hubschrauber, die den polnischen Luftraum verletzt hätten. Man schicke "zusätzliche Kräfte und Ressourcen, einschließlich Kampfhubschrauber". Ein Ministeriumssprecher fügte hinzu, dass man die NATO über die Grenzverletzung informiert habe. Der belarussische Geschäftsträger sei vorgeladen worden, um eine Erklärung abzugeben.

Bereits Anfang Juli verlegte Polen zusätzliche Militäreinheiten an die Grenze zu BelarusBild: 12 Brygada Zmechanizowana/Handout/REUTERS

Das Verteidigungsministerium in Minsk erklärte dagegen auf Telegram, es habe keine Grenzverletzungen durch Hubschrauber gegeben. Die Vorwürfe seien "weit hergeholt". Polen benutze sie nur als Vorwand für eine Truppenverstärkung.

Ukraine entfernt Hammer und Sichel von Riesenstatue in Kiew

Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs ist in der ukrainischen Hauptstadt Kiew das Sowjetemblem von der riesigen Mutter-Heimat-Statue abmontiert worden. Auf Fotos ist zu sehen, wie Arbeiter weit oben an dem mehr als 100 Meter hohen Monument Hammer und Sichel entfernten. Sie sollen nun durch den Dreizack, das Staatswappen der Ukraine, ersetzt werden. Bis zum 32. Jahrestag der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung am 24. August sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.

Sowjetische Insignien an der Riesenstatue in Kiew werden demontiertBild: kyodo/dpa/picture alliance

Die Frauenfigur mit Schild und Schwert selbst ist 62 Meter hoch und damit die höchste Statue Europas sowie knapp 16 Meter höher als die Freiheitsstatue in New York. Das gesamte Monument mit Sockel hat eine Höhe von 102 Metern und wiegt fast 500 Tonnen. Die Stahlstatue überblickt die Hauptstadt der Ukraine von einem Park am Fluss Dnipro aus. 1981, also noch zu Sowjetzeiten, wurde der Museumskomplex mit der Statue anlässlich des Tags des Sieges über Hitlerdeutschland eingeweiht. Die Statue ist Teil des Nationalen Museums der Geschichte der Ukraine im Zweiten Weltkrieg. Laut Museumsdirektor Juri Sawtschuk soll die Statue in "Mutter Ukraine" umbenannt werden.

Ein Teils des Ährenkranzes an der Statue ist schon abgebautBild: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Die Entfernung von Hammer und Sichel vom Schild der Figur ist Teil einer Kampagne, Sowjetsymbole und russische Kultur aus dem öffentlichen Raum der Ukraine zu verbannen. Russlands Invasion im Februar 2022 hat diesen Prozess beschleunigt. Im vergangenen Jahr hatte sich bei einer Umfrage eine deutliche Mehrheit der Ukrainer für die Entfernung der Sowjetsymbolik an dem Wahrzeichen Kiews ausgesprochen.

Isländische Botschaft in Moskau stellt Betrieb ein

Die Botschaft Islands in Moskau hat ihren Betrieb geschlossen. Das teilte die Regierung des kleinen Inselstaats mit. Die Botschaft in Moskau war auch für Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Moldau, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan zuständig. Die Vertretung in diesen Ländern wird künftig vom isländischen Außenministerium in Reykjavik übernommen.

Die Entscheidung bedeute aber keine Einstellung der diplomatischen Beziehungen, betonte das Außenministerium. Sobald die Bedingungen es erlaubten, werde Island dem Betrieb der Botschaft in Moskau wieder Priorität einräumen. Die vorübergehende Schließung der isländischen Botschaft war bereits im Juni angekündigt worden. Begründet hatte Außenministerin Thórdís Kolbrún Gylfadóttir das mit einem historischen Tiefstand der Beziehungen zu Russland. Die Aufrechterhaltung des Botschaftsbetriebs lasse sich daher nicht länger rechtfertigen. Außerdem forderte Gylfadóttir Russland auf, seinen Botschaftsbetrieb in der isländischen Hauptstadt Reykjavik einzuschränken.

qu/AR/nob/sti/kle/bru (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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