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PolitikKroatien

Ukrainisches Getreide über kroatische Häfen - eine Lösung?

4. August 2023

Nach der wiederholten Blockade der ukrainischen Schwarzmeerhäfen hat Kroatien der Ukraine angeboten, über seine Fluss- und Seehäfen Getreide in die Welt zu exportieren. Ist das eine realistische Option?

Ein Mähdrescher mäht ein gelbes Feld ab in Mykolaiv, Ukraine
In der Nähe von Mykolajiw, Ukraine, erntet ein Mähdrescher im Juli 2022 WeizenBild: Ionut Iordachescu/AFP/Getty Images

Es klang nach der guten Nachricht, auf die viele lange gewartet hatten: Als die Ukraine am Montag (31.07.2023) bekanntgab, dass Kroatien die Ausfuhr ukrainischen Getreides über seine Häfen an der Donau und Adria zugesagt hatte, wirkte es für manche so, als sei die ernsthafte Gefahr für die weltweite Ernährungssicherheit, die durch Russlands Angriff auf die Ukraine entstanden ist, endlich gebannt.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte die Nachricht nach einem Gespräch mit seinem kroatischen Kollegen Goran Grlic Radman in Kiew verbreitet. Kulebas Aussage wurde inzwischen auch vom kroatischen Außenministerium bestätigt.

Kroatiens Außenminister Goran Grlic RadmanBild: Dimitrios Karvountzis/Pacific Press/picture alliance

Kuleba betonte in einem Statement, dass "jeder Beitrag zur Freigabe des Exports, jede geöffnete Tür ein echter, effektiver Beitrag zur Ernährungssicherheit in der Welt" sei und dass beide Seiten "nun gemeinsam an den effizientesten Routen zu den kroatischen Häfen" arbeiten würden.

Riesige logistische Herausforderungen

Letzteres könnte jedoch einige Zeit dauern. Schon der Blick auf die Landkarte zeigt, welche enormen logistischen Probleme zu bewältigen wären, um diese Idee zu verwirklichen.

Ukrainisches Getreide kann über zwei ukrainische Häfen an der Donau transportiert werden: Ismajil oder Reni - beide Häfen wurden kürzlich von Russland bombardiert.

Zerstörtes Getreidesilo nach Dohnenangriffen am Hafen in Reni am 24.07.2023Bild: Ukrainian Ground Forces/ZUMA Wire/IMAGO

Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, das Getreide über das Schwarze Meer zum rumänischen Hafen Konstantza und von dort zur Donau zu transportieren. Es würde dann eine Schifffahrt von mehr als 1000 Kilometern donauaufwärts bis ins kroatische Vukovar folgen.

Aber der Hafen von Vukovar ist klein. Derzeit beträgt die Gesamtumschlagskapazität dort maximal 1,2 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr - und zwar nicht nur Schüttgut wie etwa Getreide, sondern Fracht insgesamt - in den 1,2 Millionen Tonnen eingeschlossen sind also zum Beispiel auch Container. Derzeit gibt es im Hafen auch nur ein Silo, wo man Getreide zwischenlagern könnte - mit einer Kapazität von gerade einmal 10.000 Tonnen.

Der Hafen von Vukovar in Kroatien 2005. Die Kapazitäten des Donau-Hafens sind überschaubarBild: gemeinfrei

Zum Vergleich: Nach Angaben der Europäischen Union exportierte die Ukraine von August 2022 bis Mai 2023 im Rahmen des Getreideabkommens mehr als 30 Millionen Tonnen Getreide und andere Lebensmittel. Diese Menge wurde von mehr als 1080 Schiffen transportiert. Die Kapazitäten des Hafens in Vukovar würden hier keine ernsthafte Rolle spielen.

Symbolische Geste der Unterstützung

Und dann stellt sich noch die Frage, wie Kroatien diese riesigen Getreidemengen an die Adria-Häfen in Rijeka, Zadar oder Split weitertransportieren könnte. Selbst große Lkw können maximal bis zu 45 Tonnen Fracht laden. Für den Transport von einer Million Tonnen würden demnach mehr als 22.000 solcher Lkw gebraucht werden. Das würden die Straßen in Kroatien kaum aushalten.

Eine weitere Option wäre die Bahn. Aber es ist illusorisch zu glauben, dass die seit Jahren vernachlässigte kroatische Eisenbahn, die kaum mit dem regulären Personenverkehr zurechtkommt, diese Menge an Gütern bewältigen könnte - und das auf Gleisen, die in schlechtem Zustand und überwiegend nicht elektrifiziert sind, wo Fahrten also ohnehin schon lange dauern und teuer sind.

Eine kroatische Diesellok am Bahnhof von Pula, KroatienBild: Nenad Ivanovic/DW

"Damit dieser Transport stattfinden kann, wären enorme Investitionen und viel Zeit erforderlich. Es würde Jahre dauern. Denn nicht nur die Bahn, auch die derzeit diskutierten Häfen sind für den Umschlag derart großer Mengen an Schüttgut nicht gerüstet. Das wäre alles viel zu teuer", sagt Ljubo Jurcic, ehemaliger Professor an der Wirtschaftsfakultät in Zagreb und früherer Wirtschaftsminister Kroatiens, im DW-Interview.

Finanzieller Tropfen auf den heißen Stein

Selbst in finanzieller Hinsicht würde der Getreideexport durch Kroatien für die Ukraine nicht viel bedeuten. Der aktuelle Weizenpreis auf dem Weltmarkt liegt bei etwa 350 Euro pro Tonne, bei Mais sind es 260 Euro. Selbst wenn es Kroatien gelingen würde, eine Million Tonnen zu transportieren, würde das gerade einmal einen Gewinn von etwa 300 Millionen Euro bedeuten. Und nicht einmal den würden die ukrainischen Landwirte vollständig bekommen, denn auch die Spediteure und Großhändler würden ihren Gewinn machen wollen.

Eines von etwa 1080 Schiffen, die im Rahmen des Getreideexportabkommens durch den Bosporus fuhren. Kapazität der "Asl Tia": 39.000 TonnenBild: Chris McGrath/Getty Images

Laut Jurcic wäre das Getreidetransportprojekt für Kroatien wahrscheinlich mit größeren Kosten verbunden, als dass es positive Auswirkungen für die Ukraine hätte. Er ist davon überzeugt, dass "Kroatien vor allem sein Mitgefühl mit der Ukraine zum Ausdruck bringen wollte, um zu zeigen, dass es auf ihrer Seite steht und das Land unterstützt. Es ist eher eine symbolische Geste der Unterstützung".

Geste des europäischen Musterschülers

Kroatien unterstützt die Ukraine auch militärisch. Anfang Mai etwa wurde bekannt, dass der Balkanstaat dem Land 14 Mi-8-Hubschrauber gespendet hatte. Doch was für die Getreidevereinbarung gelte, sei auch auf die anderen kroatischen Hilfeleistungen übertragbar, sagt Jurcic: "Ob es um die dorthin geschickten Hubschrauber geht oder um andere Waffen und Munition - das alles ist vor allem ein Ausdruck symbolischer Unterstützung. Diese Munition verbrauchen sie dort wahrscheinlich an einem Tag."

Ein Laster lädt im November 2022 Mais auf einem Bauernhof in Winnyzja, Ukraine, ab. Mehr als die Hälfte des geernteten ukrainischen Maises gehen an EntwicklungsländerBild: dpa/Ukrinform/picture alliance

Der Wirtschaftsexperte ordnet das Ausmaß des kroatischen Engagements mit klaren Worten ein: "Kroatiens Hilfe für die Ukraine im Krieg ist fast auf dem Niveau eines statistischen Fehlers, sie ist sozusagen unbedeutend."

Der Ökonom und ehemalige kroatische Wirtschaftsminister Ljubo Jurcic Bild: Darko Mardesic/DW

Doch die Geste des kroatischen Außenministers in Kiew ist nicht nur eine Botschaft an die Ukraine, sie sei indirekt auch an die Europäischen Kommission gerichtet, meint Jurcic. "Kroatien drückt manchmal mehr Unterstützung für die EU aus, als sie es verlangt, und profiliert sich als eines der Länder innerhalb der EU, die der Brüsseler Politik am meisten zugeneigt sind", sagt Jurcic. "Manchmal verhält sich Kroatien päpstlicher als der Papst."

 

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