Eine stärkere Berücksichtigung von Ultrafeinstaub in der Atmosphäre könnte nach Ansicht von Forschenden aus Karlsruhe Starkregen und Dürren viel präziser vorhersagen.
Solche ultrafeinen Partikel entstehen vor allem durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe mit Abgasreinigungsanlagen, etwa in Kraftwerken und Raffinerien, im Schiffsverkehr oder besonders auch in Großfeuerungsanlagen mit neuester Abgas-Technologie, heißt es in der Analyse, die in Scientific Reports veröffentlicht wurde.
Zwar gehe durch die Abgasreinigung der gröbere Feinstaub zurück und der seit den 1990er Jahren eingesetzte Ammoniak verhindere die Bildung von Stickoxiden (NOx) in Abgasen von Industrieanlagen, aber dafür gelangten Unmengen an Nano-Partikeln in die Atmosphäre.
Wolken können nicht abregnen
Diese Nano-Partikel wiederum sorgen für kleinere Regentropfen, die sich in einer Wolke sammeln. Normalerweise beginnt der Wasserdampf seine Kondensation an Wolkenkondensationskernen (CCN - Cloud Condensation Nuclei), die 0,0002 Millimeter klein sind. An solch einem Kondensationskern sammeln sich die Wassertröpfchen, die einen Durchmesser von 0,01 mm haben. Dies ist zu klein, um den Luftwiderstand zu überwinden und mittels Schwerkraft zu Boden zu fallen.
"Eine Größe von ca. 1-2 mm muss erreicht werden, damit die Fallgeschwindigkeit größer ist als die Aufwindgeschwindigkeit unter bzw. in einer Wolke. Als 'Kern' für Regentropfen sind wenigstens ein paar Wolkentröpfchen von mindestens 0,025 mm notwendig", erklärt Dr. Wolfgang Junkermann vom KIT.
Als Wolkenkondensationskerne seien die in der Atmosphäre vorhandenen Ultrafeinstaubpartikel unter 0,00004 mm Durchmesser allerdings nicht brauchbar, da eine Wasserschicht auf der stark gekrümmten Oberfläche schneller verdunste als sie anwachsen könne, so Junkermann.
Durch die Nano-Partikel bleiben die Tropfen zu klein, sie verbinden sich nicht, können deshalb auch nicht den Luftwiderstand überwinden und können entsprechend auch nicht abregnen.
"Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre, der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätzliches Energiereservoir in der mittleren Troposphäre, das extreme Niederschläge begünstigt. Das kann dann hunderte Kilometer entfernt passieren", sagt Junkermann. Der Regen wird also durch die Nano-Partikel immer weiter hinausgezögert, bis er schließlich weit entfernt wolkenbruchartig als Starkregen zu Boden fällt.
Deutliche Zunahme von Nano-Partikeln in der Atmosphäre
Bei weltweiten Messungen mit Kleinflugzeugen konnten die KIT-Forschenden nachweisen, dass sich der Anteil an Ultrafeinstaub-Partikeln zum Beispiel im Mittelmeerraum in den vergangenen 50 Jahren um den Faktor 25 erhöht hat. "Im selben Zeitraum gibt es starke Veränderungen bei den Niederschlägen, weg von regelmäßigen Regenfällen und hin zu Dürren und stärkeren Extremereignissen", erläutert Junkermann.
Nach Abgleich mit einem über einen Zeitraum von 20 Jahren zusammengetragenen Datensatz aus Europa, Asien, Mittelamerika und Australien waren ähnliche Muster auch in Australien und in der Mongolei erkennbar. Gemeinsam mit dem Klimaforscher Jorg Hacker vom unabhängigen Forschungsinstitut Airborne Research Australia (ARA) konnten die KIT-Forschenden daraus einen ganz neuen Forschungsansatz ableiten.
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Präzisere Vorhersagen?
Bislang können die Klima-Modelle nur vorhersagen, dass sich ein Extremwetter zusammenbraut. Wo genau der Starkregen aber schließlich niedergeht, ist bislang noch sehr schwer abzuschätzen.
Bislang wurde in den Klima-Modellen allerdings auch noch nicht die drastische Zunahme von Ultrafeinstaub-Partikeln in der Atmosphäre angemessen berücksichtigt. In den bisherigen Berechnungen werden laut KIT standardmäßig Staubwerte aus Emissionsszenarienvom Anfang des 20. Jahrhunderts verwendet.
"Mit aktuelleren Daten könnte die Modellierung des Wasserkreislaufs, der Niederschlagsänderungen und der Extremwetterereignisse vermutlich wesentlich verbessert werden", erklärt Junkermann.
Im Idealfall ließe sich so wesentlich präziser vorhersagen, wann und wo der Starkregen vermutlich niedergeht. Anwohner und Katastrophenschutz könnten entsprechend deutlich gezielter vorgewarnt werden.
Extremwetterkongress 2021: Der Klimawandel ist real
In Hamburg findet derzeit der jährliche Extremwetterkongress statt. Meteorologen und Klimaforscher hatten vorab eine einfache Nachricht: Wir sind uns einig über die Ursachen des Klimawandels.
Bild: Fotolia/Daniel Loretto
Normales Wetter oder schon Klima?
Der Hurrikan Olaf, der hier Anfang September über Baja California tobt, ist ein normales Wetterphänomen. Aber Extremwetterlagen treten weltweit immer häufiger auf, weil der Klimawandel in vollem Gange ist. Die Organisatoren des Extremwetterkongresses haben unter anderen mit dem Deutschen Wetterdienst, der Meteorologischen Gesellschaft und Helmholtz-Klimaforschern Basisfakten dazu veröffentlicht.
Hurrikan Nicholas traf praktisch zeitgleich mit Olaf auf die US-Küste bei Texas. Das aber ist kein Zufall mehr. Die deutschen Meteorologen und Klimaforscher fassen ihre Nachricht in knappen Worten zusammen: Der Klimawandel ist real und gefährlich. Die Fachleute sind sich einig, dass wir Menschen die Ursache sind. Und: Wir können noch etwas tun!
Bild: Annie Rice/AP/picture alliance
Extremwetter in Echtzeit
Angesichts der wachsenden Gefahr durch Hurrikane und Waldbrände warnt Präsident Joe Biden, es sei "Alarmstufe Rot für unsere Nation". Extreme Wetterereignisse haben in den USA in 2020 Rekordkosten von 100 Milliarden Dollar verursacht. "Wissenschaftler warnen uns seit Jahren davor, dass extremes Wetter noch extremer werden wird. Wir erleben es jetzt in Echtzeit."
Bild: Fotolia/Daniel Loretto
Überlastete Infrastruktur
Tropenstürme führen gigantische Wassermengen mit sich. China erlebte in diesem Sommer ebenfalls mehrfach schweren Starkregen. Ende August mussten die Betreiber der Xiaolangdi-Talsperre am Gelben Fluss in der Provinz Henan alle Schleusen weit öffnen, um nach heftigen Regenfällen den Druck auf den Stausee zu verringern.
Bild: Jia Fangwen/Costfoto/picture alliance
Niederschläge zerstören Lebensgrundlagen
Die Menschen in Hunan hatten schon einen Monat zuvor mit schweren Überflutungen zu kämpfen gehabt. Hier retten Helfer Bewohner der Stadt Weihui mit schwerem Gerät aus ihren überfluteten Stadtteilen.
Bild: Str/Getty Images/AFP
Eine Schneise der Zerstörung
Global gesehen reihen sich die Überflutungen in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in eine ganze Reihe von Hochwasserkatastrophen ein. Für Deutschland waren die Niederschläge im Juli ungewöhnlich heftig. Die Bilder aus dem fast völlig zerstörten Ort Schuld an der Ahr überschatten in diesem Jahr den Hamburger Extremwetterkongress - wie eine Mahnung zum Handeln.
Bild: Wolfgang Rattay/REUTERS
Vorsicht vor der Macht der Natur
Ungewöhnliche Bilder aus Bayern: Ein Tornado wirbelt Anfang August den Bodensee bei Friedrichshafen auf. Höhere Temperaturen, mehr Verdunstung und stärkere Wolkenbildung bringen auch mehr Tornados mit sich. Diese werden im Durchschnitt damit auch stärker.
Bild: Dr. Christoph Sommergruber/dpa/picture alliance
Dächer abgedeckt
Verstörende Bilder auch aus der Tschechischen Republik: Eine Schneise der Verwüstung hinterließ ein solcher Tornado Ende Juni im Dorf Moravská Nová in Südmähren..
Bild: Regionalbüro der Region Südmähren
Die andere Seite: Trockenheit
Auch Dürren werden durch den Klimawandel verstärkt. In Afghanistan verschärft die extreme Trockenheit in diesem Sommer die ohnehin schon verzweifelte Lage vieler Menschen. Vom Kabul-Fluss ist kaum noch etwas zu sehen außer einer schlammigen Pfütze. Das UN-Welternährungsprogramm warnt: 14 Millionen Menschen - ein Drittel der Bevölkerung - sind vom Hunger bedroht.
Bild: Ton Koene/VWPics/UIG/imago
Ackerbau im Staub
Unter ganz ähnlichen Bedingungen leiden die Bauern im Süden Angolas. DW-Korrespondent Nelson Camuto hat dieses Bild Ende August aufgenommen. Nach Schätzung der Diakonie-Katastrophenhilfe sind weltweit 41 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Die meisten davon durch Extremwetterereignisse. Kriege und die Corona-Krise haben viele Menschen zusätzlich von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten.
Bild: Nelson Camuto/DW
Nachrungsmittel weggefressen
Verschärft wurde die Lage in großen Teilen Subsahara-Afrikas auch durch mehrere Heuschreckenplagen seit 2020. Nach Schätzung der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO breiten sich die gefräßigen Insekten begünstigt durch den Klimawandel zunehmend in bergigeren Regionen aus, wo sie zuvor nicht solch starke Schäden angerichtet haben.
Bild: Baz Ratner/REUTERS
Waldbrände als Dauerzustand
Jahr für Jahr übertreffen sich weltweit die Meldungen über Waldbrände mit neuen Superlativen. Ob in Australien, Russland, Nordamerika (wie hier das Dixie-Feuer bei Taylorsville, Kalifornien) oder im Mittelmeer-Raum, wo es dieses Jahr besonders Griechenland, die Türkei und Spanien schwer getroffen hat. Auch darum geht es beim Extremwetterkongress in Hamburg.