1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteUkraine

Russland/Ukraine: Die Bedeutung des Donbass

20. August 2025

Beim Gipfel mit US-Präsident Trump in Alaska nannte Wladimir Putin wieder einmal die volle Kontrolle über den Donbass als zentrale Bedingung für eine Beendigung des Krieges. Warum ist diese Region so wichtig?

Ukraine | Mariupol - umkänpftes Stahlwerk
Der Donbass ist von der Schwerindustrie geprägt - das Asow-Stahlwerk in Mariupol war 2022 heftig umkämpft und wurde zu einem Symbol des Krieges in der Region Bild: Peter Kovalev/TASS]/dpa/picture alliance

Noch sind es nur unbestätigte Medienberichte, doch sie sorgen bereits für heftige Debatten in den USA und Europa: Angeblich sollen sich Russlands Staatschef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump auf ihrem Gipfel in Alaska darüber verständigt haben, dass die Ukraine die Regionen Donezk und Luhansk an Russland abtreten soll. Doch könnte man der Ukraine einen solchen Schritt aufzwingen?

Die ukrainischen Streitkräfte sollten sich vollständig aus den Gebieten des Donbass zurückziehen, so Putins Forderung. Im Austausch dafür bietet Russlands Staatschef an, die Kampfhandlungen entlang der restlichen Frontlinie einzufrieren. Vor allem aber in den südukrainischen Regionen Cherson und Saporischja, in denen russische Streitkräfte ebenfalls bedeutende Gebiete besetzen.

In diesem Gebäude hatte die staatliche ukrainische Verwaltung in Cherson ihren Amtssitz, hier ein Bild nach einem russischen Raketenangriff im Juni 2025 Bild: Volodymyr Zelenskyy/X

Donezk und Luhansk: ukrainisch, aber russlandnah

Putin hatte in den vergangenen Jahren immer wieder die Bedeutung der Regionen Donezk und Luhansk hervorgehoben, aus denen der sogenannte Donbass besteht. Ihm zufolge ist die Region historisch mit Russland und dem Vermächtnis der Sowjetunion verbunden. Staatsrechtlich gehört sie jedoch zur Ukraine, und das war auch schon zu UdSSR-Zeiten unumstritten.

Während etwa die Halbinsel Krim erst 1954 durch den damaligen Regierungschef der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, von Russland an die Ukraine übergeben wurde - was in Russland bis heute kontrovers diskutiert wird - waren die Gebiete Donezk und Luhansk seit Gründung der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1919 ununterbrochen Teil der Ukraine. 

Gleichzeitig war der Donbass jedoch seit jeher stark russisch geprägt. Schon im 19. Jahrhundert, später auch zu Sowjetzeiten, galt er als industrielles Kernland, reich an Bodenschätzen. Als Kohlebergbau, Stahl- und Chemieindustrie boomten, zogen zahlreiche Menschen aus der ganzen UdSSR, vor allem aber aus Russland, auf der Suche nach Arbeit hierher. So war schon vor 2014 eine deutliche Bevölkerungsmehrheit russischsprachig.

Und dieser Teil der Ostukraine bliebt auch eher russlandnah, als sich sich viele Menschen in den westlicher gelegenen Landesteilen bereits eine stärkere Anbindung an die Europäische Union als an Moskau wünschten. Auch Viktor Janukowitsch, der vom Kreml unterstützte Ex-Präsident, wurde in Donezk geboren und fand in der Region seine größte Unterstützung.

Viktor Janukowitsch wurde 2010 Präsident der Ukraine, 2014 wurde er im Zuge der Maidan-Revolution gestürztBild: Valery Sharifulin/TASS/dpa/picture alliance

Der Donbass - Zankapfel seit 2014

Als Janukowitsch im Zuge der Maidan-Revolution 2014 gestürzt wurde und nach Moskau fliehen musste, wurde der Donbass endgültig zum Zankapfel zwischen Moskau und Kyjiw. In der Folge annektierte Moskau die Halbinsel Krim, während sich in der Ostukraine Unruhen ausbreiteten. Bewaffnete Gruppen, die von russischen Waffen und Kämpfern unterstützt wurden, erklärten die Schaffung selbsternannter "Volksrepubliken" in Donezk und Luhansk.

Sollte man sich in Moskau eine breite Unterstützung dieses Vorgehens bei den russischsprachigen Ukrainern erhofft haben, sah man sich jedoch alsbald getäuscht. Im Gegenteil stieß der Separatistenkrieg in der Ostukraine auf breite Ablehnung. Bei den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine 2019 unterstützten die Wähler mit großem Abstand Wolodymyr Selenskyj - auch in den weiter von Kyjiw gehaltenen Gebieten in der Ostukraine. Selenskyj ist selbst russischsprachig aufgewachsen; seine Linie, den Konflikt beenden zu wollen, ohne dabei die Souveränität der Ukraine aufzugeben, traf auf breite Zustimmung.

Prorussische Demonstranten in der selbsternannten "Volksrepublik" Donezk, im Februar 2022Bild: Alexei Alexandrov/AP Photo/picture alliance

Der Donbass blieb auch zu Beginn der russischen Invasion im Februar 2022 ein zentrales Leitmotiv für Wladimir Putin. In einer Fernsehansprache begründete er seine "spezielle Militäroperation" in der Ukraine damit, die selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk hätten Moskau um Hilfe gebeten. Er behauptete, russischsprachige Bewohner in den weiter von Kyjiw kontrollierten Gebieten der Ostukraine seien mit "Völkermord" konfrontiert - Behauptungen, für die es bis heute keinerlei Belege gibt.

Warum der Südosten der Ukraine von so großer geopolitischer Bedeutung ist

Heute befinden sich die gesamte Oblast Luhansk sowie etwa 70 Prozent der Oblast Donezk unter russischer Kontrolle. Damit sind etwa 88 Prozent des gesamten Donbass russisch besetzt. Schätzungen zufolge leben in den beiden Gebieten insgesamt mehr als vier Millionen Menschen. Unter ihren Füßen liegen nicht nur Kohle und Erze, vermutet werden hier auch verschiedene Vorkommen an Lithium, Kobalt, Titan und Seltenen Erden, die für die Herstellung wichtiger Technologiegüter notwendig sind. 

Beide Oblaste spielen für Russland auch eine wichtige Rolle im Hinblick auf eine Landverbindung zur Halbinsel Krim. Diese ist von russischem Staatsgebiet nur über die sogenannte Kertsch-Brücke zu erreichen.

Wenn der Donbass, also die Oblaste Luhansk und Donezk zu Russland gehören würde und zusätzlich der Frontverlauf in den Oblasten Saporischschja und Cherson eingefroren würde - also die russische Besetzung dieser Gebiete - wäre die Krim für Russland auch auf dem Landweg zu erreichen. Dadurch würde die Ukraine dauerhaft vom Zugang zum Asowschen Meer abgeriegelt, dem Teil des Schwarzen Meeres, der zwischen der Krim und Russland liegt.   

Die Kertsch-Brücke ist der einzige Zugang von russischem Staatsgebiet auf die annektierte Krim - über Land gelangt man von Russland aus nur über die besetzten Gebiete auf die Halbinsel Bild: AP/dpa/picture alliance

Der Donbass als ukrainischer Festungsgürtel

Auch für die Ukraine ist der Donbass bei weitem nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung. In den bislang noch immer von Kyjiw gehaltenen Gebieten hat die Ukraine ihren sogenannten Festungsgürtel errichtet. Dabei handelt es sich um die wichtigste Verteidigungslinie, die es Russland bislang unmöglich macht, weiter in Richtung Zentralukraine vorzurücken. Es geht um mehrere Schlüsselstädte und befestigte Positionen, etwa Kramatorsk, Slawiansk oder Konstiantiniwka, die die Ukraine bislang trotz hoher Verluste verbissen hält. Hinter diesem Festungsgürtel liegen die weiten, offenen Ebenen der Zentralukraine, die ohne Verteidigungslinie äußerst anfällig für eine nächste russische Offensive wären.

Schäden in Kramatorsk nach einem russischen Luftangriff Anfang August: Die Stadt in Donbass wird noch immer von der Ukraine gehalten - doch der Preis dafür ist hochBild: Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency/IMAGO

Ohne weitreichende und belastbare Sicherheitsgarantien kommt eine Aufgabe der verbliebenen Gebiete des Donbass für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj deshalb nicht in Frage.

Aber auch innenpolitisch wäre diese für ihn kaum durchzusetzen. Zum einen verbietet ihm die Verfassung des Landes ein solches Zugeständnis. Zum anderen wäre eine solche Maßnahme auch in der Ukraine äußerst unpopulär: Rund 75 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer, so eine Umfrage des Kyjiwer Internationalen Instituts für Soziologie, lehnen jede Gebietsabtretung an Russland ab.

Thomas Latschan Langjähriger Autor und Redakteur für Themen internationaler Politik