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Politik

Umkämpfte Gewässer: Afrikas Große Seen

10. September 2018

Victoria-, Malawi- oder Tanganjikasee: In Ostafrika liegen einige der größten und tiefsten Seen der Erde. Die meisten sind gleichzeitig Grenzgewässer - und Grund für Konflikte um Staatshoheit und wertvolle Ressourcen.

Afrika Viktoriasee in Kenia
Bild: picture-alliance/dpa/S. Morrison

"Die Grenze ist auf dem See nicht sichtbar", sagt ein kongolesischer Fischer im DW-Gespräch. "Auf dem Land sieht man sie, auf dem Wasser nicht." Er arbeitet auf dem Eduardsee, der auch an Uganda grenzt. Soldaten würden ein regelrechtes Geschäft damit machen, Fischer auf die andere Seite der Grenze zu drängen und dann ein hohes Bußgeld zu erheben, erzählt er. Richard Karemire, Sprecher der ugandischen Armee, sieht keinen Konflikt mit den "befreundeten Truppen" aus dem Nachbarland. Am Ursprung der Probleme stünden die Menschen, die illegal fischen würden.

Auf dem Eduardsee hatten ugandische Soldaten nach mutmaßlichen Zusammenstößen mit der kongolesischen Armee Anfang Juli auf kongolesische Fischer geschossen. 13 von ihnen wurden getötet, 92 weitere verhaftet, hieß es auf kongolesischer Seite. Verhandlungen zwischen beiden Ländern blieben ohne Ergebnis. Weiter nördlich teilen sich die beiden Staaten einen weiteren See, den Albertsee. Ende Juli verurteilte ein ugandisches Gericht 35 kongolesische Fischer zu bis zu drei Jahren Haft. Sie hätten illegal in ugandischen Gewässern gefischt.

Steuereinnahmen, Rohstoffe und Flüchtlinge sorgen für Streit

Die Beispiele von der ugandisch-kongolesischen Grenze seien symptomatisch für die ganze Region der Großen Seen in Ostafrika, sagt der Afrikawissenschaftler Phil Clark von der Londoner SOAS-Universität. "Die schlechte Wirtschaftslage macht sich bemerkbar und die ugandische Regierung versucht, die Steuereinnahmen aus dem Fischfang zu retten." Hinzu komme im Falle des Albertsees der Streit um die jüngsten Ölfunde. Außerdem überquerten Zehntausende Flüchtlinge aus Kongos umkämpftem Nordosten den See, um in Uganda Schutz zu suchen - was dort für weitere Anspannung sorge.

Der vielschichtige Konflikt hat historische Ursprünge: "Das Gebiet um diese Seen - den Albert- und den Eduardsee - gehörte früher zusammen. Erst die Europäer haben es aufgeteilt", sagt Jean-Pierre Masala. Der kongolesische Botschafter in Uganda ist entrüstet: "Wenn es so einen Streit gibt, müssen die regionalen Führer das nachbarschaftlich regeln!"

Koloniales Erbe

Die Kolonialmächte hätten die Grenzen zwischen Staaten künstlich gezogen - und oft entlang der Seen, erklärt Afrikawissenschaftler Phil Clark. Nur deshalb hätten sie heute ein solches Konfliktpotenzial. Im Streit um ihre Rechtsansprüche berufen sich manche Staaten noch heute auf diese koloniale Grenzziehung. Malawi etwa erhebt gegenüber Tansania Anspruch auf die ganze Nordhälfte des Malawisees und beruft sich auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1890. Damals sprach Deutschland dem britischen Territorium - heute Malawi - die gesamte Wasserfläche zu. Das weicht aber ab von einem gängigen Rechtsverständnis, nach dem die Grenze in der Mitte eines Gewässers zu ziehen ist. Drohungen, den Streit vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, hat das Land bisher nicht wahrgemacht. Beobachter drängen auf eine außergerichtliche Einigung. Doch Ölfunde unter dem See dürften diese erschweren.

Fischhändlerinnen warten am Victoriasee in Kenia auf die FischerbooteBild: picture-alliance/dpa/G. Forster

Eine weitere Schwierigkeit: "Die Hauptstädte sind üblicherweise weit von diesen Grenzen entfernt. Das erschwert die Möglichkeiten dieser schwachen Staaten, ihre Grenzen zu kontrollieren", sagt Clark. Im Streit um die regionale Vorherrschaft dient die Grenzkontrolle immer wieder zur Demonstration der eigenen Stärke - etwa im Streit um die Ansprüche auf Migingo Island, wo ugandische Streitkräfte im Juni eine kenianische Schule räumten. Die Insel auf dem Victoriasee beanspruchen beide Länder für sich.

"Fische halten sich nicht an das Völkerrecht"

Statt einer rigorosen Auslegung der Grenzen bieten sich bisweilen flexible Nutzungsregelungen an. Dafür plädiert Francisco Marí, Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei Brot für die Welt. "Fische halten sich nicht an das Völkerrecht", sagt Marí. Wenn Fische zum Beispiel bestimmte Uferregionen zum Laichen bevorzugen und dort deshalb nicht gefangen werden dürfen, könnte die Kontrolle länderübergreifend stattfinden: Fangquoten und eine Begrenzung der Fischerboote statt Grenzüberwachung.

So lief es bis vor kurzem auch auf dem Victoriasee. "Jeder durfte fischen, solange er sich registriert hat und die Steuer von zwei Tagesfängen bezahlt hat", sagt Marí im DW-Gespräch. Kontrolliert hat das eine Selbstverwaltung der Fischer durch "Beach Management Units" (BMU). "Wenn diese Einheiten selbst kontrollieren, wann wie viel gefischt wird und unter welchen Bedingungen - etwa nur mit grobmaschigen Netzen -, können sie ihr eigenes Interesse sichern. Sie wollen ja, dass auch noch ihre Kinder vom Fischfang leben können", sagt Marí.

Ugandische Fischer auf dem Weg zum EduardseeBild: picture-alliance/Anka Agency International

Dennoch gab es Beschwerden über illegales Fischen und Korruption unter den BMUs. Ugandas Präsident griff durch - und schaffte die Einheiten auf seinem Gebiet  ab. Jetzt kontrolliert die Armee - wie auch am Albert- und Eduardsee - und geht dabei nicht zimperlich vor. Im Laufe eines Jahres wurden hunderte Boote verbrannt, zahlreiche Netze zerstört. Manche Fischer begrüßen das sogar, denn so können sich Fischbestände erholen, die durch Überfischung und illegale Fischerei gefährdet sind. Doch viele wünschen sich die Selbstverwaltung zurück. Marí warnt vor einem allzu strikten Vorgehen: "Unter diesen Armutsverhältnissen muss Subsistenzfischerei weiter möglich sein. Das gilt etwa für Frauen, die vom Ufer aus ihre Netze auswerfen. Sonst wird noch mehr Armut und Hunger geschaffen."

Für einen bewussten Umgang mit dem Konfliktpotenzial

Ausgerechnet der Kivusee sei der Lösung ein Stück näher gekommen, sagt Clark von der SOAS. Der See liegt in einem besonders konflikterprobten Gebiet an der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda. Vor einigen Jahren wurde festgestellt, dass Methangase am Grunde des Sees lagern. Die werden vor allem von ruandischer Seite aus gefördert - denn dort sind die Vorkommen am größten. Die Profite kommen aber beiden Ländern zugute. "Es gab einen regen Kontakt zwischen Funktionären beider Länder", sagt Clark. Offenbar habe die lange Konfliktgeschichte auf beiden Seiten eine besondere Wachsamkeit geschaffen für die Gefahren des Konflikts.

Mitarbeit: Alex Gitta, Emmanuel Lubega, Veronica Natalis

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