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Politik

Ukraine, Russland, das Gas und die Politik

17. Juli 2018

Die russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee ist mehr als umstritten. Jetzt bremst auch die Bundesregierung. Erst einmal soll sicher sein, dass die Ukraine Gas-Transitland bleibt. Sabine Kinkartz, Berlin.

Ostseepipeline Nord Stream
Bild: picture alliance/dpa/S. Sauer

Anfang Mai haben Bagger damit begonnen, im äußersten Nordosten Deutschlands, in der Nähe von Greifswald einen Graben auszuheben. Es ist die Baustelle der Ostsee-Pipeline "Nord Stream 2". Fertiggestellt soll die Gasleitung zwischen St. Petersburg und der deutschen Ostseeküste 1200 Kilometer lang sein und endgültig so viel russisches Gas auf direktem Weg nach Europa pumpen können, dass der bisherige Transit durch die Ukraine überflüssig wird.

Es scheint, als wollten die Russen Fakten schaffen und damit den politischen Streit um Nord Stream 2 auf lange Sicht ins Leere laufen lassen. Innerhalb der EU sind die meisten Staaten gegen das Projekt. Unterstützung kommt nur aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden und Frankreich. Das ist auch wenig verwunderlich, sind doch neben dem staatlichen, russischen Energieriesen Gazprom die deutschen Konzerne Wintershall und E.ON Ruhrgas mit jeweils 15,5 Prozent, Gasuine aus den Niederlanden und Engie aus Frankreich mit jeweils neun Prozent an dem Projekt beteiligt.

Kurswechsel in Berlin

Die Bundesregierung vertrat bis vor kurzem die Ansicht, bei dem Pipeline-Bau handle es sich allein um ein Projekt der Wirtschaft. Einen strategischen Zusammenhang mit russischer Außenpolitik wollte man lange nicht zugeben. Doch das hat sich geändert. Bei einem Besuch des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im April in Berlin räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel ein, "dass es sich nicht nur um ein wirtschaftliches Projekt handelt, sondern dass natürlich auch politische Faktoren zu berücksichtigen" seien.

Es könne nicht sein, dass die ukrainischen Leitungen leer fallen würden. Dann sagte die Kanzlerin etwas, das den Gast aus Kiew, aber auch andere osteuropäische Staaten aufhorchen ließ. "Deshalb habe ich sehr deutlich gemacht, dass ein Projekt Nord Stream 2, ohne dass wir Klarheit darüber haben, wie es mit der ukrainischen Transitrolle weitergeht, aus unserer Sicht nicht möglich ist", so Merkel.

Nord Stream 2: Merkel zögert bei Gaspipeline-Projekt

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Ein Fall für Peter Altmaier

Zwar kann die Bundesregierung das Nord Stream Projekt nicht einfach stoppen. Aber die Kanzlerin hat beschlossen, im Energiestreit zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Wohl auch in der Hoffnung, dass eine Einigung im Gas-Streit positiv auf den Minsker Waffenstillstands- und Friedensprozess in der Ost-Ukraine abstrahlen könnte. Merkel schaltete ihren Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein, der in den letzten zwei Monaten einige Hebel in Bewegung gesetzt hat.

Altmaier war auf diplomatischer Mission in Kiew und Moskau und ließ nichts unversucht, um die verhärteten Fronten aufzuweichen. Mit Erfolg. In Berlin fand nun eine erste Runde sogenannter Energiegespräche statt, an denen der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin, der russische Energieminister Alexander Nowak, EU-Vizepräsident Maros Sefcovic, sowie Vertreter der russischen und der ukrainischen Gaswirtschaft teilnahmen. Das Treffen habe in einer "guten, sachlichen und konstruktiven Atmosphäre" stattgefunden, sagte Altmaier anschließend. Sefcovic betonte, dass es allein dem persönlichen Engagement von Merkel und Altmaier zu verdanken sei, dass die Gespräche überhaupt stattgefunden hätten.

Der Fahrplan steht

Ergebnisse waren von dem trilateralen Treffen nicht erwartet worden, das zunächst im Bundeswirtschaftsministerium und anschließend in größerer Runde ohne deutsche Beteiligung in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin stattfand. Im nächsten Schritt solle nun eine Expertengruppe im September technische Fragen erörtern, teilte EU-Energiekommissar Sefcovic mit. Für Oktober habe er ein weiteres Treffen auf politischer Ebene vorgeschlagen. Diese sollten dann alle sechs bis acht Wochen stattfinden.

"Eine konstruktive und stabile Zusammenarbeit zwischen Russland und der Ukraine im Energiebereich ist für beide Länder und die Europäische Union von größter Bedeutung", so Sefcovic. "Die Notwendigkeit eines kontinuierlichen und langfristigen Transits von russischem Gas durch die Ukraine in die EU auf zuverlässige und wirtschaftlich tragfähige Weise ist ein unverzichtbarer Teil davon." Viel Zeit bleibt für die Verhandlungen allerdings nicht. Das bisherige Abkommen, das den Gas-Transit von Russland durch die Ukraine regelt, läuft Ende 2019 aus.

Umstritten und dadurch verzögert

Eigentlich sollte die Nord Stream 2 Pipeline bis dahin fertig sein, doch davon geht inzwischen niemand mehr aus. Es liegt daher im Interesse Russlands, einen Anschlussvertrag mit der Ukraine auszuhandeln. Dazu sei man auch bereit, sagte der russische Präsident Wladimir Putin beim Besuch Angela Merkels in Moskau im Mai. Der russische Energieminister Nowak sagte der Agentur Interfax zufolge, die Leitungen durch die Ukraine würden auch in den kommenden fünf bis zehn Jahren genutzt, weil Moskau mit steigender Gas-Nachfrage rechne.

Doch die Ukrainer sind skeptisch. Sie fürchten, dass die Russen allein daran interessiert sind, die Zeit bis zur Fertigstellung der zweiten Ostsee-Pipeline zu überbrücken und anschließend die Transit-Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen. Das würde für die Ukraine große wirtschaftliche Verluste zur Folge haben. 2017 machte der Staatskonzern Naftogaz mit dem Transit von fast 94 Milliarden Kubikmetern Gas nach Westeuropa knapp 1,1 Milliarden Euro Gewinn. Das entspricht mehr als vier Prozent der staatlichen Einnahmen.

Massive Sicherheitsbedenken

Außerdem würde sich die Abhängigkeit der Ukraine von Russland erhöhen. Moskau könnte der Ukraine einseitig den Gas-Hahn abdrehen, ohne dass es gleichzeitig zum Konflikt mit seinen westlichen Kunden käme. Die Ukraine würde politisch erpressbar.

Soweit will es die Bundesregierung auf keinen Fall kommen lassen. "Eine einvernehmliche Lösung liegt im Interesse aller Beteiligten", sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier. "Wir gehen davon aus, dass es noch schwierige Gespräche geben wird, aber dass es möglich ist, zu Lösungen zu kommen, die weit über 2020 hinaus sicherstellen, dass die berechtigten Sicherheitsinteressen der Ukraine gewährleistet sind und dass ein substanzieller Gastransit von Russland durch die Ukraine nach Europa auch dann stattfinden wird."

In Kiew wittert man Morgenluft

Was unter "substanziell" zu verstehen ist, das soll bei den Energiegesprächen geklärt werden. EU-Kommissar Sefcovic sagte, die eingesetzte Expertengruppe solle die Auswirkungen neuer Gas-Leitungen ebenso prüfen wie den europäischen Gasbedarf im nächsten Jahrzehnt. Zudem würde untersucht, welche Auswirkungen es habe, wenn wie geplant ein neuer unabhängiger ukrainischer Netzbetreiber für den Transit verantwortlich werde.

Hinter vorgehaltener Hand ist aus dem Bundeswirtschaftsministerium übrigens zu hören, dass die Ukraine ihre Erwartungen an die Energiegespräche mit Russland deutlich erhöht hat. Hintergrund sei die ablehnende Haltung von US-Präsident Donald Trump gegenüber der Nord Stream Pipeline. In Kiew hoffe man darauf, dass Trump das Projekt zu Fall bringen werde. Dadurch sehen sich die Ukrainer inzwischen in einer deutlich besseren Verhandlungsposition als bisher. 

 

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