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PolitikEuropa

Ukraine: Westliche Panzer entscheidend

13. Januar 2023

Strategen der USA setzen auf eine alte Militärdoktrin der NATO, um der Ukraine zu helfen. Dafür braucht es jetzt Panzer aus dem Westen wie den "Challenger 2".

Kanonenrohr des Kampfpanzers Leopard 2
Der Kampfpanzer Leopard 2 könnte nach Meinung von Experten eine wichtige Rolle in der Ukraine spielenBild: picture-alliance/dpa/P. Schulze

Vor allem die Schnelligkeit der ukrainischen Armee bei der Rückeroberung der Gebiete im Nordosten des Landes hat viele westliche Militäranalysten vergangenen Spätsommer dann doch überrascht. Innerhalb weniger Tage befreiten die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten die Region Charkiw. Vor allem bei den Kämpfen um die Kleinstadt Kupjansk drang die ukrainische Armee schnell 90 Kilometer tief in russisch besetztes Gebiet vor.

Der wichtigste Schlüssel für diesen militärischen Erfolg war offenbar das Zusammenspiel von Panzern, Artillerie und Drohnen-Aufklärung in einer Vorwärtsbewegung. "Die Ukraine hat gezeigt bei dem sehr erfolgreichen mechanisierten Vorstoß in Richtung Kupjansk, dass sie durch die Kombination dieser Waffensysteme und durch vorheriges Üben in der Lage ist, mit verbundenen Waffen zu kämpfen", sagt der Ukraine-Experte Nico Lange von der Münchner Sicherheitskonferenz im DW-Gespräch.

Nach der ukrainischen Rückeroberung der Stadt Cherson im November 2022Bild: Lesko Kromplitz/REUTERS

Der "Kampf der verbundenen Waffen" – das ist so etwas wie die militärstrategische DNA der NATO aus dem Kalten Krieg. "Das heißt also Kampfpanzer, Schützenpanzer, unterstützt durch Artillerie und heute auch unterstützt durch Drohnen", so Lange – verbunden durch stete Kommunikation im koordinierten Einsatz. Die Strategie geht zurück auf den preußischen Militärreformer Carl von Clausewitz Anfang des 19. Jahrhunderts und wird heute noch an westlichen Militärakademien gelehrt.

Militärische Kommunikation und Koordinierung entscheidend

Russland hingegen habe in der Ukraine gezeigt, "dass es das Gefecht der verbundenen Waffen nicht kann", sagt in Kiew der Militäranalyst Yigal Levin. Im DW-Gespräch sagt der ehemalige Offizier der israelischen Armee und bekannte Militärblogger in der Ukraine: "Sie versuchten, dieses Konzept umzusetzen", doch dafür seien "kompetente Kommandeure" notwendig und "gute Koordinierung zwischen einzelnen Einheiten".

Doch gerade die Kommunikation und Koordinierung seien in der russischen Armee schlecht. Denn Russland habe das "Skelett, die Organisationsstruktur der sowjetischen Armee geerbt", sagt Levin. Die ukrainische Armee, die auch aus der Sowjetunion hervorgegangen ist, profitierte hingegen von US-amerikanischen und kanadischen Ausbildungsprogrammen vor allem für junge ukrainische Kommandeure seit der "Kreml-Aggression 2014", so der Militärblogger. Zudem hätten "hunderttausende Ukrainer seit 2014 Fronterfahrung gesammelt".

Einsatz westlicher Panzer im Verbund

"Und wenn die Ukraine jetzt mehr von diesen Kampfpanzern und Schützenpanzern bekommt, dann ist sie in der Lage, Einheiten aufzustellen, die auch zum Beispiel im Süden oder auch im Osten solche Durchbrüche erzielen könnten", analysiert Nico Lange. Der Ukraine-Experte meint die westlichen Schützenpanzer AMX-10 RC aus Frankreich, den Bradley aus den USA und den Marder aus Deutschland, von denen Berlin nach langem Widerstand jetzt doch 40 Stück liefern will. Großbritannien hat im Januar bestätigt, erstmals überhaupt mit dem Challenger 2 einen westlichen Kampfpanzer nach NATO-Standard der ukrainischen Armee abgeben zu wollen.

Und schließlich machte vor wenigen Tagen der polnische Präsident Andrzej Duda bei einem Besuch im westukrainischen Lwiw (Lemberg) Druck auf die deutsche Regierungspartei SPD und kündigte an, der Ukraine "eine Kompanie Leopard-Panzer" gemeinsam mit anderen westlichen Ländern liefern zu wollen – wenn die Kanzlerpartei in Berlin ihren Widerstand dagegen aufgebe. Der Leopard 2 stammt aus deutscher Produktion, in Berlin muss deshalb der Bundessicherheitsrat der Regierung unter Vorsitz von Kanzler Olaf Scholz einem solchen Waffenexport in ein Kriegsgebiet zustimmen.

Entscheidung in Ramstein?

Demnächst treffen sich die 50 Verbündeten der USA in der Ukraine-Kontaktgruppe erneut auf der amerikanischen Militärbasis Ramstein in Deutschland. Gut möglich, dass die deutsche Regierung weiter unter Druck gerät.

Der polnische Präsident Andrzej Duda (r.) hat bei seinem Besuch in Lwiw beim ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (M.) die Bundesregierung unter Druck gesetzt, Kampfpanzern an die Ukraine zuzustimmen Bild: Yuriy Dyachyshyn/AFP/Getty Images

Vor allem in Anbetracht der heftigen Kämpfe zwischen russischen Streitkräften und den ukrainischen Verteidigern um die Kleinstadt Soledar und das benachbarte Bachmut. Das russische Verteidigungsministerium behauptet mittlerweile, die Stadt Soledar eingenommen zu haben und Bachmut einkreisen zu können. Unabhängige Informationen gibt es dazu aus dem Frontgebiet nicht. Sicher scheint, dass die russischen Streitkräfte mit hohem Blutzoll, mit immer mehr Soldaten, darunter erst frisch mobilisierten jungen Männern, die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten dort immer weiter unter Druck setzen. In der Ukraine sprechen viele inzwischen von einem "Fleischwolf", der hier seit Wochen Menschenleben töte in Anlehnung an den Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg.

Gegengewicht zur russischen Übermacht

Für den US-Militärexperten Michael Kofman ist die weitere Entwicklung entlang der ostukrainischen Front kaum vorhersehbar. "Das russische Militär hat einige Vorteile aus der Mobilisierung gezogen", sagt der Russland-Experte von der  US-Navy. Doch "es ist mir überhaupt nicht ersichtlich", so Kofman in seinem aktuellen Podcast zur Lage in der Ukraine, ob die russischen Streitkräfte bereit für weitere größere Offensiven seien - "abgesehen von dem, was ich bei Bachmut gesehen habe." Die Ukraine habe seit dem vergangenen Herbst "nur bescheidene Zuwächse erzielt, aber das bedeutet nicht unbedingt, dass die nächste Offensive nicht erfolgreich sein wird", so Kofman.

Mehrfachraketenwerfer HIMARS: westliches Militärgerät gilt als entscheidend im Ukraine-KriegBild: James Lefty Larimer/abaca/picture alliance

Übereinstimmend gehen gleich mehrere westliche Analysten davon aus, dass sich die Ukraine wie Russland auf neue Offensiven vorbereiten. "Mit dem Zustrom von frisch mobilisierten Soldaten wird Russland 2023 über gewisse Offensivkapazitäten verfügen", sagt der australische Militärblogger Mick Ryan. Doch der ehemalige Generalmajor schränkt auch ein, der russische Präsident Wladimir Putin verfüge "nicht mehr über die gleichen Ressourcen wie im Februar 2022".


Wenn die Ukraine die westlichen Kampf- und Schützenpanzer hat, könnte sie sie neben den bereits gelieferten westlichen Waffensystemen einsetzen. Wie den deutschen Flugabwehrpanzer Gepard oder das mobile Artilleriesysteme Panzerhaubitze 2000 und die amerikanischen HIMARS-Raketenwerfer – die nach westlicher Manöver-Logik Teil des "Kampfes der verbundenen Waffen" sind. Die Analyse dahinter: Mit Schnelligkeit und Beweglichkeit sollen die ukrainischen Streitkräfte Russlands militärische Übermacht an Militärgerät und Soldaten wettmachen – „wenn es schnell geht" mit den Panzerlieferungen, sagt der deutsche Ukraine-Experte Nico Lange.

Mitarbeit: Mykola Berdnyk

Bringen westliche Panzer die Wende?

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