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Politik

Wendepunkt im Auslieferungskrimi von Wien

22. Februar 2017

Der Milliardär Dmytro Firtasch darf von Österreich an die USA ausgeliefert werden, so ein Gerichtsurteil. Der Fall ist vor allem wegen der Kontakte des Ukrainers zum Kreml brisant. Das letzte Wort hat der Justizminister.

Österreich Wien Dmytro Firtasch vor Gericht
Bild: Getty Images/AFP/G. Schneider

Als der Richter des Oberlandesgerichts Wien am Dienstag nachmittag das Urteil verkündete, stand der Schock Dmytro Firtasch und seinen Anwälten ins Gesicht geschrieben. Nach knapp drei Jahren juristischen Tauziehens erklärten österreichische Richter, die Auslieferung des Ukrainers an die USA sei zulässig. Das FBI beschuldigt den einflussreichen ukrainischen Geschäftsmann der Korruption bei einem Titan-Geschäft in Indien. Ihm drohen bis zu 50 Jahre Haft und die Beschlagnahme seines gesamten Vermögens.

Begeisterte Reaktionen in der Ukraine

Die Entscheidung des Gerichts in Österreich wurde von vielen Menschen in der Ukraine mit Begeisterung aufgenommen. "Gott segne die amerikanischen Ermittler und Staatsanwälte", postete kurze Zeit später die Antikorruptionsaktivistin Daria Kaleniuk bei Facebook. Posts über Firtaschs Verhaftung in Wien lösten tausende von Likes aus. Viele Ukrainer versprechen sich von der Auslieferung des Oligarchen an die USA Gerechtigkeit für einen zwielichtigen Geschäftsmann und Medienmagnaten, der exemplarisch für Verstrickung von Geld und Politik in ihrem Land steht.

Oligarch unterstütze mehrere Jahre den Präsidenten Viktor JanukowytschBild: Reuters

Dmytro Firtasch machte sein erstes großes Geld vor gut zehn Jahren mit dubiosen Gasgeschäften. 2006 wurde seine Briefkastenfirma RosUkrEnergo über Nacht exklusiver Lieferant von russischem Gas in die Ukraine. Bis 2009 flossen jährlich Milliarden US-Dollar auf die ausländischen Konten Firtaschs und anderer Miteigentümer von RosUkrEnergo, einflussreichen Russen aus dem engsten Machtzirkel im Kreml. Firtasch konnte vor Gericht auf Nachfrage nicht erklären, wie er zu diesem Geschäft seines Lebens kam. Sein Reichtum wäre ohne Gönner im Kreml unmöglich, so Kritiker. Binnen weniger Jahre kaufte Firtasch mit dem Geld aus den Gasgeschäften ganze Wirtaschaftsbranchen in seiner Heimat auf, allen voran in der Chemiebranche. In Wien hat die Holding des Ukrainers ihren Sitz, das Geld fließt durch ein Geflecht von mehr als hundert Briefkastenfirmen auf der ganzen Welt nach Zypern und teilweise auch nach Österreich.

Unterstützer auf prorussischem Kurs

Mit dem Geld, das der Oligarch auch mit russischer Hilfe verdiente, unterstützte er über Jahre den späteren Präsidenten Viktor Janukowitsch. Firtasch half dem prorussischen Politiker nicht nur mit Geld, sondern auch durch seinen Einfluss als Medienmagnat. Damit war im Frühjahr 2014 Schluss: Janukowitsch floh nach den Maidan-Protesten nach Russland, Firtasch wurde wenige Tage später in Wien verhaftet. Dass die Amerikaner den Haftbefehl gegen den russlandnahen Firtasch mitten in der Ukraine-Krise vollstrecken ließen, nährte Spekulationen, hinter dem Auslieferungsgesuch steckten auch politische Erwägungen. "Firtasch ist für die USA von großem Interesse. Er könnte als Zeuge in einem möglichen Korruptionsprozess gegen die Führungsriege von Gazprom (russischer Gasmonopolist, d. Red.) aussagen", so der amerikanische Energieexperte und Russlandkenner Michail Kortschemkin gegenüber der DW. 

Dass Firtaschs Schicksal seinen Freunden in Moskau Sorge bereitet, zeigt sich auch darin, dass seine Rekordkaution von 125 Millionen Euro nach der ersten Verhaftung in Wien vom russischen Oligarchen Wassili Anisimow überwiesen wurde. Anisimow ist ein Jugendfreund von Wladimir Putin und sein langjähriger Judo-Partner.

Im April 2015 hatte das Straflandesgericht Wien die Auslieferung des Oligarchen in die USA abgelehnt.Bild: DW/E. Theise

Juristische Kehrtwende in Wien

Zunächst lief alles gut für den Ukrainer im Wiener Prozess. In erster Instanz hatte Firtasch im April 2015 noch gewonnen: das Auslieferungsersuchen sei als "auch politisch motiviert" abzulehnen, so der Richter. Schon 2006 hatten amerikanische Ermittler und Geheimdienste laut Zeugenaussagen großes Interesse an den Hintergründen von Firtaschs Gasgeschäften und Verbindungen nach Moskau. Zur gleichen Zeit starteten die Ermittlungen zum Indien-Geschäft des Oligarchen.

Doch von amerikanisch-russischen Machtspielen wollten die Richter bei der Revision am 21. Februar 2016 nichts wissen. Zur Frage nach möglicher politischer Motivation verwies das Oberlandesgericht darauf, dass diese Überlegung nur in Bezug auf politisch motivierte Straftaten anzuwenden sei, nicht aber auf Kriminalstraftaten. "Die Firtasch vorgeworfenen Straftaten hatten keinen politischen Charakter", betonte ein Sprecher des Gerichts gegenüber der DW.

Zu der juristischen Kehrtwende hat Dmytro Firtasch wohl selbst beigetragen. Ende Januar wurden in Schleswig-Holstein Beamte des Landeskriminalamtes zu Haftstrafen verurteilt, die von Firtasch hunderttausende Euro erhalten hatten. Sie sollten Dienstgeheimnisse verraten und internationale Polizeidatenbanken angezapft haben, um Firtaschs Verteidigung über amerikanische Ermittlungen zu informieren. Als dann im November vergangenen Jahres auch noch ein Auslieferungsgesuch aus Spanien kam, wo Firtasch der Geldwäsche beschuldigt wird, wendete sich für die österreichische Justiz das Blatt in der Causa Firtasch. "Soll etwa auch das spanische Ersuchen politisch motiviert sein?", fragte der Richter vor der Entscheidungsverkündung.

Politik hat das letzte Wort

Spätestens jetzt wird der Fall doch noch politisch. Gemäß dem Auslieferungsabkommen zwischen Östereich und den USA hat der Justizminister das letzte Wort - "unter Bedachtnahme der Interessen und der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs". Der Minister wird entscheiden, ob der Ukrainer nun an die USA oder nach Spanien ausgeliefert wird. Alles spricht zunächst für die USA. Sonst hätte der Justizminister gleich dem spanischen Gesuch stattgegeben und Firtasch noch letztes Jahr nach Spanien ausgeliefert, argumentieren Strafrechtsexperten. "Der Justizminister beschloss offenbar, zunächst den Ausgang des "amerikanischen" Verfahrens abzuwarten", so Prof. Hubert Hinterhofer von der Universität Salzburg im Gespräch mit der DW.

2015 ist Klitschko (r.) Präsident Poroschenkos (l.) Parteienbündnis "Solidarität beigetreten.Bild: Reuters

Nach dem zermürbenden Gerichtsprozess in Wien steht nicht nur Dmytro Firtasch vor einem Scherbenhaufen. Auch die Regierungskoalition in der Ukraine ist beschädigt. In der Hoffnung, sich vor der amerikanischen Justiz zu retten, enthüllte Firtasch unter Eid das wahre Ausmaß seines Einflusses auf die ukrainische Politik. So habe er über Jahre nicht nur den prorussischen ehemaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, sondern auch die westlich orientierte Partei Udar des Ex-Boxers Vitali Klitschko unterstützt. Es war Firtasch, der bei einem geheimen Treffen im Frühjahr 2014 in Wien einen Deal zwischen Klitschko und dem künftigen Präsidenten Poroschenko eingefedelt hatte. Einige Monate später wurde der Ex-Boxer Bürgermeister von Kiew und Poroschenko Staatspräsident.

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