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"Vieles läuft im Maschinenraum ab"

Hendrik Heinze29. Mai 2014

Tote in Donezk, der neue Präsident spricht von Krieg. Und ein Eindruck drängt sich auf: Die EU hat nicht genug getan. Stimmt nicht, sagt Wissenschaftler Olaf Wientzek im DW-Interview: Der EU ist die Ukraine wichtig.

Olaf Wientzek (Foto: privat)
Bild: privat

DW: Herr Wientzek, der Präsident der Ukraine spricht inzwischen ganz offen von Krieg in seinem Land - und die Europäische Union scheint das alles seltsam kalt zu lassen.

Olaf Wientzek: Das sehe ich anders. Am Dienstag (27.05.2014) haben die Staats- und Regierungschefs der EU eine Erklärung veröffentlicht, in der sie ihre Besorgnis äußern. Der neue ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat direkt nach seiner Wahl mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Ratspräsident Herman Van Rompuy telefoniert. Und die EU hat verschiedene Instrumente, um die Position der Ukraine zu stärken.

Zum einen spielt sie eine sehr wichtige Rolle als Vermittlerin bei den Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland um die Gaslieferungen. Dann ist da natürlich die finanzielle Hilfe. Außerdem gibt es innerhalb der Kommission inzwischen eine Unterstützungsgruppe für das Land. Da möchte ich also dem Eindruck widersprechen, dass sich die EU von der Ukraine verabschiedet hat. Vieles läuft jetzt eben im Maschinenraum ab: Die Kommission hat vorgeschlagen, Phase 2 der Visa-Liberalisierung einzuleiten, das ist sicherlich ein Zeichen. Oder noch etwas sichtbarere Zeichen wie das Assoziierungsabkommen, da laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren.

Der Europa-Abgeordnete Markus Ferber kritisiert die Ukraine-Politik der EU: Das sei "Dienst nach Vorschrift" - und über eine Reise des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier sagt er: "Außer Spesen nix gewesen." Hat er recht? Sollte die EU noch mehr machen?

Die bisherigen Resultate entsprechen sicherlich nicht dem Erhofften. Auf der anderen Seite muss man auch sagen: Der große Wert des EU-Vorgehens ist, dass es weitgehend einheitlich ist. Wir haben in den vergangenen Jahren gesehen: Immer wenn es um Russland ging, lagen die Haltungen sehr weit auseinander. Sie liegen jetzt noch weit auseinander. Aber man geht in kleinen Schritten voran, die von allen mitgetragen werden. Das ist der Preis, den man für den Konsens bezahlt: Dass der Eindruck entsteht, man sollte mutiger sein, man sollte der Ukraine mehr anbieten, man sollte sich noch schärfer gegenüber Russland äußern.

Man sieht aber schon, dass die derzeit angewendete Stufe 2 der Sanktionen gegen Russland durchaus Wirkung gezeigt hat - die Sanktionen sind nicht so lächerlich, wie sie anfangs von Kritikern und von russischer Seite gemacht wurden.

Weitere Sanktionen sind also vorerst nicht nötig?

Die Wahlen in der Ukraine sind ohne große russische Einmischung gelaufen. Es hat mich also nicht gewundert, dass die EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag nicht ernsthaft über eine dritte Stufe der Sanktionen gesprochen haben. So hatten es auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama gesagt: Der 25. Mai ist ein entscheidender Tag. Hätte Russland da über die Maßen zu einer weiteren Destabilisierung beigetragen, wären schärfere Sanktionen ein Thema gewesen.

Was ich mir definitiv wünsche: Dass es in der Energieaußenpolitik eine stärkere Abstimmung gibt zwischen den EU-Mitgliedsstaaten. Es kann nicht sein, dass gesagt wird, "wir müssen eine Energieunion schaffen", und auf der anderen Seite machen bestimmte Länder beim Pipeline-Projekt "Southstream" weiter wie bisher. Das ist ein Punkt, an dem mehr Konsequenz von europäischer Seite gerade mittelfristig möglicherweise wirksamer wäre, als es Sanktionen der Stufe 3 sein könnten.

Wir sprechen die ganze Zeit über das geeignete Vorgehen der EU - vielleicht noch mal grundsätzlich: Was genau will die EU eigentlich in der Ukraine erreichen?

Sie will einen langfristigen Reformprozess einleiten, der in jeglicher Hinsicht zur Stabilisierung des Landes führen soll, zu einer Verstetigung von Demokratie und Rechtstaatlichkeit. Man ist auch mehr noch als früher gewillt, die Ukraine zu einem deutlich weniger korrupten, zu einem wirtschaftlich funktionierenden Staat zu machen. Die Ukraine läuft seit 20 Jahren ihrem wirtschaftlichen Potenzial hinterher!

Da ist man sich also durchaus bewusst geworden, dass man nicht so weitermachen kann wie bisher und die Ukraine so behandeln kann wie ein Land unter "ferner liefen" in der europäischen Nachbarschaftspolitik.

Stichwort "ferner liefen": Wenn die vergangenen Monate eines gezeigt haben, dann doch, dass Russland ein sehr viel größeres Interesse an der Ukraine hat als die EU - und dass auch noch so viel Diplomatie diesen grundsätzlichen Unterschied nicht wettmachen kann?

Auch das würde ich anders sehen. Die EU besteht auch aus ihren Mitgliedsstaaten. Und wenn sie in Polen oder im Baltikum nachfragen, dann werden sie schon andere Antworten bekommen. Man hat manchmal Ihren Eindruck, wenn man die Instrumente beider Seiten vergleicht. Russland hat andere Instrumente, eine andere Kommunikation, das wirkt natürlich viel stärker als die Instrumente der EU.

Aber die Tatsache, dass die Staats- und Regierungschefs den ukrainischen Premierminister im März als ersten Nicht-EU-Regierungschef zum Europäischen Rat geladen haben - das ist ein sehr starkes Signal. Das zeigt auch, dass für die EU die Ukraine durchaus von großer Wichtigkeit ist.

Olaf Wientzek ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Europabüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Brüssel.

Das Interview führte Hendrik Heinze.

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