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Umstieg auf E-Mobilität: Die Not der Zulieferer

22. November 2019

Absatzkrise und die Umstellung auf E-Mobilität machen der Autoindustrie zu schaffen. Viele Zulieferer wollen Jobs abbauen. Und sie müssen mit den Autobauern um einen kleineren Kuchen kämpfen.

Deutschland | Autozulieferer ElringKlinger
Bild: picture-alliance/dpa/Bildfunk/S. Schuldt

Lange Jahre lief es wunderbar in der deutschen Autobranche. Selbst die Dieselkrise 2015 hat dem weltweiten Absatz nicht wirklich geschadet. Nun scheinen die rosigen Zeiten vorbei zu sein. Zwar stiegen die Absatzzahlen in der EU im Monat Oktober wieder an - viel mehr wiegt jedoch der Markt in China und dort sieht es übel aus. Allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres wurden dort elf Prozent weniger Autos verkauft. Besonders betroffen sind die Zulieferer. Hier häufen sich die Hiobsbotschaften.

Der weltgrößte Autozulieferer Bosch plant in den nächsten drei Jahren mehr als 2000 Stellen in Deutschland zu streichen. Brose will im selben Zeitraum rund 2000 Arbeitsplätze in Deutschland abbauen. Schaeffler will weltweit auf 3400 Jobs verzichten. Die weltweite Nummer drei, Continental, baut seinen Konzern im großen Stil um, wodurch in den nächsten zehn Jahren bis zu 20.000 Stellen betroffen sein werden, fast ein Zehntel der Belegschaft. Bei Mann+Hummel sollen weltweit 1200 Stellen wegfallen.

Es ist ein tiefer Fall der Branche, sagt Thomas Puls, Autoexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW). "Wir schauen zurück auf ein goldenes Jahrzehnt. Die deutschen Hersteller haben ihren Absatz seit 2005 um über 70 Prozent gesteigert. Das hat auch die Zulieferer mitgezogen." Diese goldene Phase sei nun vorbei. Die Entwicklung des Weltmarktes lasse nicht zu, dass die deutschen Autobauer und Zulieferer die riesigen Produktionssteigerungen der letzten 15 Jahren weiterführen können, so Puls. "Der Wind wird auf jeden Fall deutlich rauer."

Bremsspuren auf dem Automarkt

Das weltweite Wirtschaftswachstum und damit auch das Wachstum auf den Automärkten sind von den weltweiten Handelsstreitigkeiten deutlich abgebremst worden. Vor allem werden im größten Automarkt China weniger Autos verkauft. Zudem wirft der in der Luft hängende Brexit lange Schatten voraus. Das bekommen die Autobauer zu spüren und in Folge auch ihre Zulieferer. Auch der Klimawandel stellt die Autobranche vor große Herausforderungen.

"Der technologische Wandel mit dem elektrischen Antriebsstrang, der jetzt immer lauter an die Tür klopft, wird in den nächsten Jahren noch keinen großen Effekt haben", glaubt Puls. Es sei immer noch ein winziger Nischenmarkt. "Perspektivisch - nach 2025 - wird er immer wichtiger werden. Da führt kein Weg dran vorbei."

Haben Deutsche zu lange auf den Diesel gesetzt?

Während also die Gewinne wegbrechen, müssen die Unternehmen gleichzeitig massiv in alternative Antriebe der Zukunft investieren. Anderswo hat man schon viel früher damit begonnen - so kommen die meisten Hybrid- und Elektroautos, die auf dem Markt sind, von Tesla und von chinesischen sowie japanischen Herstellern. Die deutschen Autobauer haben lange auf den Diesel- und Benzinmotor gesetzt und sich im Wesentlichen erst nach der Dieselkrise in Richtung alternative Antriebe bewegt.

Ins Hintertreffen seien sie aber nicht geraten, sagt Felix Mogge. Er ist Senior Partner der Unternehmensberatung Roland Berger. "Wenn wir uns die Anzahl der Patente anschauen, die von deutschen Zulieferern im Bereich Elektromobilität angemeldet werden, dann ist mir grundsätzlich um die Wettbewerbsfähigkeit der Zulieferindustrie nicht bange." Mogge hält die deutsche Automobilzulieferer-Industrie grundsätzlich für relativ gut aufgestellt.

Zulieferer nicht alle gleichermaßen betroffen

Allerdings gilt das nicht für alle Zulieferer. Während es kleine Zulieferer, die sich stark auf Verbrennungsmotoren ausgerichtet haben, schwerer tun mit der Umstellung auf E-Mobilität und autonomes Fahren, haben es die großen leichter. So heißt es von der ZF Friedrichshafen AG, mittlerweile einer der größten Zulieferer der Welt: "Wir haben eine sehr uneinheitliche Entwicklung in unseren Geschäftsfeldern. Es gibt da durchaus noch einige Bereiche, die wirtschaftlich sehr gut da stehen und wo auch noch hohe Auftragsvolumen hereinkommen. Es gibt andere Bereiche die nicht so gut dastehen," sagt Christoph Horn, Kommunikationsleiter von ZF. Er weist aber auch darauf hin, dass sein Unternehmen aufgrund der Größe seines Portfolios eine besondere Stellung einnehme.

Der Zulieferer Bosch verspricht sich von automatisiertem Fahren künftiges WachstumBild: Foto: Bosch

Die Getriebe habe ZF in den letzten Jahren elektrifiziert. Mit diesen Hybrid-Getrieben könnten auch rein elektrische Fahrzeugen angetrieben werden, so Horn. Die Umstellung auf E-Mobilität wirkt sich somit auch auf die Struktur der Branche aus, sagt Thomas Puls. "Viele Bauteile, die heute in einem Verbrennungsmotor verbaut werden, sind für ein Elektrofahrzeug einfach überflüssig." Dementsprechend sehe man im Zulieferer-Bereich schon seit Jahren Konzentrationsbewegungen. "Die ganz großen Zulieferer kaufen quasi alles auf, was mit Elektronik zu tun hat und beginnen jetzt auch andere Geschäfte, die mit dem konventionellen Antriebsstrang verbunden sind, abzustoßen", erklärt Puls. Andererseits seien auch zahlreiche Zulieferer von diesem ganzen Wandel überhaupt nicht betroffen, beispielsweise Hersteller von Außenspiegel oder Türschlössern.

Autobauer machen Zulieferern Konkurrenz

Es ist also viel Unruhe in der Autoindustrie. Was den Zulieferern zusätzlich das Leben schwer macht: Sie müssen auch mit den Autobauern selber um Margen kämpfen. So produziert VW beispielsweise seit kurzem Batteriesysteme für seine neue Elektroauto-Serie selber, anstatt sie von Zulieferern einzukaufen. Bei Daimler gibt es noch Diskussionen, ob man den elektrifizierten Antriebsstrang von Zulieferern bezieht oder ihn selber im Stammwerk in Stuttgart-Untertürkheim herstellt.

Die Zulieferer reagieren, indem sie mit Kampfpreisen um die Aufträge werben. Dafür versuchen sie die Kosten zu drücken, natürlich auch die Arbeitskosten. So sorgen sich viele Arbeitnehmer, dass ihre Jobs in Niedriglohnländer abwandern könnten. Zwar hat der Zulieferer ZF bislang keinen Arbeitsplatzabbau angekündigt, trotzdem haben Ende September 5000 Mitarbeiter vor der Konzernzentrale für den Erhalt ihrer Jobs demonstriert und der Betriebsrat kritisiert, dass neue Werke im Ausland gebaut werden, während die Auslastung in Deutschland sinkt.

Getriebemontage bei ZFBild: ZF Friedrichshafen AG

Christoph Horn von ZF sagt dazu, dass die Situation durchaus bedrohlich sei. "Wenn die Krise nicht schlimmer wird und die wirtschaftliche Entwicklung so bleibt, wie sie jetzt ist, und wenn keine zusätzlichen Einschläge wie zum Beispiel ein harter Brexit dazu kommen, dann kann ZF auf absehbare Zeit weiter Flexibilisierungs-Instrumente nutzen." Gemeint ist beispielsweise Abbau von Arbeitszeitkonten statt Abbau von Arbeitsplätzen.

Weniger Jobs in der Zukunft rechtfertigen keinen Stellenabbau jetzt

Langfristig aber wird es in der deutschen Autoindustrie in jedem Fall weniger Arbeitsplätze geben, da sind sich alle einig. Die IG Metall, die sich für die Rechte der Arbeitnehmer stark macht, rechnet damit, dass von den derzeit über 830.000 Arbeitsplätzen in zehn Jahren bis zu 130.000 weniger gebraucht werden.

Das sei allerdings kein Grund, schon jetzt Stellen abzubauen, sagt Roman Zitzelsberger von der IG Metall. Denn schon jetzt gebe es einen Fachkräftemangel in der Branche und die demografische Entwicklung in Deutschland wird das Problem noch verschärfen. "Es ist nicht nachvollziehbar, das man 2019 die Leute auf die Straße setzen soll", schimpft Zitzelsberger. "Wir reden ja nicht über einen Prozess, bei dem morgen alles anders ist, sondern über einen Prozess, bei dem beispielsweise durch Alters-Fluktuation ohnehin vieles in den nächsten zehn bis zwölf Jahren passiert."

Zitzelsberger kritisiert, dass viele Zulieferer die aktuelle Situation vorschieben würden, um Strukturanpassungen zu machen, Arbeitsplätze nach Osteuropa zu verlagern und so ihre Gewinne zu maximieren. Dagegen wollen an diesem Freitag (22. November) in Baden-Württemberg mehrere Tausend Mitarbeiter von Autobauern, Zulieferern und aus dem Maschinenbau protestieren.

Deutsche Autoindustrie vor dem Aus?

Gegenwärtige Absatzkrise, Umstellung auf Elektromobilität, Suche nach neuen Geschäftsfeldern, Kostendruck, eine starke Konkurrenz durch in die Branche drängende Unternehmen aus dem Tech-Bereich und von chinesischen Autoherstellern - da kann man sich schon fragen, ob die goldenen Zeiten für die deutsche Autoindustrie für immer vorbei sind.

Felix Mogge von der Unternehmensberatung Roland Berger glaubt das nicht. "Ich bin überzeugt davon, dass wir in Deutschland weiterhin eine sehr starke Fahrzeug-Produktion sehen werden," so Mogge. "Ich glaube, die Entwicklung der in den letzten Jahren und auch die Bemühungen anderer Unternehmen in den Fahrzeugbau einzusteigen, haben gezeigt, dass die Produktion eines Automobils eine komplexe Angelegenheit ist, die viel Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrung benötigt."

Die deutsche Autoindustrie sei dafür grundsätzlich gut aufgestellt, auch wenn einzelne Unternehmen vielleicht Federn lassen müssten. Es werde andere Arten von Fahrzeugen geben, die eine andere Anzahl von Komponenten brauchen. "Das wird auch dazu führen, dass es den einen oder anderen Zulieferer, den es heute gibt, in der Zukunft vielleicht nicht mehr geben wird," so Mogge. Aber es habe auf der anderen Seite durchaus den einen oder anderen Neueinsteiger in der Branche gegeben, "so dass uns insgesamt über die Zulieferindustrie sowohl in Deutschland als auch weltweit nicht bange ist."

Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion
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