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Noch eine Partei

27. Januar 2011

Viele Ukrainer sind den Streit zwischen "Blauen" und "Orangenen" leid. Nun möchte eine neue Kraft von dieser Situation profitieren. Ihr prominentester Kopf ist der Boxer Vitali Klitschko.

Vitali Klitschko in Berlin (Foto: AP)
Gekommen, um zu lernen: Vitali Klitschko in BerlinBild: AP

Der Vorsitzende einer kleinen ukrainischen Oppositionspartei, die bis jetzt noch keinen Sitz im Parlament hat, ist in Berlin zu Besuch - und die Fotografen und Kameramänner umringen ihn wie einen Skandalpolitiker oder ausländischen Staatsmann. Vitali Klitschko ist als Boxweltmeister bekannt und hat nun eine Partei gegründet: Sie heißt Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen, kurz Udar. Das heißt auf Russisch und Ukrainisch "Schlag". Das sei natürlich kein Zufall, sagt der Profiboxer. "Wenn man die Politik, besonders die ukrainische, mit dem Boxen vergleicht, dann kann man sagen: Das ist ein Kampf ohne Regeln."

Farbenfrage nicht so wichtig

Klitschko im Wahlkampf - er kandidierte bereits als BügermeisterBild: AP

Klitschko, der gemeinsam mit seinem Bruder Wladimir als Schwergewichtsboxer Karriere machte, engagierte sich während der sogenannten Orangenen Revolution vor knapp sechs Jahren zum ersten Mal politisch in seiner Heimat Ukraine. Damals demonstrierten Oppositionelle wochenlang gegen Wahlfälschungen des russlandfreundlichen Lagers und setzten schließlich Neuwahlen durch. In den vergangenen Jahren haben sich die "Blauen" und "Orangenen" einen erbitterten Kampf um die Macht geliefert, den zuletzt der "blaue" Präsident Janukowitsch für sich entscheiden konnte.

Der Boxer Klitschko hat in den vergangenen Jahren zweimal erfolglos als Bürgermeister für die Hauptstadt Kiew kandidiert. 2010 hat er nun gemeinsam mit einigen Mitstreitern eine eigene Partei gegründet. "Die Farbenfrage - orange oder blau - ist nicht mehr so wichtig in der Ukraine wie vor fünf Jahren", sagt Klitschko. Alle Parteien wollten inzwischen mehr oder weniger das Gleiche: einen europäischen Lebensstandard. "Alle wollen ein Teil von Europa werden. Alle schätzen die europäischen Werte."

Udar will, was alle wollen: Teil von Europa werdenBild: AP

Also nennt sich auch Klitschkos Partei demokratisch, pro-europäisch, sozialstaatlich und wirtschaftsfreundlich. Seit ihrer Gründung im April 2010 hat Udar nach eigenen Angaben 10.000 Mitglieder gewonnen. Doch wenn alle ukrainischen Parteien das Gleiche wollen, wie Klitschko sagt, wozu dann noch eine Partei? Die Programme dieser politischen Kräfte hätten "deklarativen Charakter", sie seien folgenlose Ankündigungen, erläutert Vitali Kowaltschuk, der stellvertretende Parteichef. "Wir möchten die Fehler unserer Konkurrenten vermeiden und eine echte Programmpartei werden." Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung berät sie nun mit Vertretern vor allem der Union darüber, wie ein solches Programm aussehen könnte.

Kanzlerin war nicht da

Udar scheint sich also eher im konservativen Spektrum einzuordnen. Wie ihr Parteiprogramm genau aussehen könnte, ist allerdings noch eher unklar. Man habe viele Fragen gehabt und viele interessante Anregungen bekommen, sagt Vitali Klitschko. Nur eine hatte für ihn keine Zeit: "Wir waren auch im Büro von Angela Merkel, aber die Kanzlerin war nicht da."

Im März muss Klitschko das nächste Mal im Boxring antreten, um seinen Weltmeistertitel zu verteidigen. Bis er auch in der ukrainischen Politik zu einem echten Schwergewicht wird, wird wohl noch etwas mehr Zeit vergehen.

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Julia Kuckelkorn