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Politik

Ukrainische Leiharbeiter bei DHL

18. Dezember 2019

Seit Abschaffung der Visapflicht kommen vermehrt ukrainische Studenten als Leiharbeiter nach Deutschland. Firmen wie DHL brauchen sie im Paketgeschäft. Die Rekrutierung übernehmen Partner, die nicht immer legal agieren.

Deutschland DHL Pakete
Bild: picture-alliancet/dpa/D. Bockwoldt

In den Wochen vor Weihnachten verfällt Deutschland in einen Kaufrausch. Von der Playstation bis zum Fahrrad werden die Geschenke immer öfter im Internet gekauft, und zwar egal, wie groß und schwer sie sind. Für die Verlader in den Logistikzentren ist das ein echter Knochenjob. Unzählige Pakete müssen sie jeden Tag vom Fließband in Rollbehälter einsortieren und in LKWs verladen. 355 Millionen Päckchen und Pakete erwartet der Bundesverband der Paket- und Expresslogistik in diesem Jahr im Weihnachtsgeschäft und damit sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Um die explodierende Menge der Pakete zu bewältigen, beschäftigen die Logistikunternehmen vorübergehend tausende Leiharbeiter.

Keine Tarifbindung bei Leiharbeitern

Verlader beim Paketdienst DHL erhalten gemäß Tarifvertrag einen Lohn von 12 Euro pro Stunde. Dies gilt aber nicht für Leiharbeiter wie Petro N. (Name von der Redaktion geändert). Der Ukrainer ist bereit, für weniger als zehn Euro zu arbeiten - immerhin gerade noch ein paar Cent über dem Mindestlohn von derzeit 9,19 Euro.

Knochenarbeit am Fließband: Pakete verladenBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Für Petro, der in einem verarmten Dorf in der Westukraine aufwuchs, ist das gutes Geld. Den Ferienjob in Deutschland braucht er, um sein Studium zu finanzieren. Um zwei bis drei Monate bei DHL als Verlader zu arbeiten, zahlte er umgerechnet 200 Euro an eine Firma in der Ukraine, die ihn an eine deutsche Leiharbeitsfirma vermittelt habe, um einen Job bei DHL zu bekommen, berichtet er gegenüber der Deutschen Welle.

Petro will unerkannt bleiben, denn er fürchtet Ärger mit der Leiharbeitsfirma. Die hat "mit harten Strafen" gedroht, falls er mit Dritten über die Beschäftigung spricht. Die Ukrainer müssen sich schriftlich verpflichten, nicht mit deutschen Beschäftigten über ihre Arbeitsbedingungen und ihren Lohn zu reden. Ein solches Dokument liegt der DW vor.

Vermittler von Studentenjobs in Deutschland schießen in der Ukraine seit einiger Zeit wie Pilze aus dem Boden. Über Job-Portale im Internet werden Paketverlader, Hilfskräfte in der Gastronomie oder Putzkräfte gesucht, zum Beispiel für Toilettenanlagen auf Autobahnen. Begünstigt werden die Geschäfte der Vermittler und Leiharbeitsfirmen durch die Visafreiheit. Seit 2017 dürfen Ukrainer für touristische Zwecke ohne Visum einreisen.

"Ohne Visum" - Plakat zur Einführung der visafreien Einreise in den Schengen-Raum im Juni 2017Bild: Imago/Zumapress/S. Glovny

Jobvermittler erkannten darin ein Schlupfloch: Ferienjobs mit einer Dauer von bis zu drei Monaten im Jahr sind im Rahmen eines Sonderprogramms der Bundesagentur für Arbeit für ukrainische Studenten ebenfalls ohne Visum möglich. Bei der Einreise muss lediglich ein vom deutschen Arbeitgeber ausgefülltes Formular mitgeführt werden, abgestempelt durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Idee des Programms, dass Studenten in ihren Ferien nach Deutschland kommen sollen, gerät dabei zur Farce: Ukrainer werden nicht nur im Sommer rekrutiert, wenn sie lange Ferien haben, sondern wann immer in Deutschland Bedarf besteht.

DHL: "Gesetzliche Vorschriften eingehalten"

Von der vereinfachten Rekrutierung von Ukrainern profitieren auch Firmen wie DHL, die im Weihnachtsgeschäft händeringend nach Zeitarbeitern suchen. Der DW liegen Verträge vor, die zeigen, dass ukrainische Leiharbeiter unter anderem an den DHL-Paketzentren in Neuwied, Krefeld und Neumünster eingesetzt werden. Die Zusammenarbeit mit einer deutschen Leiharbeitsfirma, die auch Petro N. verpflichtet hat, bestätigt DHL auf Anfrage der DW.

Der Logistikkonzern betont, dass er nicht gegen Gesetze verstoße. "Wir verpflichten die von uns beauftragten Unternehmen zum Beispiel zur Zahlung des Mindestlohns und zur Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften", so die Stellungnahme der DHL. Bedeuten die Lohnunterschiede zwischen angestellten Mitarbeitern und ausländischen Leiharbeitern einen Spareffekt für DHL - oder füllen sie ausschließlich die Kassen der Leiharbeitsfirma? Diese Frage der DW beantwortet DHL nicht.

Vom Lohn bleibt nicht viel übrig

Die DHL kontrolliert zwar, dass die Leiharbeitsfirmen den Mindestlohn zahlen. Den Studenten bleiben von ihren im Schnitt 1500 Euro brutto im Monat aber nicht viel übrig. Sie müssen ihre Berufsbekleidung mieten und spezielle Sicherheitsschuhe nach den DHL-Vorschriften kaufen. Manche, wie auch Petro N., müssen sich deshalb bei Freunden und Bekannten verschulden, um überhaupt nach Deutschland zu kommen.

Die Bundesagentur für Arbeit hat in der Ukraine nur einen offiziellen PartnerBild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

Alleine die Bearbeitung und Übersendung der Unterlagen durch den ukrainischen Vermittler kostet 75 Euro. Weitere 60 Euro sind bei der Ankunft in Deutschland fällig - für die Ausstellung einer Prepaidkarte, über die der Lohn ausgezahlt wird. Dazu kommen noch die Kosten für die Hin- und Rückreise sowie rund 370 Euro monatlich für die Unterbringung in einem Zimmer mit bis zu neun anderen Arbeitern. Schließlich kassieren ukrainische Firmen, die de-facto das Rekrutieren für die deutschen Leiharbeitsfirmen übernommen haben, zwischen 200 und 400 Euro für eine Vermittlung. Und das ist illegal.

Illegales Geschäftsmodell

Denn "bei Ferienjobs unter drei Monaten muss die Vermittlung über die Bundesagentur für Arbeit laufen. Vermittlungsagenturen sind hier nicht zulässig", teilt die Behörde auf DW-Anfrage mit. Eine Kontaktanbahnung durch eine private Vermittlungsagentur macht die Sache rechtswidrig, so die Bundesagentur. "Wäre der BA ein solcher Umstand bekannt, dürfte keine Vermittlungsbestätigung ausgesprochen werden", betont ein Sprecher der Behörde. Die Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass für die Studierenden gerade keine Vermittlungsgebühren entstehen dürfen.

So war es gedacht - ukrainische Studenten als Saisonarbeiter bei der Erdbeerernte in DeutschlandBild: DW/O. Perepadya

In der Ukraine hat die Bundesagentur einen offiziellen Partner - MultiKultiUA, eine kleine NGO, die gegen eine Bearbeitungsgebühr von 65 Euro Anträge von arbeitssuchenden Studenten entgegennimmt. Dieses offizielle Vermittlungsverfahren zieht sich über vier bis fünf Monate. Ferienjobs werden nur im Sommer angeboten, vor allem als Erntehelfer. Im Weihnachtsgeschäft wird damit de-facto der Platz illegalen Vermittlern und deren deutschen Partnern überlassen.

"Die Bundesagentur für Arbeit, bei der deutsche Betriebe Bedarf melden, findet auf offiziellem Weg nur für jeden zweiten ukrainischen Bewerber einen Job", so Sergey Savicky von MultiKultiUA. Jährlich bewerben sich rund 300 Studenten über den offiziellen Partner der Bundesagentur für Arbeit. Vermittlerfirmen rekrutieren nach Schätzungen Savickys mittlerweile die zehnfache Zahl. "Deren Vermittlungsquote beträgt 100 Prozent", hält er fest. Der einzige Haken: Wenn die Bundespolizei bei der Einreisekontrolle Verdacht schöpft, dass Vermittler involviert sind, droht den Ukrainern Zurückweisung, Einreiseverbot und eine Geldstrafe.

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