Strikte Regeln, zweifelhafte Deals
12. Juli 2012 Sie ist eines der bekanntesten Friedenssymbole: "Non-Violence", die Skulptur eines Revolvers mit Knoten im Lauf vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in New York. Zwar sind die Vereinten Nationen weit davon entfernt, einen Knoten in die Gewehrläufe dieser Welt zu binden. Die Regulierung des internationalen Waffenhandels allerdings rückt in greifbare Nähe. Seit knapp zwei Wochen verhandeln Vertreter der 193 UN-Mitgliedsländer und zahlreiche Hilfsorganisationen in New York über einen Vertrag, der den Waffenhandel begrenzen soll. Alfred von Wittke, der Vertreter der Bundesrepublik auf der Konferenz, sagte am Montag (09.07.2012) in New York, es sei wichtig, dass ein "robuster, realisierbarer und wirksamer" Vertrag zustande komme.
Forderung nach "Goldener Regel"
Deutschlands Regelungen für Rüstungsexporte gelten bei Nichtregierungsorganisationen als vorbildhaft. Gemeinsam mit den anderen EU-Staaten hat sich Deutschland bereits im Jahr 1998 eine Begrenzung des Waffenhandels selbst auferlegt: Es dürfen keine Waffen exportiert werden, wenn die Gefahr besteht, dass mit ihnen Menschenrechte verletzt oder Krisen angeheizt werden. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Oxfam fordern, diese sogenannte "Goldene Regel" in den UN-Vertrag aufzunehmen. Und auch die Bundesrepublik macht sich für einen strikten internationalen Vertrag nach europäischem Vorbild stark, sagt Paul Holtom vom Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). "Deutschland versucht, diese Standards zumindest zu einem gewissen Grad auch in dem internationalen Vertrag zu verankern." Die Bundesrepublik wolle nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern sie wolle die Standards auch in anderen Ländern erhöhen, so der Rüstungsexperte.
Trotz seiner strikten Rüstungsexportregeln zählt Deutschland zu den größten Waffenexporteuren der Welt. Nach Zahlen von SIPRI - die allerdings nicht ganz unumstritten sind - liegt Deutschland beim Verkauf von Waffen weltweit auf Platz drei, hinter den USA und Russland. Deutsche Großwaffensysteme wie Kampfpanzer, U-Boote oder Kriegsschiffe sind weltweit begehrt. Der Großteil der deutschen Waffenexporte ist politisch und rechtlich unbedenklich. Die Rüstungsgüter gehen hauptsächlich an andere EU-Staaten oder NATO-Verbündete.
Zweifelhafte Rüstungsdeals
Zuletzt gab es jedoch auch einige strittige deutsche Waffenexporte. Auf heftige Kritik der Opposition stieß beispielsweise der Verkauf von U-Booten an Israel. Die U-Boote der Dolphin-Klasse sollen sich mit Atomwaffen bestücken lassen. Noch heftiger fiel die Kritik am geplanten Verkauf hunderter deutscher "Leopard"-Kampfpanzer an Saudi-Arabien aus. "Es gibt Spielraum im Rahmen der Gesetze, also des Außenwirtschaftsgesetzes und des Kriegswaffenkontrollgesetzes und es gibt auch Spielraum im Rahmen der politischen Richtlinien", sagt der Politikwissenschaftler Joachim Krause von der Universität Kiel. Der Fall Saudi-Arabien sei allerdings eine Ausnahme. "Und es ist ja auch noch nicht das letzte Wort in diesem Fall gesprochen", so Krause.
Es mögen Ausnahmefälle sein. Dennoch verkauft die Bundesregierung U-Boote in die Krisenregion des Nahen Ostens und plant einen Panzerdeal mit Saudi-Arabien, einem Land mit schlechter Menschenrechtssituation. Selbst für einen Staat mit so strikten Rüstungsexportregeln wie Deutschland gilt: Was ein Krisengebiet ist und wo Menschenrechte verletzt werden, liegt oft im Ermessen der jeweiligen Regierung. Viele Länder legen ganz unterschiedlich aus, was ein Krisengebiet ist. "Da haben wir den Eindruck, dass häufig der Menschenrechtsaspekt gegenüber außenwirtschaftlichen oder außenpolitischen Aspekten völlig nachrangig ist, und das kann natürlich nicht sein", kritisiert Mathias John, Rüstungsexperte bei Amnesty International. "Da muss ein Staat, der solche Exporte genehmigt, auch rechenschaftspflichtig gemacht werden."
Amnesty fordert Sanktionsmöglichkeit
Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen hoffen, dass am Ende der Verhandlungen ein Waffenhandelsvertrag herauskommt, der die Kriterien für die "Goldene Regel" genau definiert. "Es sollte möglichst auch eine zentrale Stelle auf UN-Ebene geben, die so etwas kontrolliert, auch mit der Möglichkeit Sanktionen zu verhängen, wenn die nationalen Gesetzgebungen nicht in der Lage sind, entsprechende Strafen bei Verstößen gegen ein solches Abkommen zu verhängen", fordert Mathias John von Amnesty. Ob am Ende der Verhandlungen in New York ein strenger Vertrag steht, ist allerdings fraglich, denn die Positionen der Länder sind sehr unterschiedlich. Besonders Russland und China machen sich für eher "weiche" Regelungen stark. Experten gehen zwar davon aus, dass ein Vertrag zustande kommt, am Ende aber hinter den strengen Richtlinien Deutschlands und der EU zurückbleibt.