UN: 410 Tote in Gaza bei Lebensmittelausgabe seit Mai
24. Juni 2025
Seit Wochen dürfen im Gazastreifen Lebensmittel nicht mehr von international anerkannten Hilfsorganisationen verteilt werden. Die "Gaza Humanitarian Foundation" (GHF), eine von den USA und Israel eingesetzte Stiftung, hat diese Aufgabe übernommen - offensichtlich mit fatalen Folgen: Fast jeden Tag werden Menschen bei der Ausgabe von Nahrungsmitteln an mehreren Verteilzentren in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer verletzt oder getötet.
Die Vereinten Nationen haben nun eine traurige Bilanz gezogen: "Seit die Gaza Humanitarian Foundation am 27. Mai ihre Arbeit aufgenommen hat, hat das israelische Militär Palästinenser bombardiert und beschossen, die versuchten, die Verteilstellen zu erreichen, was zu zahlreichen Todesfällen geführt hat", so Thameen Al-Kheetan, Sprecher des UN-Menschenrechtsbüros in Genf in der Schweiz. "Berichten zufolge sind dabei mehr als 410 Palästinenser getötet worden." Die Nachrichtenagentur AFP meldete, dass es auch an diesem Dienstag Tote bei der Essenausgabe gegeben habe.
Das israelische Militär sagte auf Anfrage, in der Nacht zu Dienstag hätten sich Menschen im Zentrum des Gazastreifens in der Nähe von israelischen Soldaten versammelt. Der Armee seien Berichte über Verletzte durch israelischen Beschuss bekannt. Die Einzelheiten würden geprüft. Über Tote machte das israelische Militär keine Angaben.
Al-Kheetan präzisierte, dass es sich bei den von ihm genannten Fällen um Angriffe durch die israelischen Streitkräfte handelte. Die genannten Zahlen stammten vom Gesundheitsministerium in Gaza und verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, sagte Al-Kheetan der Deutschen Welle. Das UN-Büro sei dabei, die einzelnen Todesfälle zu verifizieren. Möglich sei, dass zusätzlich auch bewaffnete Gruppen im Umfeld der Nahrungsmittelverteilung an den GHF-Zentren schießen.
Insgesamt rund 3000 verletzte Palästinenser
Weitere 93 Menschen seien nach vorliegenden Berichten von den israelischen Streitkräften getötet worden, als sie versuchten, sich den wenigen zugelassenen UN-Konvois zu nähern. Insgesamt seien rund 3000 Palästinenser verletzt worden, so die Vereinten Nationen in Genf.
Israel verstoße gegen internationales Recht, weil es UN-Konvois für die hungernde Bevölkerung blockiere, sagte der Sprecher. Zivilisten lebenswichtige Hilfe zu verweigern, sei ein Kriegsverbrechen. Ob dies auf die Lage im Gazastreifen zutreffe, müssten Gerichte beurteilen.
"Israels militarisierter Mechanismus der humanitären Hilfe steht im Widerspruch zu internationalen Standards für die Verteilung von Hilfsgütern", sagte Al-Kheetan. "Er gefährdet die Zivilbevölkerung und trägt zu der katastrophalen humanitären Lage in Gaza bei."
UNRWA fordert Wiederherstellung humanitärer Grundsätze
Der Chef des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA), Philippe Lazzarini, forderte, dass die humanitären Grundsätze im Gazastreifen wiederhergestellt werden müssten. Hilfslieferungen anderer internationaler Organisationen mit Nahrungsmitteln stünden bereit - genug für 10.000 Lastwagenladungen. Diese würden aber nicht in den Gazastreifen gelassen, sagte Lazzarini auf einer Pressekonferenz in Berlin.
Seit Mitte Mai, nach mehr als zwei Monaten kompletter Blockade, lässt Israel derzeit nur wenige Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Die israelische Regierung argumentiert, dass die Güter in die Hände der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas gelangen könnten. Die Organisation wird von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft.
Auslöser des Israel-Hamas-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das verschiedene palästinensische Terrorgruppen am 7. Oktober 2023 verübt hatten.
AR/wa/apo (dpa, epd, rtr)