Die meisten Deutschen würden eine erneute Kanzlerkandidatur von Angela Merkel begrüßen. Die CDU-Chefin will sich dazu noch an diesem Sonntag äußern. Inzwischen trat das Präsidium in Berlin zusammen.
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Es wäre schon eine faustdicke Überraschung, wenn die Parteivorsitzende nach einer Klausursitzung von Präsidium und Vorstand der Christdemokraten nicht ihre vierte Kanzlerkandidatur ankündigen würde (19 Uhr MEZ im Livestream auf dw.com). Angela Merkel ist seit April 2000 CDU-Vorsitzende und seit November 2005 Kanzlerin. Würde ihre Amtszeit nach dieser Wahlperiode 2017 enden, wäre sie zwölf Jahre Kanzlerin gewesen. Bei einer weiteren Amtszeit wäre sie so lange im Amt wie Helmut Kohl.
Mehrere Spitzenpolitiker der CDU hatten in den vergangenen Wochen kaum einen Zweifel daran gelassen, dass sich Merkel um eine weitere Amtszeit bewerben werde. Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der "Welt am Sonntag", mit keiner anderen Kandidatin und keinem anderen Kandidaten wären die Chancen der Union bei der Bundestagswahl 2017 besser als mit Merkel. "Es weiß inzwischen jeder, dass sie wieder kandidieren wird", sagte der CDU-Europapolitiker Elmar Brok der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Kanzlerin im leichten Aufwind
Nichts anderes erwarten übrigens auch die meisten Bundesbürger. Und jüngsten Umfragen zufolge würden sie es sogar begrüßen: In einer Emnid-Erhebung, aus der die Zeitung "Bild am Sonntag" zitiert, wünschen sich 55 Prozent der Befragten eine weitere Amtszeit der Bundeskanzlerin. 39 Prozent äußerten allerdings, dass Merkel nach der Wahl 2017 besser nicht Kanzlerin bleiben solle. Dennoch habe sich die Zustimmung für die CDU-Chefin deutlich verbessert, heißt es. Im August seien noch 50 Prozent gegen eine weitere Amtszeit gewesen und nur 42 Prozent dafür.
Wenn Merkel an diesem Sonntag ihren Hut in den Ring wirft, ist der Wahlkampf praktisch eröffnet, auch wenn sich bislang noch kein Gegner aus der Deckung gewagt hat. Die Sozialdemokraten sortieren noch ihr Spitzenpersonal, nachdem Außenminister Frank-Walter Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten nominiert wurde.
Die SPD will sich "nicht treiben lassen"
Auf dem Weg zur 4. Kanzlerschaft
Sie galt als Übergangskandidatin in der CDU nach Helmut Kohl. Seit 16 Jahren ist sie nun die Chefin der Partei, seit elf Jahren residiert sie im Kanzleramt. Und will dort eine weitere Amtszeit verbringen.
Bild: Reuters/M. Rehle
Der erste Eid
"Ich will Deutschland dienen." Das versprach Angela Merkel, als sie antrat, Bundeskanzlerin zu werden. Nach einem äußerst knappen Sieg bei der Bundestagswahl war es dann am 22. November 2005 so weit: Merkel wurde im Bundestag als erste Frau und als erste Ostdeutsche als Kanzlerin vereidigt. Damit war sie Regierungschefin einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD.
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Wer hat Angst vor Putins Hund?
Außenpolitisch hat es Merkel mit einem mächtigen Widersacher zu tun. Merkel ist für ihre starken Nerven bekannt. Wladimir Putin wollte offenbar die Grenzen der Kanzlerin austesten, als er sie 2007 empfing. Prompt fand Russlands Präsident Merkels Schwachstelle: Die Kanzlerin hat Angst vor Hunden. Putins Labrador-Hündin Koni bekam dennoch lange Leine.
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Rettung unter die Schirme
Meistens bleibt Merkel cool - was ihr bei Krisen oft nützt. Als 2008 die Finanzmärkte kollabieren und die deutsche Konjunktur mit nach unten ziehen, handelt sie. Maßgeblich ist sie am Konstrukt der Euro-Rettungsschirme beteiligt. Sie profiliert sich als Krisenmanagerin. Deutschland kommt weitgehend ungeschoren davon. Merkels Maßnahmen bekommen andere zu spüren: vor allem die Griechen und Spanier.
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Mit Wunschpartner in die zweite Amtszeit
Zwar fährt sie das zweitschlechteste Wahlergebnis für die Unionsparteien in deren Geschichte ein, dennoch wird die Bundestagswahl am 27. September 2009 für Angela Merkel zum Triumph. Nach der ungeliebten großen Koalition mit der SPD kann sie nun mit ihrem Wunschpartner regieren: der liberalen FDP.
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Die Schnellabschalterin
Merkel, die als studierte Physikerin angeblich alles vom Ende her denkt, hatte eine Atomkatastrophe im Hightechland Japan nicht vorhergesehen. Unter dem Eindruck der Havarie in Fukushima mutierte die überzeugte Atomkraftbefürworterin 2011 in Windeseile zur Gegnerin. Die gerade von ihr herbeigeführte Laufzeitverlängerung für deutsche Meiler kassierte sie handstreichartig. Nun hieß es: aussteigen.
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Der Mann an ihrer Seite
Wer würde ihn erkennen? Wer kennt seine Stimme? In zehn Jahren Kanzlerschaft ist Merkelgatte Joachim Sauer so gut wie unbemerkt geblieben. Der Professor für physikalische und theoretische Chemie an der Berliner Humboldt Universität ist seit 1998 mit Angela Merkel verheiratet. Ist seine Gattin im Dienst, hält er sich diskret im Hintergrund. Privat funktioniert das auch mal umgekehrt.
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NSA: Die Krise der Freundschaft
Eine pikante Affäre. Ausgerechnet der beste Freund, die USA, hört deutsche Spitzenpolitiker ab. Der US-Geheimdienst macht selbst vor dem Kanzlerin-Handy nicht halt. Merkel sagt lange nichts zu den Enthüllungen um mitgehörte Telefonate im Kanzleramt. Ein innen- wie außenpolitischer GAU für die Regierungschefin. In Erinnerung bleibt ihr Satz: "Abhören unter Freunden, das geht gar nicht!"
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Der griechische Patient
Merkels weltweite Fangemeinde ist groß, in Griechenland allerdings etwas kleiner. Nirgendwo wurde sie so angefeindet wie 2014, auf dem Höhepunkt der Athener Finanz- und Schuldenkrise. Alte Feindbilder wurden reaktiviert, doch die Kanzlerin blieb hart: Sparen, reformieren, kürzen, hieß ihre Forderung an die Regierung in Athen.
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Einmal emotional
Angela, die Beherrschte, die Sparsame in Gestik und Mimik, legt beim Weltmeisterfinale in Rio alle protokollarischen Zwänge ab und jubelt gemeinsam mit Bundespräsident Joachim Gauck. Sie ist auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, die Fußballnationalmannschaft auch. Zwei, die in aller Welt das Deutschenbild prägen.
Bild: imago/Action Pictures
Wir schaffen das, oder!?
Hat Merkel jetzt ihr Thema gefunden? Das Asylrecht kenne keine Obergrenze, sagte die Kanzlerin, als hunderttausende Flüchtlinge über den Balkan nach Deutschland kommen. "Wir schaffen das!", lautet Merkels Credo in der Flüchtlingskrise. Sie habe einen Plan, sagt Merkel. Doch viele Deutsche fragen sich inzwischen: "Schaffen wir das?" Die Antwort bleibt offen.
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Was nun, Frau Merkel?
Freitag, der 13. - ein Massaker im November. Frankreich ist im Ausnahmezustand, Angela Merkel sichert dem Nachbarn "jedwede Unterstützung" zu. Terrorangst greift um sich. Zweifelsohne: Die Bundeskanzlerin steht zum zehnjährigen Jubiläum ihrer Regentschaft vor ihrer größten Herausforderung.
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Rauch unterm Dach
Es war die maximale Abstrafung der Bundeskanzlerin. Auf dem CSU-Parteitag im November 2015 nimmt sich Horst Seehofer Angela Merkel zur Brust. Ihre Flüchtlingspolitik habe dem Land einen Kontrollverlust über die eigenen Grenzen beschert, kanzelt er sie ab. Eine Demütigung, die Merkel im Stehen ertragen muss, ohne Gelegenheit zur Antwort.
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Könnte er nicht noch bleiben?
Sie wäre beruhigter. Anfangs war sie Obama gegenüber skeptisch. Die NSA-Affäre um das abgehörte Kanzlerinnen-Handy schien ihre Zurückhaltung zu bestätigen. Doch nun verlässt ein berechenbarer Partner die Bühne und macht Platz für Donald Trump. Die "New York Times" ruft sie jetzt schon zur "Verteidigerin des liberalen Westens" aus.
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Nach Angaben von Parteivize Manuela Schwesig will die SPD ihren Kanzlerkandidaten unabhängig von Merkels Entscheidung küren. "Ich finde es richtig und wichtig, dass wir uns jetzt von den aktuellen Ereignissen und Spekulationen nicht treiben lassen", sagte sie dem Sender SWR.
SPD-Chef Sigmar Gabriel stimmt dennoch schon auf den Wahlkampf gegen die amtierende Kanzlerin ein: "Wir erwarten, dass Merkel am Sonntag das sagt, was jeder weiß: Dass sie die CDU in den nächsten Wahlkampf führt", sagte der amtierende Vizekanzler bei einem Parteitag der Thüringer SPD in Erfurt. "Wir freuen uns auf eine demokratische Auseinandersetzung."