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PolitikEuropa

Ukraine: Spenden aus Deutschland auf Rekordniveau

1. Februar 2023

Die Deutschen haben 2022 wohl mehr als eine Milliarde Euro für die Ukraine und von dort geflüchtete Menschen gespendet. Doch hält die Hilfsbereitschaft an?

Menschen in Kiew stehen nach russischem Raketenangriff an einer von der Polizei gesperrten Straße
Menschen in Kiew nach einem russischen Raketenangriff Ende JanuarBild: Daniel Cole/AP/picture alliance

Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Spendenbereitschaft der Deutschen im vergangenen Jahr 2022 in die Höhe schnellen lassen. Insgesamt wurden in Deutschland 5,7 Milliarden Euro an karitative und humanitäre Organisationen gespendet. Das ist ähnlich viel wie im Jahr 2021, als die Deutschen viel Geld für die Linderung der Not nach der Flutkatastrophe im Westen Deutschlands gegeben hatten.

"Die Spenderinnen und Spender haben 2022 insbesondere Hilfen für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine geleistet", sagt Martin Wulff vom Deutschen Spendenrat. Der Verein untersucht gemeinsam mit der deutschen Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) jedes Jahr das Spendenverhalten im Land. Und das war nach Beginn der russischen Invasion am 24. Februar sprunghaft angestiegen. "Der überwiegende Spendenzufluss erfolgte in den Monaten Februar bis April 2022 und somit zu Beginn des Krieges in der Ukraine", berichtet der Verein, der von Hilfsorganisationen, darunter auch die der großen Kirchen, getragen wird. 

Freiwillige in der Ukraine bringen Humanitäre Hilfe in den Osten des Landes wie hier in den im September befreiten Gebieten Nahe der Stadt LymanBild: Oleksandr Sawytskyj/DW

Einen großen Sprung haben demnach die Spenden für "Not- und Katastrophenhilfe" gemacht von 347 Millionen Euro auf 1,133 Milliarden Euro. Der Spendenrat geht davon aus, dass davon ein großer Teil in die Ukraine-Hilfe floss, um dort das Leid der Binnenflüchtlinge zu mildern - aber auch an Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind. 

Bislang kein Spendeneinbruch wegen Inflation und Energiekosten

Selbst die sprunghaft gestiegene Inflation und die stark gestiegenen Energiekosten hätten im vergangenen Dezember die Spendenbereitschaft nicht einbrechen lassen. Das bestätigt auch Dominique Mann vom "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe" im DW-Gespräch. In dem Bündnis haben sich Caritas International von der katholischen Kirche, die evangelische Diakonie Katastrophenhilfe, das UN-Kinderhilfswerk Unicef und das Deutsche Rote Kreuz zusammengeschlossen.

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Es wird mit Spendenaufrufen vom Zweiten Deutschen Fernsehen unterstützt – seit elf Monaten für die Ukraine-Hilfe. Während der ersten Wochen der russischen Invasion im Frühjahr 2022 sei auch hier das Spendenaufkommen "extrem hoch" gewesen, sagt Mann - und dann noch einmal kurz vor Weihnachten. Das kann Manuela Roßbach von der "Aktion Deutschland hilft" bestätigen. Hier haben sich mehr als zwölf Hilfsorganisationen zusammengeschlossen wie die Zentralwohlfahrtstelle der Juden in Deutschland, World Vision oder Islamic Relief Deutschland. "Der größte Betrag 2021 in Höhe von 282 Millionen Euro", sei für die Flutkatastrophe in Deutschland gespendet worden, so Roßbach,  2022 flossen die Spenden dieser Plattform vor allem an "die Nothilfe Ukraine mit rund 250 Millionen Euro".

Berliner Verein evakuiert mehr als 18.000 Menschen

Ähnliches berichtet Ulrike Lessig von "Be an Angel". Die Hilfsorganisation aus der deutschen Hauptstadt Berlin hat in den vergangenen elf Monaten mehr als 18.000 Menschen aus der Ukraine evakuiert - vor allem über Chisinau, die Hauptstadt der benachbarten Republik Moldau. Der Verein kümmert sich dabei vor allem um Kranke wie Krebspatientinnen und -patienten. "Wir bringen behinderte Menschen, kranke Menschen und auch schon verletzte Menschen in medizinische Versorgung in Deutschland", sagt Lessig im DW-Gespräch.

Generatoren als einzige Stromquelle: Folge der russischen Bombenangriffe auf die zivile Infrastruktur in der UkraineBild: Oleksandr Sawytskyj/DW

Dafür suche sie "permanent Ärzte und Krankenhäuser, die zum Beispiel eine Krebsbehandlung weiter fortführen können." Zudem unterhält der Verein ein Lagerhaus im westukrainischen Lwiw (Lemberg) und hat zuletzt mehr als 1000 aus Spenden finanzierte Stromgeneratoren liefern können. Zudem hat "Be an Angel" ein neues Büro in der südukrainischen Hafenstadt Odessa eröffnet als Anlaufstelle für Kranke, die medizinische Hilfe in Deutschland suchen. 

Ehrenamtliche sind erschöpft

Lessig warnt aber auch vor dem Nachlassen der Hilfsbereitschaft der Deutschen: "Ende Februar 2022 waren die Menschen alle alarmiert: Der Krieg ist vor unserer Haustür", jetzt aber trete "so langsam die Gewöhnung ein". Denn, so Lessig, "je öfter man irgendwelche Schreckensbilder sieht, desto abgehärter wird man ja auch und es schieben sich Probleme hier in Deutschland darüber". Noch immer würden viele ihrer Unterstützerinnen und Unterstützer regelmäßig für die Ukraine spenden, doch in Gesprächen sei spürbar, dass sich auch in Deutschland die Menschen fragten, "wie viel Essen, wie viel Heizung werde ich mir noch leisten können? Worauf muss ich jetzt achten? Die Auswirkungen des Krieges sind ja auch in Deutschland spürbar."

Ulrike Lessig von "Be an Angel": Der Verein vermittelt unter anderem medizinische Hilfe für Flüchtlinge aus der UkraineBild: Privat

Vor allem aber sehe sie "eine gewisse Erschöpfung" bei den freiwilligen Helferinnen und Helfern. Im Frühjahr 2022 während Russlands Vormarsch auf Kiew wurden in der deutschen Hauptstadt besonders viele Flüchtlinge aus der Ukraine versorgt, die über Polen geflohen und zunächst am Berliner Hauptbahnhof eingetroffen waren. Zahlreiche Freiwillige meldeten sich dafür. "Da gibt es Leute, die auch im Urlaub und an Wochenenden ehrenamtlich helfen", so Lessig. Doch deren Zeit sei endlich. "Sie können nicht neben Ihrer Arbeit, Ihrer Familie und ihren sonstigen bisherigen Verpflichtungen auch noch die Ukraine retten."

Ehrenamtliche Helfer verteilen Hilfsgüter im Berliner Hauptbahnhof im Juli 2022Bild: Maja Hitij/Getty Images

Dennoch: Dass viele Menschen in Deutschland auch privat Ukrainerinnen und Ukrainer auf der Flucht aufgenommen hatten, etwa durch Vermittlung ihrer Organisation "Be an Angel" zeige, dass "die Hilfsbereitschaft in den vergangenen elf Monaten großartig gelaufen ist", sagt Lessig. Es gebe auch noch immer viele Spender und ehrenamtliche Helfer. Doch sie spüre auch die Abnutzung bei den Unterstützerinnen und Unterstützern der Ukraine. "Dass das abflachen wird, war eigentlich klar". Und mit dem Blick darauf, dass Russlands Angriff auf die Ukraine auch in diesem Jahr weitergehe, appelliert Lessig an die Politik. Ab einem gewissen Punkt könne die sich nicht allein auf die Ehrenamtlichen und Spender verlassen, irgendwann "müsste der Staat übernehmen".