Umstrittenes ACTA-Abkommen
13. Februar 2012Geistiges Eigentum muss geschützt werden – darin sind sich Befürworter wie Gegner des Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) einig. Doch die Frage, wie das geschehen soll, spaltet die Gesellschaften in Europa. Tausende von Menschen gehen in diesen Tagen auf die Straße, um gegen das internationale Abkommen zu protestieren. Sie befürchten, dass der ACTA-Vertrag die Freiheitsrechte im Internet einschränkt.
Plädoyer für Reform des Urheberrechts
Ziel des Abkommens ist es, Urheberrechte international besser durchzusetzen. So soll zum Beispiel die Fälschung von Produkten erschwert werden. Dabei geht es sowohl um materielle Güter als auch um digitale. Gerade für Netz-Aktivisten ist das ein Grund zur Sorge. Denn der ACTA-Vertrag könnte zur Folge haben, dass Internetprovider in großem Umfang zur Überwachung der Inhalte verpflichtet werden, die sich über ihre Leitungen verbreiten. Da jeder Nutzer mit Hilfe der IP-Adresse, also der Identifikationsadresse eines Endgeräts, identifizierbar ist, könnte auf diesem Weg ein umfangreiches Überwachungssystem mit unabsehbaren Folgen entstehen.
"Wir wollen ACTA nicht", erklärt Netz-Aktivist Markus Beckedahl auf seiner Internetseite netzpolitik.org. "ACTA ist eine Richtungsentscheidung, das bestehende Urheberrecht zu zementieren. Wir wollen das bestehende Urheberrecht reformieren und an das digitale Zeitalter und unser Mediennutzungsverhalten anpassen." Beliebte Videoportale wie YouTube wären aus Sicht der Kritiker kaum noch denkbar, sollte ACTA durchgesetzt werden. Deshalb plädiert Beckedahl wie viele Gegner des Abkommens für eine grundlegende Reform des Urheberrechts.
Kritik an Verhandlungsweise
Dagegen befürwortet Michael Kretschmer, Vorsitzender des Arbeitskreises Netzpolitik der CDU Deutschlands, den ACTA-Vertrag. "Das Abkommen transportiert nur unsere Vorstellung von dem, was der Schutz des Eigentums ist, in andere Teile der Welt", sagt der Bundestagsabgeordnete im DW-Interview. "Und Deutschland hat ein besonderes Interesse und einen besonderen Rang, wenn es darum geht, Eigentum und die Rechte daran zu schützen." Die Sorgen der Kritiker hält er für "nicht begründet". Er plädiert dafür, jetzt noch einmal die Inhalte darzustellen und die vielen Befürchtungen und "Unterstellungen, die haltlos sind", aufzuklären.
Für Kritik an dem Abkommen hatte unter anderem gesorgt, dass es zwischen den Staaten im Geheimen verhandelt wurde. Der ACTA-Vertrag geht auf eine Initiative der USA und Japans aus dem Jahr 2006 zurück. Im Januar unterzeichneten die EU und zehn weitere Staaten das fertige Vertragswerk. Damit ACTA in Kraft tritt, muss es vom Europäischen Parlament und von den Parlamenten der Mitgliedstaaten gebilligt werden. Allerdings hat derzeit noch nicht einmal die Hälfte der 27 EU-Mitgliedstaaten das Abkommen unterschrieben – und die Front der Unterzeichner bröckelt.
Entscheidung aufgeschoben
Unter dem Eindruck massiver Proteste setzten Polen, Tschechien, die Slowakei und Lettland die Ratifizierung von ACTA aus. Auch die deutsche Unterschrift fehlt noch. Offiziellen Angaben zufolge hatte das "formale Gründe". Doch am Freitag (10.02.2012) zog das Auswärtige Amt die bereits erteilte Weisung zur Unterzeichnung des umstrittenen Vertragswerks wieder zurück. Die Entscheidung der Bundesregierung habe den ACTA-Gegnern zumindest "ein bisschen Zeit verschafft", äußerte Beckedahl. "Aber uns wäre es natürlich lieber gewesen, sie hätte erkannt, dass sie ACTA gar nicht unterzeichnen möchte." Mit ihrer Entscheidung habe sie den Schwarzen Peter nun an das Europäische Parlament weitergereicht.
Autorin: Anne Allmeling
Redaktion: Andreas Noll