Umstrittene Entwicklungszusammenarbeit mit Privatwirtschaft
6. April 2014Stabile landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten sollen aufgebaut werden, um Bauern in Entwicklungsländern zu unterstützen. Das Projekt "German Food Partnership" bringt im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) öffentliche und private Akteure zusammen, etwa deutsche und multinationale Unternehmen. Mit einem Etat von über 70 Millionen Euro stehen eine "Kartoffel-Initiative", eine "Ölsaaten-Initiative" und eine "konkurrenzfähige Reis-Initiative" in Afrika sowie eine "Initiative zu besserem Reis" in Asien in den Startlöchern. Auf Anfrage der Partei Bündnis 90/Die Grünen stellte das BMZ im Februar im Bundestag klar, dass es bei der "German Food Partnership" (GFP) nicht um die Förderung des internationalen Handels gehe, sondern vielmehr um die nachhaltige Produktion für den lokalen Markt.
Das sieht die Nichtregierungsorganisation Oxfam anders. Das Projekt sei in erster Linie für deutsche Unternehmen nützlich, "die sich neue Märkte erschließen und damit ihre Profite steigern können", meint Marita Wiggerthale, Expertin für Welternährung und globale Handelsfragen bei Oxfam, im DW-Interview. Es sei zu bezweifeln, dass arme Kleinbauern in den jeweiligen Ländern wirklich erreicht würden. Im Blickpunkt der "German Food Partnership" seien vielmehr jene Bauern, die gute Voraussetzungen mitbringen, um in Wertschöpfungsketten integriert zu werden.
Kleinbäuerliche Familienbetriebe als Hauptzielgruppe
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erklärte auf Anfrage der DW: "Die Vision der GFP ist es, die Armut im ländlichen Raum zu reduzieren und die Versorgung mit lokal und regional produzierten Nahrungsmitteln auf nachhaltige Weise zu verbessern." Und widerspricht den Befürchtungen von NGOs wie Oxfam: "Arme kleinbäuerliche Familienbetriebe werden am meisten von den Aktivitäten der GFP profitieren." Sie seien die Hauptzielgruppe der GFP-Projekte und würden geschult, um durch verbesserte und nachhaltige Produktionsmethoden ihre Erträge zu steigern und zusätzliches Einkommen zu erwirtschaften.
Dennoch sei das Hilfswerk Oxfam besorgt, so Marita Wiggerthale, dass Bauern dazu gebracht würden, Düngemittel, Pestizide und Industriesaatgut von großen Konzernen zu kaufen, die am Projekt beteiligt sind - zum Beispiel BASF oder Bayer. Ob das der Weg sei, der sich für die Bauern am Ende lohne, bleibe abzuwarten.
Produktneutrale Entscheidungen
Das BMZ ist bemüht, auch hier Bedenken zu zerstreuen. Kleinbauern würden "produktneutral" geschult: Zu Demonstrationszwecken würden den Bauern verschiedene technische Geräte vorgeführt und miteinander verglichen, so dass die Entscheidungen immer noch bei den bäuerlichen Betrieben in den jeweiligen Projektländern lägen. Auch die Schulungen der GFP seien für alle Bauern in den Projektregionen zugänglich.
Das Projekt gehöre eher zu einer Image-Strategie der beteiligten Unternehmen, meint Jochen Steinhilber, Referent für Globale Politik und Entwicklung bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. Mit dem Aufkommen finanzstarker privater Geber seien eine Reihe von Problemen verknüpft, wie "die Nachhaltigkeit ihres Engagements".
Aus seiner Sicht sei die Frage zentral, "ob der GFP-Ansatz, der auf Produktivitätssteigerungen setzt, überhaupt der richtige ist". Wichtiger seien bei der Bekämpfung von Hunger "vor allem Verteilungsfragen, hier in erster Linie der Zugang zu Wasser und die Landfrage, die im Rahmen von GFP natürlich nicht thematisiert wird."
Patente auf Hybridsamen
Die indische Physikerin, Umweltaktivistin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, macht auf ein weiteres Problem aufmerksam. Die großen Saatgut-, Pestizid- und Düngemittelkonzerne, die an der GFP beteiligt sind, würden mittlerweile nicht nur die Patente auf gentechnisch veränderte Nahrung besitzen, sondern ebenso auf nicht gentechnisch veränderte Lebensformen, also beispielsweise Hybridsamen: sogenannte Hochertragssorten, die einmalig große Erträge einbringen und anschließend nachgekauft werden müssten. Die GFP spricht sich in ihrem Programm konkret gegen die Verwendung von gentechnisch verändertem Saatgut aus, nicht jedoch gegen Hybridsaatgutsorten.
Außerdem sollten die bestehenden Verträge innerhalb der GFP offengelegt werden, so Shiva. Denn die deutsche Öffentlichkeit habe das Recht zu sehen, wie die aus Steuergeldern stammenden über 70 Millionen Euro eingesetzt würden. "Die GFP hat den Anspruch auf größtmögliche Transparenz", versichert das BMZ. Man wolle zeitnah auf der GFP-Homepage ausführliche Informationen zu den Zielsetzungen, Inhalten und Umsetzungsmodalitäten der GFP-Projekte zur Verfügung stellen.