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KonflikteUkraine

Ukrainische Geheimoperationen in Russland

7. Juni 2025

Während Russland die Ukraine massiv mit Raketen und Drohnen beschießt, greift auch die Ukraine immer häufiger Ziele tief in Russlands Hinterland an. Was waren die bisher spektakulärsten Operationen?

Aufnahme eines ukrainischen Drohnenangriffs auf ein russisches Flugzeug auf einem Flugplatz
Die Operation "Spinnennetz" richtete sich gegen die russischen strategischen LuftstreitkräfteBild: Source in the Ukrainian Security Service/AP/picture alliance

In den vergangenen Tagen gab es auf verschiedenen Bahngleisen in den russischen Regionen Belgorod und Woronesch Explosionen, wodurch Züge entgleisten. Menschen kamen offiziellen Angaben zufolge nicht zu Schaden, doch die russischen Behörden ermitteln wegen Terrorismusverdachts. Die Explosionen ereigenten sich nach einer ganzen Reihe von Sabotageakten in Russland, die weltweit für Aufsehen sorgten und mutmaßlich auf geheimdienstliche Aktivitäten der Ukraine zurückzuführen sind.

Zerstörung von Logistik

Da die russische Eisenbahn Munition und Treibstoff für die Armee transportiert, war sie schon mehrfach Ziel von Sabotageakten der beiden ukrainischen Geheimdienste SBU und HUR. So sprengten am 30. November 2023 SBU-Agenten in einem Tunnel der Baikal-Amur-Magistrale einen mit Treibstoff beladenen Zug. Der Brand unterbrach tagelang die wichtigste Versorgungsroute der östlichen Regionen der Russischen Föderation.

Am 1. Juni 2025 stürzten fast zur gleichen Zeit Eisenbahnbrücken in den russischen Regionen Brjansk und Kursk ein, Züge entgleisten und sieben Passagiere starben. Auch hier ermitteln die russischen Behörden wegen Terrorismus, beschuldigen die ukrainischen Geheimdienste der Tat.

Angriffe auf die Krim-Brücke

Die 2018 eröffnete Brücke vom russischen Festland auf die 2014 von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim ist ein zentrales Element der russischen Propaganda und eine der wichtigsten logistischen Adern zur Versorgung der russischen Truppen. Der SBU organisierte bereits drei Aufsehen erregende Angriffe auf die Brücke, die wiederholt Schwachstellen der russischen Verteidigung aufdeckten.

Treibstofftanks brennen im Oktober 2022 auf der Kertsch-BrückeBild: AFP/Getty Images

Am Morgen des 8. Oktober 2022 explodierte ein mit Sprengstoff beladener, aus der russischen Region Krasnodar kommender Lastwagen auf dem zweiteiligen Bauwerk. Teile der Autobrücke brachen auf über 100 Metern Länge ein. Zudem gerieten acht Dieseltanks, die sich auf den Bahngleisen daneben befanden, in Brand. "Die Operation wurde sechs Monate lang geplant, der Sprengstoff von Scheinfirmen über Georgien, Armenien und Kasachstan transportiert, um der russischen Kontrolle zu entgehen", erklärte damals SBU-Chef Wasyl Maljuk.

22 Tage lang stand der Verkehr auf der Brücke still, was zu einem Mangel an Treibstoff und Munition auf der Krim führte und die russische Armee zu einer Umleitung ihrer Versorgung über die besetzten Gebiete der Region Saporischschja zwang. Der Anschlag hatte große psychologische Wirkung, denn er zeigte, dass wichtige russische Einrichtungen trotz strenger Bewachung verwundbar sind.

Im Sommer des folgenden Jahres setzte die Ukraine ihre Angriffe fort. Moskau war gezwungen, die Verteidigung der Krim-Brücke mit teuren S-400-Luftabwehrsystemen zu verstärken. Dennoch gab es kurz darauf einen weiteren Angriff - nicht aus der Luft, sondern vom Meer aus. Zwei Drohnen-Boote explodierten in der Nähe von Brückenpfeilern. Erneut musste Russland den Verkehr einen Monat lang einschränken. Der Angriff markierte zudem den Beginn einer ganzen Reihe von Drohnen-Attacken, die Russlands Vorherrschaft im Schwarzen Meer einschränkten.

Im Dezember 2024 griff der SBU ein Schiff an, das Baumaterial für die Brückenreparaturen transportierte. Zwei Kamikaze-Drohnen trafen das Schiff direkt in der Meerenge von Kertsch, vernichteten die Ladung und verletzten laut russischen Quellen 15 Besatzungsmitglieder. Daraufhin musste Russland auch dort seine Patrouillen verstärken.

Nicht einmal sechs Monate später, am 3. Juni 2025, platzierte der SBU unter Wasser Minen an Pfeilern der Krim-Brücke und zündete sie aus der Ferne. Aus Kyjiw hieß es, Agenten hätten die Pfeiler vermint, doch russische Medien bestritten Berichte über schwere Schäden. Dennoch wurde der Verkehr über die Brücke zeitweise unterbrochen.

Flugplätze im Visier

Die strategischen Luftstreitkräfte Russlands spielen vom ersten Kriegstag an eine wichtige Rolle bei den Raketenangriffen auf die Ukraine. Daher sind Flugplätze ein vorrangiges Ziel des SBU und HUR.

Die erste bedeutende Operation war die Beschädigung eines auf einem Flugplatz in Belarus stationierten Radarflugzeugs vom Typ A-50 durch FPV-Drohnen. Sie musste mit viel Aufwand repariert werden. Kyjiw bestritt zunächst eine Beteiligung, doch im März 2024 gab Wasyl Maljuk zu, dass es sich um zwei ukrainische Drohnen gehandelt habe.

Auf einem vom SBU verbreiteten Foto plant dessen Chef Wasyl Maljuk die Operation "Spinnennetz"Bild: Ukrainischer Sicherheitsdienst/AP/picture alliance

Im August desselben Jahres griff der HUR tief im russischen Hinterland den Flugplatz Solzi in der Region Nowgorod an. Mindestens ein Tu-22M3-Bomber wurde beschädigt. Doch es gab auch auf ukrainischer Seite Verluste. Laut dem HUR geriet sein Spähtrupp bei der Rückkehr in ukrainisch kontrolliertes Gebiet in einen Hinterhalt - ein Oberstleutnant starb.

Die bislang spektakulärste Aktion ereignete sich am 1. Juni 2025: Ganze Drohnen-Schwärme, insgesamt 117 Stück, griffen gleichzeitig vier Flugplätze in verschiedenen Teilen Russlands an. Sie wurden in gewöhnlichen Lastwagen, deren Fahrer nichts von der geheimen Fracht wussten, nah an die Stützpunkte gebracht. Laut dem SBU wurden bei der Operation "Spinnennetz" 41 Flugzeuge zerstört, darunter vom Typ A-50, Tu-95, Tu-22M3 und Tu-160, was 34 Prozent der russischen Träger für Marschflugkörper entspricht. Der NATO zufolge wurden über 40 Maschinen beschädigt, davon zehn bis 13 völlig zerstört. Russische Quellen sprechen von geringeren Verlusten.

Ein LKW in der Region Irkutsk, von dem aus ukrainische Drohnen gestartet wurdenBild: Gouverneur der Region Irkutsk Igor Kobsew/AP/picture alliance

Drohnen statt Raketen

Im Juli 2023 griff der SBU die Moskauer City an. Zwei aus Leichtflugzeugen gebaute Drohnen trafen Gebäude, ohne nennenswerte Schäden anzurichten. Die Attacke löste aber in der russischen Hauptstadt Panik aus. Laut Reuters war die Luftabwehr gegen kleine Drohnen unwirksam, weswegen die Sicherheitsmaßnahmen in Moskau verschärft wurden.

Der erste Angriff ukrainischer Drohnen auf Moskau richtete nur wenige Schäden anBild: Lev Sergeev/REUTERS

In der Folgezeit wurden Angriffe mit Drohnen alltäglich und immer wieder wurden Rekorde bei der Reichweite aufgestellt. So flog im April 2024 eine HUR-Drohne 1200 Kilometer bis nach Nischnekamsk in der Teilrepublik Tatarstan, wo sie eine Ölraffinerie in Brand setzte und die Produktion teilweise zum Erliegen brachte. Im Juni des Jahres griffen SBU-Drohnen nach einem Flug von rund 1800 Kilometern Radarstationen vom Typ "Woronesch" in der Region Orenburg an, die Teil des Frühwarnsystems für Raketenangriffe waren.

Hochrangige Vertreter des russischen Militärs im Visier

Der SBU und der HUR verübten außerdem Mordanschläge auf mutmaßliche Kollaborateure, russische Offiziere oder Ingenieure, die an Raketenangriffen auf zivile Ziele beteiligt waren. 

Bekannt ist, dass der SBU im Dezember 2024 in Moskau den Kommandeur der russischen Truppen zur Abwehr radiologischer, chemischer und biologischer Gefahren, Generalleutnant Igor Kirillow, und einen seiner Mitarbeiter getötet hat. Kirillow wurden Kriegsverbrechen vorgeworfen, darunter Angriffe mit Chemiewaffen auf ukrainische Verteidigungskräfte.

Anfang dieses Jahres erschossen ukrainische Agenten in Moskau Michail Schazkij, den stellvertretenden Chef des Konstruktionsbüros "Mars", der für die Modernisierung von Raketen sowie für die Entwicklung neuer Drohnen zuständig war. Die Operation bestätigte der ukrainische Militärgeheimdienst, ohne Details mitzuteilen.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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