Ulrich Tukurs Gesicht ist aus dem deutschen Fernsehen nicht wegzudenken. Vielen unbekannt ist jedoch seine Karriere als Musiker. Nun steht ein besonderer Tournee-Auftakt an.
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Die vielen Gesichter des Ulrich Tukur
Ob als Terrorist Andreas Baader, Menschenfreund John Rabe oder rebellischer Wehrmachtsingenieur - Ulrich Tukur hat sich nie vor komplexen Rollen gescheut. Und dabei oft zwischen Gut und Böse gewechselt.
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Der lange Weg zur Spitze
Aufgewachsen im beschaulichen Viernheim bei Mannheim hat sich Ulrich Tukur, am 29.7.1957 als Ulrich Gerhard Scheurlen geboren, einen Spitzenplatz in der deutschen Schauspieler-Riege erspielt. Bis zum Grimme-Preis, Bambi und Co. war es jedoch ein langer Weg. Seine Schauspielkarriere führte ihn über verschiedene Theaterbühnen bis zu seinem Leinwand-Debüt im Jahr 1982 in "Die weiße Rose".
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Heißer Stoff in "Stammheim"
1975 endete der Prozess gegen die RAF-Mitglieder Baader, Ensslin, Meinhof und Raspe mit vier harten Urteilen. Im Politdrama nach dem Buch "Der Baader-Meinhof-Komplex" übernimmt Tukur die Rolle von Terrorist Andreas Baader. Dass die Filmvorführungen unter Polizeischutz stehen, verdeutlicht die Brisanz des Themas, zahlreiche Auszeichnungen belegen seine hervorragende Umsetzung.
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Fast wie bei Tarantino
Ein verlassener Bahnhof und drei tote Gangster. Die Tatort-Folge "Im Schmerz geboren" beginnt wie ein Western und endet wie ein Tarantino-Streifen. Als Kommissar Felix Murot sieht sich Ulrich Tukur mit einer Vielzahl von Leichen konfrontiert. Einer der skurrilsten Tatorte-Krimis, der nicht mit Anspielungen auf Meilensteine der Filmgeschichte geizt.
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Kurioses Vorsprechen
Es ist die wahrscheinlich untypischste Rolle Ulrich Tukurs, in der er als lebensmüder Astronaut Gibarian an der Seite von George Clooney durch die unendlichen Weiten des Alls gleitet. Kurios ist der Hintergrund: Das Bewerbungsvideo für die Rolle in "Solaris" an Regisseur Steven Soderbergh zeigte die Reaktionen von Tukurs Hund auf dessen Vorsprechen. Mit Erfolg!
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Eine traurige Wahrheit
Als Ingenieur der Wehrmacht versucht Kurt Gerstein (Ulrich Tukur) das systematische Vergasen von Menschen in den Konzentrationslagern mit Hilfe eines katholischen Priesters an die Öffentlichkeit zu bringen. Erfolglos, denn der Papst glaubt ihm nicht. Der auf einer wahren Geschichte basierende Film "Der Stellvertreter" (2002) kritisiert den fehlenden Protest des Vatikans gegen den Holocaust.
Bild: Concorde
Erfinder der Rosinenbomber
Die Blockade von Berlin durch die Sowjetunion ließ 1948 nur eine Möglichkeit zu: Hilfe aus der Luft. In "Die Luftbrücke - Nur der Himmel war frei" verkörpert Ulrich Tukur den Initiator dieses Unternehmens, US-General Lucius D. Clay. Für Tukur die Gelegenheit, endlich einmal eine alliierte Uniform überzustreifen und sich als Amerikaner zu versuchen.
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Der Böse im Leben der Anderen
Alles andere als Ostalgie und Plattenbauidylle – "Das Leben der Anderen" setzt sich als erster deutscher Film gewissenhaft mit der Repression der Bürger durch den DDR-Staatssicherheitsdienst auseinander. Tukur überzeugt als staatstreuer Stasi-Offizier Grubitz. Das mit vergleichsweise wenig Budget produzierte Werk wird überraschend mit dem Oscar als "Bester Fremdsprachiger Film" ausgezeichnet.
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Grauen in Schwarz-Weiß
Es ist der versteckte Horror hinter niemals lachenden Kindergesichtern, der den Film "Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte" beklemmender macht, als so machen Schocker voller Gewalt und Blut. Tukurs Rolle: Ein martialisches Familienoberhaupt im fiktiven Dorf Eichenwald am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Die Schwarz-Weiß-Verfilmung heimst internationale Preise wie die Goldene Palme ein.
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Auf der anderen Seite des Gesetzes
Es ist ein irritierend harmloser Tätertyp, den Ulrich Tukur im Taunuskrimi "Die Lebenden und die Toten" aus der Feder der Bestsellerautorin Nele Neuhaus verkörpert. Anstatt des Tatort-Kommissars mimt Tukur diesmal den pedantischen Heckenschützen, der seine Opfer penibel mit dem Lineal von seiner Liste streicht, nachdem er sie ins Jenseits befördert hat.
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Der gute Deutsche in China
Als deutscher Kaufmann John Rabe versucht Ulrich Tukur in den Wirren des Zweiten Weltkriegs seine chinesischen Mitarbeiter vor dem Bombenhagel der Japaner zu retten. Ikonisch: Der Rettungsversuch durch eine große Hakenkreuzflagge über den Köpfen der chinesischen Arbeiter. Eine große Geschichte mit viel Budget, die beim Publikum nicht so recht zünden mochte.
Ob Tatort, Fernseh- oder Kinofilm - der heute 59-Jährige war und ist auf vielen Leinwänden präsent. Musikalisch aktiv ist der Erzähler und Schauspieler seit 1995 unter dem Bandnamen "Ulrich Tukur & die Rhythmus Boys". Am Montag präsentieren die Deutsche Botschaft und die Deutsche Schule Budapest ein Konzert der besonderen Art: Der Auftakt einer internationalen Konzertreise in Budapest. Unter der Schirmherrschaft des Staatsministers für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, spielt die selbsternannte "älteste Boyband der Welt" mit ihrem Programm "Swing im Frühling" bei eine Drei-Länder-Tournee von Budapest über Belgrad nach Laibach.
Zu Budapest hat Tukur ein ganz besonderes Verhältnis, wie er im DW-Gespräch verrät: "Ich habe im Jahr 1981 fünf Wochen hier verbracht, meinen ersten Film gedreht: 'Die weiße Rose', die Geschichte über den studentischen Widerstand gegen Hitler unter der Regie von Michael Verhoeven." Er könne sich heute an eine Stadt erinnern, "die natürlich ganz anders war: Das war grau, das war verfallen. Das war auch spannend, ganz merkwürdig leer. Es war viel weniger los." Er sei damals zum ersten Mal in einem Ostblockland gewesen.
Zwischen Nostalgie und Nonsens
Musik ist aus Ulrich Tukurs Leben ebenso wenig wegzudenken wie die Schauspielerei. Schon in den späten 1970er Jahren engagiert sich der studierte Schauspieler als Akkordeonspieler, Pianist und Sänger in der von ihm gegründeten "Floyd-Floodlight-Foyer-Band". 1989 folgt seine erste Schallplatte "Tanzpalast", auf der er eigene Klavier- und Akkordeoninterpretationen im Stil beschwingter Schellack-Zeiten zum Besten gibt. Mit seiner skurrilen Rock-, Nostalgie- und Nonsens-Show mit eben diesem Namen geht der musikalische Grenzgänger im selben Jahr auf Deutschlandtournee.
Mit seinen Rhythmus Boys interpretiert Tukur Evergreens von Schlager bis Chanson und spielt Eigenkompositionen, dabei ist die gute Laune der Goldenen Zwanziger Programm. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, dass die Musik der Rhythmus Boys auch in Budapest funktioniert, zögert Tukur: "Das weiß ich nicht. Ich bin sehr gespannt. Keine Ahnung. Das ist natürlich sehr fröhlich, das ist schräg, das ist eine kuriose Art von Unterhaltungsmusik aus der vergangenen Zeit, die wir natürlich versuchen ironisch zu unterlaufen. Zu zerlegen und ganz neu aufzubauen." Er glaube aber, "dass es in Osteuropa auch sehr gut funktionieren könnte."
Auf vier Studioalben und eine über 20-jährige Bandgeschichte kann die Tanzkapelle mittlerweile zurückblicken. Die Bühne teilt sich Tukur, der selbst zum Mikrophon, Akkordeon oder Klavier greift, mit Kontrabassist Günter Märtens, Gitarrist Ulrich Mayer und Schlagzeuger Kalle Mews.
Liebevoll ironisch
Man sollte sich vom galanten Auftreten der vier Herren aber nicht täuschen lassen: Bei jeder Note schwingt auch ein wenig Ironie mit, ohne jedoch die nostalgische Unterhaltungskunst ins Lächerliche zu ziehen. Wie sie selbst sagen: "Wir wollen gar nicht ernst genommen werden!"
"Das Leben ist eine Tragikomödie, das Leben hat Abgründe, das Leben endet tödlich", sagt Tukur. Das Leben sei etwas, was man nicht verstehen könne. "Es ist aber immer auch gleichermaßen hochkomisch." Guter Humor sei immer "eine Lebensäußerung, die diesen Abgrund gelten lässt und in Rechnung stellt, aber eben auch versucht, mit Leichtigkeit und Witz darüber hinweg zu fliegen."
Unter Programmtiteln wie "Let's Misbehave" bringen Ulrich Tukur und seine drei Rhythmus Boys Schlager, Cha-Cha-Cha und alles andere mit dezenter Schrägheit auf die Bühne. Garniert wird das ganze mit einer ordentlichen Portion Selbstironie, hin und wieder auch mit Einlagen humoristischer Körperkunst. Da wird in bester Rockstarmanier posiert und sich in Trance gespielt. Ein Genuss für Viele: Wer möchte "Tatort"-Ermittler Murot nicht einmal musizierend erleben?