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"Artenverlust bedroht unsere Lebensgrundlage"

Irene Banos Ruiz GR
28. November 2018

"Unser Planet ist nicht mehr gesund", sagt Cristiana Paşca Palmer, Generalsekretärin der UN-Konvention für biologische Vielfalt. Wir hängen von der Natur ab, meint Paşca im DW-Interview. Der Artenverlust sei gefährlich.

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Bild: picture alliance/dpa

Deutsche Welle: Frau Cristiana Paşca Palmer, laut dem Living Planet Report des World Wide Fund for Nature WWF gingen die Bestände der Wirbeltiere weltweit seit 1970 um 60 Prozent zurück. Wenn wir unseren Umgang mit der Natur nicht schnell ändern, könnten wir die nächsten sein, warnen die Naturschutz-Experten darin. Der Verlust der Artenvielfalt ist also eine Hauptbedrohung für unseren Planeten, für uns. Warum bekommt er dann nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie der Klimawandel?

Paşca Palmer: Sie haben recht. Der Klimawandel nimmt viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Das ist sehr gut, weil es ein sehr großes Problem ist.

Wir müssen uns jedoch nicht nur um den Klimawandel, sondern grundsätzlich um den Zustand des Planeten kümmern. Biodiversität ist die Infrastruktur, die das Leben auf dem Planeten unterstützt. Ohne gesunde Ökosysteme können auch wir nicht leben. 

Der Klimawandel ist nur ein Ergebnis, er zeigt, dass der Planet nicht mehr gesund ist. Ein weiterer Verlust an Biodiversität verursacht also einen weiteren Klimawandel, und der weitere Klimawandel verursacht einen weiteren Verlust an Biodiversität. Wir befinden uns in einem Teufelskreis.

Was kann getan werden? Wie lässt sich das Bewusstsein für die Bedeutung des Biodiversitätsverlusts erhöhen?

Cristiana Pasca Palmer vom UN Biodiversität ProgrammBild: picture-alliance/Zuma/A. Leyva

Wir versuchen die Zusammenhänge zwischen Klima und Biodiversität besser zu erklären. Wir müssen diese Themen ganzheitlich angehen. Ein Umweltminister kann das Problem des Verlusts der biologischen Vielfalt allein nicht lösen und ein Energieminister nicht allein das Problem des Klimawandels.

Wir müssen die Öffentlichkeit sensibilisieren. Die Menschen bemerken bereits die Auswirkungen des Klimawandels auf ihren Alltag, besonders in gefährdeten Ländern wie kleinen Inselstaaten. Beim Verlust der Artenvielfalt sind die Auswirkungen momentan nicht so sichtbar. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Artenverlust nicht sehr gefährlich ist. Wir versuchen das Bewusstsein dafür zu schärfen. Wir müssen den Klimawandel und der Verlust der biologischen Vielfalt gemeinsam angehen. 

Einigen ist bewusst, dass Produkte mit Palmöl zum Verlust von Wildtieren führen können. Wie gefährdet unser Verhalten die Artenvielfalt? 

Dies ist eine sehr wichtige Frage. Unser Einkaufsverhalten führt zum Verlust der biologischen Vielfalt. Wir sollten also weniger konsumieren und uns bewusster verhalten.

Wir können zum Beispiel den Verbrauch von Kunststoff reduzieren. Auch können wir den Verbrauch von Fleisch und Milchprodukten reduzieren. Laut einem in Science veröffentlichten Bericht liegt der Anteil von Fleisch- und Milchprodukten am globalen Kalorienbedarf nur bei 18 Prozent und beim Bedarf von Protein bei 30 Prozent. 

Für die Fleisch- und Milchproduktion werden aber 83 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit gebraucht und zugleich werden hier 60 Prozent der Treibhausgase in der Landwirtschaft freigesetzt.

Wir können also täglich die Wahl treffen, Teil der Lösung sein und so die Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Auch können wir zum Beispiel Sonnencremes meiden die durch ihre Inhaltsstoffe die Korallen schädigen. 

Auf der UN-Konferenz für Biodiversität in Sharm El Sheikh, der COP 14, wurde vorgeschlagen, neue Schutzgebiete zu erstellen. Ist das die richtige Strategie?

Schutzgebiete sind wichtig für den Erhalt der Biodiversität und für den Schutz unserer Lebensgrundlage. Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist abhängig von Schutzgebieten.

Zum Glück habe ich hier gute Nachrichten: Im Jahr 2010 haben wir uns das Ziel gesetzt die Schutzgebiete an Land bis 2020 auf 17 Prozent und für Meeresgebiete auf 10 Prozent zu erhöhen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir diese Ziele erreichen werden.

Aber diese Schutzgebiete reichen nicht wenn wir zugleich außerhalb dieser Gebiete alles zerstören. Wir müssen mit den Böden und mit dem Wasser nachhaltig umgehen. Wir brauchen einen transformativen Ansatz für die Biodiversität und dies grundlegend. Biodiversität müssen wir als begrenztes Kapital betrachten. Wir haben nur einen Planeten und müssen ihn als solchen behandeln.

Beim Thema Biodiversität sprechen wir oft über die großen Tiere. Wie wichtig sind beim Thema Biodiversität Mikroben und Pilze?

Wir Menschen sind die am weitesten entwickelte Art, aber wir sind sehr abhängig von der Natur. Wenn wir die Biodiversität betrachten, dann müssen wir dieses vollständige Bild sehen: Jede noch so kleine Spezies spielt eine wichtige Rolle. Alle Lebensformen sind miteinander verbunden. Wenn wir über Biodiversität sprechen, dann müssen wir das deutlich machen. Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen verstehen, dass Biodiversität alles Leben auf der Erde ist, einschließlich unseres Lebens.

Cristiana Paşca Palmer ist seit 2017 Generalsekretärin der UN-Konvention für biologische Vielfalt und Lebensschutz.  Zuvor war sie Umweltministerin in Rumänien. 

Das Interview führte Irene Banos Ruiz 

Mehr zum Thema: WWF-Report: Menschheit braucht Richtungswechsel 

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