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Rechte für die Natur?

Ruby Russell
5. Februar 2020

Um der Natur mehr Rechte zu geben, werden Ideen indigener Völker aufgegriffen: Länder wie Ecuador, Bolivien und Uganda machen Flüsse, Wälder und sogar Reis zu juristischen Personen. Hilft das beim Umweltschutz?

Gewässer im Süden Bangladeschs
Bild: DW/M. M. Rahman

"Wir sehen uns nicht als die Besitzer des wilden Reis", sagt Frank Bibeau, ein Rechtsanwalt vom Volk der Anishinaabe, einer indigenen Gruppe, die im Norden der USA und Kanada lebt. "Wir sehen uns als symbiotische Partner, als gleichberechtigte Wesen vor Gott."

Bei der Ernte dreschen die Anishinaabe den wilden Reis, auch 'Manoomin' genannt, dabei fliegen viele Samen in die Luft.

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"Eine Menge Reis wird so in alle Richtungen verstreut, und damit wieder ausgesät. Ungefähr die Hälfte oder etwas mehr fällt in unsere Kanus - das nutzen wir dann als Nahrung", erklärt Bibeau. "So sind wir selber auch ein Teil im natürlichen Prozesses der Nachsaat."

Wilder Reis gehört seit vielen Generationen zur Nahrung der Anishinaabe im Gebiet der Großen Seen im Nordamerika. Um eine Ölpipeline zu stoppen, die jetzt durch das Ökosystem gebaut werden soll, hat Bibeau eine neues Gesetz für das Stammesrecht konzipiert, das dem Manoomin-Reis eigene Rechte gibt. 

In Quito, Ecuador protestieren die Waorani für Mitspracherecht wenn es um Eingriffe in ihren Lebensraum gehtBild: Imago Images/Agencia EFE/J. Jacome

Laut der Nichtregierungsorganisation 'Community Environmental Legal Defense Fund'(CELDF), die Bibeau bei der Gesetzgebung beraten hat, ist Manoomin-Reis die erste Pflanze, der eigene Rechte zugebilligt werden. Weltweit werden bereits verschiedene Flüsse, Wälder und auch die Natur insgesamt, von "Natur-Rechten" geschützt. 

Indigene Ansätze in der Gesetzgebung

"Konventionelle Umweltgesetze sind eigentlich dazu da, um zu regulieren, wie wir mit der Natur umgehen", erklärt Mari Margil vom CELDF. "Die Konsequenzen dieser Regulierungen waren so verheerend, dass Menschen auf der ganzen Welt nun sagen, dass wir einen wesentlichen Wandel in unserem Verhältnis zur Natur brauchen."

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Immer mehr Politiker und Umweltorganisationen argumentieren, dass indigene Völker die verlässlichsten Bewahrer unseres Planeten sind. Der Natur Rechte zu geben, könnte deren Sichtweisen auch in der breiteren Gesellschaft stärker verankern.

In diesem Sinne wurde Ecuador das erste Land, das Naturrechte 2008 in seiner Verfassung verankert hat. Die Natur wird darin personifiziert von Pachamama, die in den Anden als Göttin der Erde verehrt wird.

Indigene Proteste gegen eine Pipeline in KanadaBild: Getty Images/AFP/J. Redmond

Auch Bolivien und Uganda haben inzwischen Naturrechte in ihre Verfassungen aufgenommen, in Schweden gibt es bereits den Antrag auf einen ähnlichen Verfassungszusatz.

Eine gesündere Beziehung zur Natur

Der Natur eigene Rechte zuzuschreiben, kann nicht nur dazu genutzt werden, Umweltverschmutzer strafrechtlich zu verfolgen. Es stellt auch die Art von Umweltschutz in Frage, der Natur lediglich als eine Art Dienstleister betrachtet und nur den ökonomischen Wert von sauberer Luft, Wasser, Artenvielfalt oder Naturschutzgebieten berechnet.

In Neuseeland durfte das Iwi Maori Volk das Schutzgebiet rund um den Whanganui-Fluss in Neuseeland nicht mehr betreten, obwohl der Stamm dort seit Generationen nachhaltig gejagt und gefischt hatte. Im Jahr 2017 wurde der Konflikt gelöst, indem der Fluss zu einer eigenen juristischen Person erklärt wurde, der weder dem Staat noch den indigenen Völkern gehört.

Die Professorin für Maori-Recht, Jacinta Ruru, sieht es als bahnbrechend an, dass das neuseeländische Recht jetzt die besonders enge Beziehung indigener Völker mit der Umwelt berücksichtigt - und keinen Unterschied macht, ob etwas gut für die Menschen oder die Natur ist. 

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"Mein Volk vergleicht die Venen in den Armen mit den Flüssen des Landes", erklärt Ruru. "Für uns ist die eigene Gesundheit, das Glück und Wohlbefinden eines Menschen vollständig verbunden mit der Gesundheit und dem Wohlbefinden der Natur um uns herum."

Strategische Kompromisse

Ruru sagt, es sei noch zu früh, um die ökologische Auswirkung des neuen Rechtsstatus des Whanganui-Flusses in Neuseeland zu beurteilen. Ebenso bleibt abzuwarten, ob der neue Rechtsstatus für den Manoomin-Reis den Interessen der Pipeline-Investoren tatsächlich gewachsen sein wird.

In Ecuador wurde die neue Verfassung dafür genutzt, den Bau von Plantagen und Straßen zu verhindern, die Waldgebiete bedrohten. Doch die neuen Reche in der Verfassung haben nicht ausgereicht, ein ganzes Wirtschaftssystem zu verändern, das auf ökonomischem Wachstum basiert. In vielen Fällen, die indigene Gruppen gegen Unternehmen vorbrachten, haben Wirtschaftsinteressen gesiegt gegen die Rechte Pachamamas, der Naturgöttin.

Kritiker weisen auch darauf hin, dass die Entscheidung, Flüsse und Wälder zu juristischen Personen zu erklären, mehr mit westlichen Rechtssystemen zu tun hat als mit indigenen Vorstellungen einer Vergöttlichung der Natur.

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"Es gibt zwar eine strategische Beziehung zwischen indigenen Gruppen und den Rechten der Natur," so die Politikwissenschaftlerin Mihnea Tanasescu, die ein Buch über das Thema in Ecuador geschrieben hat. "aber es gibt da nicht unbedingt eine Ähnlichkeit der philosophischen Ansätze, denn Rechte als solche entsprechen einer sehr westlichen juristischen Auffassung."

Michelle Maloney von der australischen NRO 'Earth Laws Alliance' schreibt gerade einen Gesetzesentwurf, der auf den Traditionen der Aborigines beruht, für die jedes Gesetz in der Beziehung zum Land begründet ist.  

"Das Konzept der juristischen Person gewinnt gerade an Aufmerksamkeit in der Welt", sagt sie, weil "der durchschnittliche westliche Jurist diese Konzept versteht."

Lake Eerie kämpft gegen Algen und andere VerschmutzungBild: picture-alliance/AP Photo

Auch der Ganges und der Yamuna-Fluss in Asien sind jetzt juristische Personen, ebenso wie jeder einzelne der hunderte Flüsse in Bangladesch. Kolumbianische Gerichte haben inzwischen wiederholt entschieden, dass die Rechte von Flüssen und Wäldern durch Verschmutzung und Abholzung verletzt wurden.

Diese Rechte orientieren sich jeweils an spezifischen lokalen indigenen Ideen. Dabei hat die US-amerikanische Organisation CELDF einen wesentlichen Anteil an der Festschreibung von Rechten der Natur in der Gesetzgebung in aller Welt.

CELDF hatte 2006 am weltweit ersten Gesetz mitgearbeitet, das der Natur Rechte zusprach - einer lokalen Verordnung, die giftige Müllentsorgung in Pennsylvania verbot. Seitdem, so Margil, sind fast 40 Gesetze für die Rechte der Natur in den USA verabschiedet worden. Viele wurden von Aktivisten angestoßen, die keine indigenen Verbindungen haben, aber von einem juristischen System enttäuscht sind, das Schäden an der Natur erst dann anerkennt, wenn die Gesundheit oder die Lebensgrundlage von Menschen betroffen sind. 

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Ein Diskurswechsel

Der Whanganui Fluss in Neuseeland bot lange KonfliktpotenzialBild: picture-alliance/J. Schwenkenbecher

Einer dieser Fälle ging letztes Jahr durch die internationalen Medien. Bewohner der Stadt Toledo im US-Bundesstaat Ohio, die am Ufer des stark verschmutzten Erie-Sees liegt, stimmten dafür, dem See eigene Rechte zu geben. Eine Farm in der Nähe leitete dagegen ein Gerichtsverfahren ein, um die Rechte der Agrarindustrie zu schützen. 

Seit das vorgeschlagene Gesetz von den Gesetzgebern in Ohio ins Abseits gestellt wurde, bemühen sich Aktivisten darum, es wiederzubeleben. Ihre Protesten machen deutlich, dass das derzeitige Rechtssystem die Natur lediglich als Besitz behandelt, Unternehmen aber als juristische Personen anerkennt. 

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"Oft denken Menschen nicht über die unsichtbaren Systeme nach, die unsere Welt beherrschen", sagt Maloney. "Als Anfang dazu - und um die öffentliche Diskussion tatsächlich zu verändern - können die Rechte der Natur sehr hilfreich sein."

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