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Politik

Dialog im Ukraine-Konflikt wiederbelebt

10. Dezember 2019

Beim Pariser Vierer-Gipfel reden die Ukraine und Russland wieder miteinander. Eine neue Waffenruhe in der Ostukraine soll her und in vier Monaten will man Bilanz ziehen. Bernd Riegert aus Paris.

Paris Ukraine-Gipfel PK
Länger als geplant saßen die vier zusammen und traten erst um kurz vor Mitternacht vor die Presse: Selenskyj, Merkel, Macron, Putin (v.l.n.r.)Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Platiau

Der russische Präsident Wladimir Putin stieg lächelnd aus seiner superschweren, extralangen schwarzen Limousine. Dann schritt er breitbeinig über das Kiesbett im pompösen Innenhof des Elysee-Palastes. An den Stufen des Präsidentenpalastes im Herzen von Paris ließ sich Putin von Gastgeber Emmanuel Macron ein Küsschen links und ein Küsschen rechts auf die Wange geben. Die anderen Gipfelteilnehmer des "Normandie-Formats", Bundeskanzlerin Angela Merkel und der neue Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, kamen in wesentlich kleineren Fahrzeugen. Selenskyj lief eilig an der Ehrenformation vorbei. Merkel ließ sich im Auto bis zum wartenden Macron chauffieren und verzichtete auf die 150 Meter Fußweg im Kies. Die kurze Szene zum Auftakt des Gipfels, der nach den Beratungen 2014 am Rande der 70-Jahr-Feier zur Landung der Alliierten in der Normandie benannt wurde, zeigt auf wen es ankommt. Waldimir Putin, der 2014 erst die ukrainische Halbinsel Krim besetzen und dann pro-russische Separatisten in der Ostukraine einen Krieg beginnen ließ, hat die Schlüssel für eine Befriedung der Ostukraine in der Hand. Und das lässt er die anderen auch spüren.

Empfang im Elysee: Putin ist der wichtigste Faktor in den Ukraine-GesprächenBild: Imago Images/ITAR-TASS/G. Dukor

Eingeschlafener Dialog wird wiederbelebt

Im September 2014 hatten Russland und die Ukraine nach Vermittlung durch Deutschland und Frankreich in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ein Abkommen geschlossen, um einen "dauerhaften" Frieden zu ermöglichen. Umgesetzt sind die Maßnahmen aus diesem Plan bis heute nicht. Die bislang rund 20 Phasen der Waffenruhe waren brüchig, immer noch wird im Donbass geschossen und gestorben. 13.000 Menschen sollen bislang umgekommen sein. Die Beobachter-Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) kann nur Buch führen über die Verstöße gegen Feuerpausen auf beiden Seiten, eingreifen kann sie nicht.

Das soll sich jetzt ändern. Die vier Gipfelteilnehmer beschlossen, dass bis zum Jahresende eine neue Waffenruhe in Kraft treten soll. Außerdem sollen am 31. Dezember Gefangene ausgetauscht werden - Ukrainer gegen pro-russische Rebellen -, kündigte der ukrainische Präsident in einer gemeinsamen Pressekonferenz an. In den kommenden vier Monaten sollen drei Gebiete für einen Abzug von schweren Waffen und Minenräumung identifiziert werden, sagte Emmanuel Macron. Im gleichen Zeitraum soll die Beobachter-Mission der OSZE aufgestockt werden, damit sie nicht nur zwölf Stunden am Tag, sondern rund um die Uhr das Geschehen beobachten kann. Der russische Präsident Putin kündigte an, dass neue Übergangsstellen an der "Kontaktlinie", also der Grenze zum Rebellengebiet, eingerichtet werden sollen. "Ich mache mir vor allem Sorgen um die Menschen, die dort leben", gab Putin zu Protokoll. Er verlangte, dass über den Sonderstatus, den der Donbass bekommen soll, zügig gesprochen werden müsse. Präsident Selenskyj lehnte das ab. "Zuerst muss es Sicherheit in dem Gebiet geben, dann kann man über politische Dinge reden", so Selenskyj. "Wir werden niemals Territorium hergeben!" Bundeskanzlerin Angela Merkel merkte an: "Es gibt noch sehr dicke Bretter zu bohren, aber es ist der gute Wille spürbar, die Probleme zu lösen. Die Dinge bewegen sich und das ist positiv." 

Konflikt in der Ostukraine

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Wahlen, aber ohne Datum

Im Prinzip stimmte die Gipfelrunde zu, dass in der Ostukraine Wahlen abgehalten werden sollen, damit die Bevölkerung sich selbst eine politische Führung aussuchen kann. Die Voraussetzungen für diese Wahlen sind aber zwischen der Ukraine und Russland weiter umstritten. Deshalb wurde auch kein Datum festgelegt. Bereits in vier Monaten, Ende März, soll das nächste Gipfeltreffen folgen, um den Friedensprozess am Leben zu halten und über weitere politische Schritte beraten zu können. Der russische Präsident und der ukrainische Präsident waren sich einig, dass der Dialog an sich positiv zu sehen ist.

Seit drei Jahren ist es das erste Mal, dass sich die drei Staatschefs und die deutsche Regierungschefin wieder treffen, um den "Minsker Prozess" wiederzubeleben. Der neue ukrainische Präsident Selenskyj, der erst seit einem halben Jahr im Amt ist und vor einem Jahr noch als TV-Komiker arbeitete, warnte vor zu großen Erwartungen. "Der Krieg im Donbass wird nicht morgen schon vorbei sein", teilte die Sprecherin des noch unerfahrenen Präsidenten mit. Er steht zuhause in der Ukraine unter Druck. Demonstranten forderten in Kiew noch am Wochenende kein Nachgeben gegenüber Russland. Allerdings hat Selenskyj im Wahlkampf versprochen, den Krieg mit den von Russland gesteuerten Rebellen zu beenden. Seit seinem Amtsantritt gibt es ein leichtes Tauwetter in den Beziehungen. Es wurden bereits Gefangene ausgetauscht und drei kleinere Abschnitte demilitarisiert.

Ärger zuhause: Demonstranten verlangen von Ukraines Präsident HärteBild: DW/O. Sawytsky

Putin sieht ebenfalls Tauwetter

"Ja, man könnte das als Tauwetter bezeichnen", sagte der seit 20 Jahren an der Spitze Russlands agierende Präsident Putin und fügte dann hinzu, Russland sei ja nicht direkte Konfliktpartei, sondern nur "Nachbar". Das sehen die anderen drei Gipfelteilnehmer freilich anders. Nach außen hin ging Putin nachsichtig mit dem Neuling Selenskyj um. Bei der Begrüßung im Elyseepalast wies Putin dem etwas desorientierten, aber stets lächelnden Selenskyj mit ausgestrecktem Arm die Richtung, in die er schauen müsse. "Vergessen Sie nie die Fotografen", riet Putin. Die gönnerhafte Szene wurde vom russischen Staatsfernsehen immer wieder gezeigt. Vor dem Abendessen in Paris gewährte Putin Selenskyj das erste persönliche Treffen unter vier Augen, das immerhin 60 Minuten dauerte.

Deutsche und französische Diplomaten stimmen hier in Paris überein, dass jetzt der Zeitpunkt war, einen neuen Gipfel der Normandie-4 einzuberufen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat das Treffen mit freundlichen Gesten gegenüber Putin vorbereitet. Er empfing den russischen Staatschef bereits solo in Paris und sprach in einem "Economist"-Interview über eine neue Partnerschaft mit Russland, die Putin eines Tages selbst eingehen wolle. Das wiederum irritiert die Bundeskanzlerin Angela Merkel und verärgert die osteuropäischen NATO- und EU-Mitglieder, die Russland nach wie vor als Bedrohung ansehen. Die Beziehungen zur EU und zur NATO liegen seit 2014 mehr oder weniger auf Eis. Die EU wird am kommenden Donnerstag bei ihrem Gipfeltreffen abermals die Sanktionen gegen Russland verlängern. Der deutsche Außenminister Heiko Maas, der am Treffen in Paris teilnahm, sieht die Zeit für ein Ende der Sanktionen noch nicht gekommen. "Wir werden das, was wir bisher für richtig gehalten haben, jetzt erst einmal fortsetzen. Das heißt die Sanktionen verlängern, wenn die Gründe, die zu den Sanktionen geführt haben, weiterhin bestehen", sagte Maas.

Tauwetter: Macron als Mittelsmann zwischen Selenskyj (re.) und Putin (li.)Bild: picture-alliance/AP/EPA/ C. Petit

Merkel fordert Aufklärung

Auf die Frage eines Journalisten erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass sie den russischen Präsidenten auf den Fall eines erschossenen Georgiers im Berliner Tiergarten angesprochen hat. "Ich erwarte, dass die russischen Behörden bei den Ermittlungen kooperieren." Der Generalbundesanwalt hegt den Verdacht, dass Russen mit Verbindungen zum Staat die Mordtat ausgeführt haben könnten. Der russische Präsident Wladimir Putin sagte in der gemeinsamen Pressekonferenz: "Dieser Mann war kein richtiger Georgier, sondern ein Separatist. Er hatte Blut an den Händen." Er wisse nicht, was da passiert sei. Die russischen Ermittler würden ihren Kollegen in Deutschland gerne helfen. Putin kritisierte, dass Deutschland bereits russische Diplomaten ausgewiesen hat und behielt sich Vergeltung vor.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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