Ukraine: Selenskyj hofft auf deutsche Hilfe
14. November 2024Bei dem Telefonat zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei es unter anderem um die Lieferung von Flugabwehrsystemen für das nächste Jahr und über zusätzliche Luftverteidigungssysteme aus Deutschland gegangen. Das teilte Selenskyj danach mit. Scholz bekräftigte nach Angaben der Bundesregierung "die anhaltende und unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine angesichts der seit nunmehr fast 1000 Tagen anhaltenden Aggression Russlands". Scholz habe sich mit Selenskyj "über die militärische und humanitäre Lage in der Ukraine ausgetauscht", erläuterte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Selenskyj lobt Deutschlands Rolle
Der ukrainische Staatschef wiederum lobte Deutschlands Rolle beim Zusammenhalten des Bündnisses aus Unterstützern im Abwehrkampf gegen Russland. Scholz habe bestätigt, dass Deutschland bis Jahresende das sechste Flugabwehrsystem vom Typ Iris-T liefern werde, sagte Selenskyj. Zudem habe er mit ihm darüber gesprochen, dass es wichtig sei, das sogenannte Ramstein-Format aufrechtzuerhalten. Dabei geht es um Treffen auf dem gleichnamigen US-Luftwaffenstützpunkt in Rheinland-Pfalz, wo die Ukraine-Unterstützer seit Kriegsbeginn immer wieder zusammenkamen, um neue Militärhilfen für Kyjiw zu beschließen.
Selenskyj forderte auch, dass beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro Anfang kommender Woche die Ukraine zum Thema gemacht wird. "Wir verhandeln mit unseren Partnern, um sicherzustellen, dass die Position der Ukraine in allen relevanten Diskussionen vertreten wird", sagte er in einer Videobotschaft. "Nur gemeinsam kann die Welt einen wirklich dauerhaften Frieden und eine dauerhafte Stabilität in den internationalen Beziehungen gewährleisten."
Lawrow erwartet keine neue Russland-Politik unter Trump
Angesichts des Siegs von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen wird in der Ukraine und ihren europäischen Unterstützerländern befürchtet, dass die USA als wichtigster Verbündeter ihre Hilfe für Kyjiw schon bald einstellen könnten - und Russland durch eine einseitige Friedensregelung zulasten der Ukraine faktisch als Sieger aus dem Angriffskrieg hervorgeht, den Kremlchef Wladimir Putin im Februar 2022 völkerrechtswidrig angeordnet hatte.
Moskaus Außenminister Sergej Lawrow erwartet keinen Kurswechsel der US-Politik unter dem designierten Präsidenten Donald Trump gegenüber Russland oder der Ukraine. Jede US-Regierung habe ein Interesse daran, Russland zu schwächen. "Ihnen ist wohl, wenn sie Russland und seinen Einfluss schwächen", sagte Lawrow dem russischen Staatsfernsehen in einem Interview. Russland wirft den USA immer wieder vor, den Krieg in der Ukraine vor allem zu unterstützen, um Moskau zu schwächen.
"Letztlich ist alles, was geschieht, auf den Wunsch zurückzuführen, Russland als Konkurrenten zu verdrängen", meinte Lawrow. Washington werde auch weiter danach streben, alles unter seiner Kontrolle zu behalten, sagte der Minister, der Putin kommende Woche beim G20-Gipfel in Rio vertritt und dabei auch auf US-Vertreter trifft.
Baerbock: Deutschland bleibt außenpolitisch handlungsfähig
Außenministerin Annalena Baerbock sieht Deutschland auch ohne eigene Mehrheit der Bundesregierung im Parlament außenpolitisch handlungsfähig. Im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) sagte die Grünen-Politikerin: "Gerade in der Außenpolitik ist es nicht so, dass man mit jedem Beschluss in den Bundestag gehen muss. Das Gute ohnehin in Deutschland: Wir haben lange gemeinsame Linien zwischen den demokratischen Parteien."
Dazu würden etwa die Sicherheit Israels, aber auch das Einstehen für das humanitäre Völkerrecht zählen. Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine setzt Baerbock auf die Zustimmung der oppositionellen CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Das sei schon einmal gelungen, sagte die Außenministerin und verwies auf das sogenannte Sondervermögen für die Bundeswehr, das die Ampel-Koalition 2022 mit Hilfe der Unionsparteien beschlossen hatte.
Militärbeobachter: Russen rücken in der Ukraine weiter vor
Russische Truppen sind derweil nach Angaben ukrainischer Militärbeobachter im Osten der Ukraine weiter vorgerückt. Bei der von einer Einschließung bedrohten und stark zerstörten Kleinstadt Kurachowe im Donezker Gebiet erzielten die russischen Truppen demnach weiter Geländegewinne. Außerdem unternahmen sie einen Vorstoß in die Stadt Kupjansk im nordöstlichen Gebiet Charkiw. Das wurde vom ukrainischen Generalstab zwar bestätigt, jedoch sei der Angriff in großen Teilen abgewehrt worden. Kupjansk gilt als strategisch wichtiger Eisenbahnknoten am Fluss Oskil. Das Gebiet war im Herbst 2022 im Zuge einer ukrainischen Gegenoffensive nach gut fünf Monaten Besatzung befreit worden.
pg/wa (dpa, ZDF)
Anmerkung der Redaktion: Wir haben die Schreibweise der ukrainischen Hauptstadt umgestellt auf "Kyjiw" (statt, wie bisher, "Kiew"). Damit transkribieren wir den Namen korrekt aus der ukrainischen Sprache - so, wie wir auch bei allen anderen ukrainischen Ortsnamen verfahren.
Redaktionsschluss 17.00 Uhr (MEZ). Dieser Artikel wird nicht weiter aktualisiert!