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PolitikUkraine

Ukraine verschärft Regeln für Berichterstattung

Igor Burdyga
20. April 2023

Für Journalisten, die in der Ukraine von der Front des russischen Angriffskriegs berichten, gelten neue Regeln. Medienschaffende kritisieren die verschärften Bestimmungen als Einschränkung der Pressefreiheit.

Eine Person mit einem Helm mit dem Aufschrift "Press" zeigt aus dem Fenster auf Rauch über Mariupol, 9. März 2022
Die Frontberichterstattung in der Ukraine soll eingeschränkt werdenBild: Mstyslav Chernov/AP Photo/picture alliance

Die Einsatzkommandos Ost und Süd waren die ersten in der ukrainischen Armee, die alle Ortschaften entlang der Frontlinie und der ukrainischen Staatsgrenze zur "roten" Zone erklärten. Das bedeutet: Journalisten dürfen hier ab sofort nicht mehr arbeiten. Ab sofort gelten in der Ukraine neue Regeln für die Arbeit von Medienvertretern in Gebieten nahe der Front. Neben roten Zone gibt es auch "gelbe Zonen", in der Journalisten nur in Begleitung eines Presseoffiziers der Armee arbeiten dürfen. Frei ist die Berichterstattung nur noch in "grünen Zonen".

Die genaue Lage dieser Zonen ist als "geschützte Information" eingestuft, die nur erhält, wen sie betrifft. Darüber hinaus will die Ukraine im Laufe des letzten Jahres ausgestellte Akkreditierungen für Journalisten neu bewerten. Künftig sollen Journalisten ihre Arbeitserlaubnis alle sechs Monate erneuern müssen, wenn sie über Russlands Angriffskrieg in der Ukraine berichten wollen.

Warnung vor Verstößen

Die neuen Regeln würden nicht eingeführt, um Journalisten zu behindern, versicherte Natalija Humenjuk, Pressesprecherin der ukrainischen Verteidigungskräfte im Süden. Sie sollten vielmehr "für die ordnungsgemäße Arbeit unter Berücksichtigung der Sicherheitslage und der Bedürfnisse der Armee" sorgen. Das Militär verspricht, die Zoneneinteilung jede Woche zu überprüfen und dabei die Intensität der Kämpfe sowie die Wünsche der Medien zu berücksichtigen.

Ilja Jewlasch, Leiter des Pressedienstes der Truppengruppe "Chortyzja", die für den größten Teil der Front im Donbass zuständig ist, sagte der DW, Journalisten sei die Arbeit derzeit beispielsweise in Bachmut verboten. Und im 20 Kilometer entfernten Kostjantyniwka dürften sie nur in Begleitung des Militärs unterwegs sein. Jewlasch rät daher Journalisten nachzufragen, zu welcher Zone eine bestimmte Ortschaft gehört.

Die Stadt Bachmut im Donbass ist durch die Kämpfe weitgehend zerstörtBild: Adam Tactic Group/Handout/REUTERS

Verstöße kann das Militär mit dem Entzug der Akkreditierung ahnden. So erging es im November Journalisten der amerikanischen Fernsehkanäle CNN und Sky News sowie der ukrainischen Sender Suspilne und Hromadske. Sie hatten ohne Erlaubnis des Einsatzkommandos Süd aus dem gerade befreiten Cherson berichtet. Später erhielten sie jedoch nach Protesten in- und ausländischer Medienorganisationen ihre Arbeitserlaubnis zurück.

Kritik im In- und Ausland

Das ukrainische Militär betont, die neuen Regeln und Zoneneinteilungen seien unter Berücksichtigung von Vorschlägen der Medienwelt erarbeitet worden und würden "die Kommunikation verbessern".

Doch der Verband ukrainischer Medien, Journalisten und gesellschaftlicher Organisationen "Mediaruch" (deutsch: Medien-Bewegung) hält die Zoneneinteilung für eine "zu strenge Beschränkung" und fordert die Armee auf, "den Zugang zur Berichterstattung über die Kampfhandlungen sofort zu normalisieren". Auch der Nationale Journalistenverband der Ukraine sowie das Internationale Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) fordern die ukrainischen Behörden auf, die neuen Regeln zu überdenken.


Kritik kommt auch von Reporter ohne Grenzen (RSF). "Wir halten die neuen Regeln für übertrieben", erklärte Christian Mihr, Geschäftsführer von RSF Deutschland. "Sie machen die Berichterstattung von der Front praktisch unmöglich." Die Organisation fordert die ukrainische Regierung auf, zu gewährleisten, dass Journalisten weiterhin aus erster Hand über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichten können.

Neue Regeln umsetzbar?

Dabei sind die neuen Regeln möglicherweise gar nicht vollständig umsetzbar, wie Ukrainische Militärs, die anonym bleiben wollen, im Gespräch mit der DW einräumen. In der "gelben" Zone, zum Beispiel in den Gebietszentren Cherson und Mykolajiw, habe die Armee einfach nicht die nötige Zahl an Presseoffizieren, um alle Journalisten zu begleiten. Dort würden Medien wie gewohnt ihrer Arbeit nachgehen.

Journalisten im Süden der Ukraine könnten nach wie vor auf gesonderte Anfrage hin auch aus der "roten Zone" berichten, betont Pressesprecherin Natalija Humenjuk. Auch Ilja Jewlasch behauptet, Journalisten seien in dem von der Truppengruppe "Chortyzja" kontrollierten Sektor weiterhin "ohne besondere Änderungen" unterwegs.

Dies gelte aber nur für ausgewählte Sender, beschweren sich Medienvertreter. 14 ukrainische Journalisten von Online-Publikationen und Fernsehsendern, die an vorderster Front tätig sind, haben dazu eine Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es, nur wenige Tage nach Einführung der Zoneneinteilung hätten sie erfahren, dass es eine Liste von Medien gebe, denen die Behörden nach wie vor erlauben würden, auch aus der "roten Zone" über Kampfhandlungen zu berichten.

Kontrolle über die Kommunikation?

Mitarbeiter von Pressestellen mehrerer Einheiten der ukrainischen Armee und des Generalstabs haben der DW berichtet, die neuen Regeln für die Medien würden aus dem Präsidialamt stammen. Dort wolle man Kontrolle über die Kommunikation zwischen Militär und Medien haben, vor allem wenn es um ausländische Journalisten gehe.

Das ukrainische Verteidigungsministerium fordert unterdessen die inländischen Journalisten auf, sich selbst einzuschränken. "Strategische militärische Pläne und Entwürfe dürfen nur von drei Personen veröffentlicht werden: dem Präsidenten, dem Verteidigungsminister und dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Alle anderen dürfen nur zitieren. Man darf die militärischen Pläne der Armee überhaupt nicht öffentlich diskutieren", sagte die stellvertretende Verteidigungsministerin Hanna Maljar ukrainischen Medien.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij zu Besuch an der Front in Awdijiwka, Region DonezkBild: Ukrainian Presidential Press Service via REUTERS

Wer sich nicht daran hält, muss mit Konsequenzen rechnen, wie der Fall von Anatolij Kosel zeigt. Der ukrainische Bataillonskommandeur hatte in einem Interview mit der Washington Post die hohen Verluste seiner Einheit beklagt und angemerkt, aufgrund der Unerfahrenheit von Rekruten und des Mangels an Waffen sei eine ukrainische Gegenoffensive fraglich.

Nach der Veröffentlichung des Gesprächs wurde Kosel in ein Ausbildungszentrum versetzt. Dies wurde damit begründet, dass er nicht mit Journalisten hätte sprechen dürfen. "Bei uns gilt Kriegsrecht und theoretisch müssten in allen Medien Zensoren sitzen. Ähnlich müsste es bei Militärangehörigen auf dem Schlachtfeld laufen", sagte der Minister für Kultur und Informationspolitik, Oleksandr Tkatschenko, zu dem Vorfall.

Die DW bat Mychajlo Podoljak, Berater im Präsidialamt, um eine Stellungnahme zur Kommunikationspolitik der ukrainischen Armee. Die Anfrage blieb bislang unbeantwortet.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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