Ukraine: Neue Regierung, neuer Kurs?
18. Juli 2025
Mitten im Krieg wurde in der Ukraine ein Großteil der Regierungsmannschaft ausgetauscht. Am 17. Juli billigte das Parlament in Kyjiw das neue Kabinett. An seiner Spitze steht nun Julija Swyrydenko, die zuvor stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin war. Der frühere Premier Denys Schmyhal übernimmt in der neuen Regierung den Posten des Verteidigungsministers.
Präsident Wolodymyr Selenskyj war am Donnerstag persönlich ins Parlament gekommen, um die neue Regierungschefin vorzustellen. "Die Ukraine muss stärker werden. Wir verändern die Verwaltung im Verteidigungsbereich und die Waffenproduktion. So wollen wir in sechs Monaten den Anteil ukrainischer Waffen, die unseren Soldaten zur Verfügung stehen, deutlich erhöhen. Derzeit sind etwa 40 Prozent aller von uns genutzten Waffen aus ukrainischer Produktion. In sechs Monaten sollen es mindestens 50 Prozent sein", sagte Selenskyj im Parlament vor der Abstimmung über die neue Regierung.
Von einer Beamtin zur Regierungschefin
Nach ihrer Ernennung erklärte Julia Swyrydenko, die Regierung setzte sich unter ihrer Führung zum Ziel, dass sich die Ukraine in den Bereichen Militär, Wirtschaft und Soziales selbst absichern kann. "Krieg rechtfertigt keine Verzögerungen. Wir müssen schnell und entschlossen handeln. Unsere vorrangigen Schritte werden darin bestehen, die Armee mit hochwertiger Ausrüstung auszustatten, unsere eigene Waffenproduktion zu steigern und die technologischen Fähigkeiten der Armee zu verbessern", schrieb sie auf Facebook.
Swyrydenko wurde 1985 in Tschernihiw im Nordosten der Ukraine geboren und stammt aus einer Beamtenfamilie. Zunächst arbeitete sie als Referentin in der regionalen Staatsverwaltung ihrer Heimatstadt, später führte sie erst die Wirtschaftsabteilung und dann kommissarisch die gesamte Behörde. 2019 stieg sie zur stellvertretenden Handels- und Landwirtschaftsministerin in der damaligen Regierung von Oleksij Hontscharuk auf. Im Dezember 2020 wurde sie stellvertretende Leiterin des Präsidialamtes des Präsidialamtes, und im November 2021 wurde sie Wirtschaftsministerin und Vizepremier der Ukraine. In dieser Position unterzeichnete sie im Mai 2025 mit den USA ein Abkommen über die Zusammenarbeit im Rohstoffbereich.
Wie bewerten Beobachter die Regierungsumbildung?
Um die vom Präsidenten gesetzten Aufgaben umzusetzen, wurden in der Regierung einige Minister ausgetauscht und einige Ministerien zusammengelegt. So wurde das Ministerium für strategische Industrie der Ukraine mit dem Verteidigungsministerium fusioniert. Zudem entsteht durch den Zusammenschluss mehrerer Behörden das erweiterte Ministerium für Wirtschaft, Umwelt und Landwirtschaft, das Oleksij Soboljew, der frühere Stellvertreter von Julija Swyrydenko, leiten wird.
"Personelle Veränderungen zum Schlechteren gab es nicht", findet der Investmentbanker Serhij Fursa. Er weist darauf hin, dass die neue Ministerpräsidentin Julija Swyrydenko selbst über eine erfolgreiche Bilanz in der Wirtschaft verfügt und schon als Wirtschaftsministerin ein sehr gutes Team um sich versammelt hatte. "Das wurde bei den Verhandlungen mit den Amerikanern über das Rohstoffabkommen deutlich. Was Trump zunächst vorgelegt hatte und was letztlich unterzeichnet wurde, unterscheidet sich wie Tag und Nacht. Das ist das Verdienst des Verhandlungsteams. Gerade Soboljew und [der bisherige ukrainische Handelsvertreter Taras] Katschka wurden befördert und sind nun Minister", schreibt Fursa auf seiner Facebook-Seite.
Beobachter schließen nicht aus, dass Oleksij Soboljew zum besten Wirtschaftsminister in der neueren Geschichte der Ukraine werden könnte. So weist Fursa besonders auf Soboljews bisherige "produktive Arbeit" bei der Privatisierung kleinerer Unternehmen und beim Aufbau eines digitalen Systems für transparente öffentliche Verkäufe und Online-Auktionen hin.
Rückgriff auf bewährtes Personal
Der Politikwissenschaftler und Leiter des Zentrums für angewandte Politikforschung "Penta", Wolodymyr Fesenko, bezeichnet die personellen Veränderungen in der ukrainischen Regierung als "Neukonfiguration". Ziel sei, die Arbeit der Regierung zu optimieren und das Überleben des Landes angesichts des anhaltenden russischen Angriffskrieges zu sichern.
Fesenko zufolge seien die Veränderungen vor allem taktischer Natur: Vier Personen hätten ihren Posten gewechselt, und einige Ministerien seien vergrößert worden. Dadurch ergebe sich kein "neuer Mehrwert", es solle lediglich wirtschaftliche und soziale Stabilität sichergestellt werden. "Diese Regierung besteht aus erfahrenen Beamten und einstigen Stellvertretern, die nun befördert wurden. Wunder sollte man angesichts der heutigen Lage von ihr nicht erwarten. Aber diese Leute wissen, was unter den jetzigen Bedingungen zu tun ist. Sie müssen nicht erst lernen, sich ihnen anzupassen", sagt Fesenko der DW.
Ihm zufolge ist die jetzige Regierungsumbildung auch eine Folge begrenzter Personalressourcen. Es gebe nur wenige Menschen, die bereit seien, in der Regierung zu arbeiten, und es sei zu riskant, in Kriegszeiten auf unerfahrenes Personal zurückzugreifen. Fesenko erinnert daran, dass Selenskyj schon 2019 mit "neuen Gesichtern" experimentiert habe, was sich als wenig erfolgreich erwiesen habe. Nun setze der Präsident auf bewährte Personen.
Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk